Charaktervorstellung Fraeya Elenwe (Waldmaus_)

Fraeya Elenwe

Name: Fraeya Gaylia Elenwe
Name im Spiel: Waldmaus_

Geschlecht: Weiblich

Rasse: Hochelfe

Aussehen:
Fraeya ist knappe 1,80m groß und eher schlank. Sie hat lange, blonde Haare, die sie sich öfters, besonders zu Anlässen, kunstvoll hochsteckt – eine Angewohnheit noch aus Zul. Ihre Augen erstrahlen in einem Blassgrün.
Seit ihrer Entführung, bei welcher die Hälfte ihres rechten Ohres mit einer Klinge abgetrennt wurde, verbirgt sie dies heimlich, indem sie eine hölzerne Prothese in Hautfarbe trägt, welche sie speziell für sich anfertigen ließ. Zudem prangt auf ihrem Rücken, zwischen den Schulterblättern, ein gebranntes Sklavenmal.

Fraeya Bild

Bildquelle

. (@cassiansnesta) | Character art, Sketches, Fan art (pinterest.de)

Geburtsdatum: 14.08.1216 – 136 Jahre alt (Stand 1352)

Religion: Gwador – Besonders Nolwe, die Göttin der Strategie, Gerechtigkeit und Weisheit

Herkunft: Zul in Myra, Paeonia

Wohnort: Távaryn

Beruf/Beschäftigung: Tári von Távaryn, somit oberste Dienerin der Götter Gwadors.
Clan in Távaryn: /

Fähigkeiten:

  • Lesen und Schreiben
  • Magie wirken
  • Reiten
  • Kochen
  • Tanzen
  • Spielen auf der Flöte, Laute und Harfe
  • Nähen, Sticken
  • Floristik
  • Diplomatie

Magie:

  1. Rosenranken (Natura):
    Der Anwender lässt dornige Ranken mit wunderschönen Rosenblüten aus dem Boden sprießen, die das Ziel fesseln und leichte Verletzungen zufügen. (Keine Verletzung bei Rüstung, ungerüstet 1 LP Schaden + das Ziel muss in jeder Runde statt anzugreifen würfeln, um sich zu befreien. Dies kostet den Angriffswurf.)

  2. Telepathie (Arkanismus):
    Der Anwender kann eine telepathische Nachricht an ein Ziel senden, mit welchem der Anwender Augenkontakt hat. (Der Zauber kostet zwei tägliche Magieanwendungen pro Nachricht)

  3. Berührung des Lichts (Licht):
    Die Hände des Anwenders beginnen zu glühen und senden eine wohltuende Wärme aus. Bei Berührung schließen sich kleinere Wunden und oberflächliche Verletzungen. (Heilt 1 LP, Chaoswesen bekommen durch die Reinheit des Lichts Schaden)

Stärken:

Kühler Kopf

Fraeya hat durch ihre Ausbildung in der Jugend die Gabe erlangt, auch in stressigen, anspruchsvollen Situationen stets einen kühlen Kopf zu bewahren.

Schnelle Auffassungsgabe

Fraeya ist in der Lage, Informationen rasch zu verarbeiten sowie Dinge schnell zu erlernen.

Entschlossenheit und Ehrgeiz

Fraeya hat eine nahezu unbrechbare Entschlossenheit und einen nicht endlichen Ehrgeiz. Trotz Niederschlägen kann sie ihren Zielen stets treu bleiben. Der Glauben an die Götter unterstützt sie dabei maßgeblich.

Schwächen:

Angst um ihre Familie

Die Familie ist Fraeya das Wichtigste. Zwar ist diese sehr groß, doch musste in der Vergangenheit zahllose Verluste hinnehmen. Fraeya hat stets die Angst, dass es zu weiteren kommt.

Angst, im Dunkeln alleine zu sein

Seit ihrer Entführung durch die Orks fürchtet sie sich davor, alleine durch die Dunkelheit zu wandern. Jederzeit könnten sich erneut die groben Arme der monströsen Grünlinge um sie schließen. Ihr Vertrauen in die Götter linderte diese Angst nur um ein kleines Maß.

Körperliche Schwäche

Auch zuvor, doch insbesondere seit ihrer Entführung und Versklavung, verfügt Fraeya über keine große körperliche Kraft mehr.

Ihr Glauben

Zwar mag ihr unerschütterlicher Glaube stärkend in vielen Ecken des Lebens sein, doch er bringt auch negative Seiten mit sich. Ihr blindes Vertrauen in die Götter blendet sie stellenweise.


Charaktereigenschaften:
Fraeya wurde seit Kind auf darauf trainiert, Ratsmitglied in Zul zu werden. Dazu gehörte striktes Gehorchen, Kühlheit und Erhabenheit. Dies ist jedoch eine Maske, die sie im Laufe ihres Lebens die meiste Zeit trug, doch vor allem nun gerne abnahm.

Im Grunde ist sie ein freundliches Wesen, das zumeist den Gesetzen und Bräuchen der vornehmen Gesellschaft folgt. Sie benötigt jedoch immer eine gewisse Wichtigkeit oder Bedeutung ihrer Person.
Kinder liegen ihr besonders am Herzen, da sie eine lange Zeit lang das Waisenheim Távaryns führte und ihren Schützlingen zu einem besseren Leben verhalf.

Seit ihrer vergangenen Entführung, bei welcher sie versklavt und - in ihren Augen - von den Göttern auf die Probe gestellt wurde, zeichnet sie sich durch eine strenge Frömmigkeit aus, die jedoch das Wohl ihrer Gemeinschaft vorsieht. Sie ist überzeugt, unerbittlich für ihre Götter und für den Glauben einzustehen.

Familie:

Familie

(Wenn nicht anders erwähnt, wohnen alle in Zul)
Alter im Jahr: 1352
Mutter: Filauria Taenya Aldaval-Elenwe, 443 Jahre, :female_sign:
Vater: Oribel Paeral Elenwe, 463 Jahre, :male_sign:
Geschwister:

  • Mylaela Nylathria Elenwe-Maertel (verstorben mit 132 Jahren im Jahr 1352), verheiratet mit Círdan Earendil Maertel, :latin_cross: , verstorben mit 125 Jahre, , Tochter: Raenelyra Taenya Maertel, 19 Jahre, :female_sign:, Sohn Raegon Círdan Maertel, 25 Jahre, :male_sign: ; 2. Mal verheiratet mit Jhaax Haleth, Verstorben 1350 mit 131 Jahren :male_sign:; Töchter: Míriel Antheia und Lúthien Astraea Maertel, 2 ½ Jahre :female_sign:
  • Arwen Idril Elenwe-Nhaésal, 120 Jahre alt, :female_sign: , verheiratet mit Paeral Raegal Nhaésal (120 Jahre, :male_sign: ) Kinder: Antheia Gaylia (40 Jahre, :female_sign: ) und Taenya Fraeya (35 Jahre, :female_sign: )

Ehemann: Elrond Ilbryn Gourael ( :latin_cross: verstorben mit 154 Jahren im Jahr 1352)
Kinder: Doraeh Idril (53 Jahre, :female_sign: ) & Ilbryn Oribel (43 Jahre, :male_sign: )

Vorgeschichte

Vorgeschichte

Fraeya stand vor dem Spiegel. Seine Glasfläche war makellos und der Rand aus dunkler Eiche in kunstvollen Rosenmustern handgeschnitzt. Und auf dem Glas bildete sie sich ab. Eine sechszehnjährige Hochelfe, mit aufwendig hochgesteckten Haaren, kritischem Gesichtsausdruck und in einem bodenlangen, weißen Kleid, welches über und über mit Gold verziert war.

Ihre vier Jahre jüngere Schwester Mylaela stand einige Meter dahinter, in einem blauen Kleid – wie es sich Fraeya als Farbe für die Feier gewünscht hatte – und beobachtete sie dabei, wie sie sich streng im Spiegel beobachtete.

„Du siehst perfekt aus!“, meinte Myla zum wiederholten Male. Fraeya beobachtete weiter sich, ihre leicht rot geschminkten Lippen und Wangen und dann die aufwendig gemachten Haare. Ihre Schwester hatte sich zwar angeboten, dies zu machen, doch war ihr eine professionelle Zofe lieber gewesen.

„Vater wird jedes Ratsmitglied eingeladen haben. Ich darf mir keine Fehler erlauben!“, erwiderte sie nur und drehte sich langsam um, „Er wird mich vermutlich versuchen zu verkuppeln.“

Mylaela schien etwas erwidern zu wollen, als just in dem Moment die Tür zu ihrem Raum aufging. Ihre Mutter, aktuell mit einem dritten Kind schwanger, trat ein und strahlte Fraeya an. Fraeya drehte sich vom Spiegel weg und sah zu ihr.

„Die Leute im Saal sind bereit“, sagte sie lächelnd, „bist du soweit?“ Fraeya sah an sich runter und dann wieder in den Spiegel. Mylaela daneben nickte nur lächelnd und meinte an ihrer statt: „Ist sie“. Fraeya atmete dann tief durch und nickte auch. Ihre Mutter strahlte nochmal und führte sie zwei dann gen des Saals.

Sie mussten nur durch wenige Gänge des Elenwe-Anwesens, in welchem sie aufgewachsen war. Und in dieser Kindheit hatte sie alles gelernt, was für sie als zukünftiges Ratsmitglied der Familie Elenwe wichtig war.

Ihr wurde die Diplomatie gelehrt, das Zu- und Überreden von Leuten und das Aufbewahren einer professionellen Maske, durch die sie ihr wahres Wesen verbergen konnte. Auch war ihre Bildung hart gewesen. An der Eliteschule war sehr viel von ihr gefordert worden, aber dank ihrer guten Auffassungsgabe, hatte sie dem gut gerecht werden können.

Ihre Eltern und Lehrer waren zwar enttäuscht gewesen, als sich zeigte, dass Fraeya sich mit der Magie nicht so gut tat, wie die meisten anderen Mitglieder ihrer Familie, doch wussten sie ihren Ehrgeiz und ihre Drang, nie aufzugeben, mit ihrem Pflichtbewusstsein immer zu schätzen.

Schließlich kamen sie an der großen Flügeltür zum Ballsaal an. Ihr Vater Oribel stand wartend davor und stolz lächelnd. Er schaute sie alle einmal an, ehe er gen Fraeya sagte: „Gleich wird es losgehen. Ich möchte, dass du perfekt sein wirst!“

Fraeya nickte eifrig, ehe er ihr einen kurzen Kuss auf die Stirn gab und der traditionellen Weise nach zu erst nur mit Filauria und Mylaela in den Saal eintrat.

Die Türen schlossen sich wieder für den kurzen Moment und Fraeya atmete tief durch und suchte ihre Ruhe. Sie durfte sich nun keine Fehler erlauben, redete sie sich ein, während sie ihren Vater innen hörte, wie er laut für das zahlreiche Kommen bedankte und ein paar weitere Dinge sagte.

Und dann öffnete sich die Flügeltür erneut. Und nur für sie. Die brennenden Lichter der Kronleuchter leuchteten ihr entgegen, wie auch die strahlenden Gesichter der wirklich vielen Gäste, deren Blicke nur ihr galten.

Sie sah eine Menge Ratsmitglieder, entfernte Cousins und Cousinen, Onkel und Tanten. Sie alle auch im, von ihr gewünschten, Blau gekleidet und mit strahlenden Gesichtern.

Ihr Vater Oribel, ein Stück hinter ihr, erhob die Stimme: „Am heutigen Tag feiern wir den sechszehnten Geburtstag meiner ältesten Tochter Fraeya Gaylia und gleichzeitig meiner Nachfolgerin im Rat von Zul! Hebt mit mir die Gläser auf sie und heißt sie herzlich willkommen im Kreis der Hochelfen!“

Sie schritt langsam in den Saal hinein. Ihre Blicke glitten über die versammelten Elfen hinweg, an die reichlich geschmückten Wände und die großen Fenster nach draußen. Durch diese schien das Licht der Nachmittagssonne mitten in den Saal und reflektierte sich ein wenig auf dem Fliesenboden.

Wie sie es gelernt hatte, schenkte sie den Leuten ein bezauberndes Lächeln. Hiernach begannen die Musiker leise an zu spielen.

Fraeya fand sich kurz darauf bei ihrem Vater Oribel wieder. Bei ihm stand ein hochgewachsener Elf, mit kürzeren weißen Haaren, der ihr mit einem kühlen Lächeln entgegenlächelte. Fraeya war natürlich klar, was Sache war, und schenkte beiden ebenfalls ein Lächeln.

„Meine liebe Tochter, das ist Ratsmitglied Gourael“, stellte Oribel ihn vor. Derweil ging sie alle Informationen über ihn durch. Er hieß Elrond Ilbryn, war schon mit sechsundzwanzig Jahren Ratsmitglied geworden und nun etwa zweiunddreißig. Kalt wie Schnee, durch eine undurchdrinbare Maske, wie es hieß. „Er bittet um einen Tanz mit dir.“ Elrond blickte sie aus kühlen, blauen Augen an.

„Die Freude liegt auch meinerseits und ich werde gerne annehmen“, antwortete Fraeya ganz formell und in gelerntem Ton. Elrond erwiderte darauf: „Habt Dank, Mylady“ und beugte sich für einen Handkuss runter. Dieser fühlte sich ebenso sehr kalt an, wie es sein Anschein vermittelte.

Als er sich wieder erhob, hielt er weiter ihre Hand und Fraeya folgte ihm langsam auf die Tanzfläche. Es folgten mehrere Tänze mit ihm, weswegen Fraeya ihren Vater auf der anderen Seite des Saales zufrieden lächeln sah. Sie verweilte die Tänze über in seinen kühlen, blauen Augen. Dortdrin suchte sie nach irgendeiner Gefühlsregung. Oder etwas anderem hinter seinen Augen.

Am Ende löste sie sich von ihm, um der Höflichkeit halber den anderen Elfen, die gekommen waren, einen Tanz zu bieten. Doch auch für das Ende fand sie sich bei Ratsmitglied Gourael wieder. Den letzten Tanz schenkte sie – sehr zur Zufriedenheit ihres Vaters – ihm, ehe Oribel dann das Fest für beendet erklärte.

Ratsmitglied Gourael verabschiedete sich wieder mit dem ebenso kalten Handkuss und den Worten „Habt Dank für den Tanz, Lady Fraeya“. Er ging dann, noch ein-zwei Worte mit ihrem Vater wechselnd.

Als er und alle anderen Gäste aus der Tür waren, kam er zu ihr. „Ein wunderbarer Mann. So jung schon ein Ratsmitglied und auch sehr galant, findest du nicht?“ „Wohl wahr“, antwortete sie, „sicher ist er ein toller Mann im Rat.“ Sie schaute zu ihm auf.

Ihr Vater strahlte auf diese Aussage hin: „Sicher auch ein guter Ehemann.“ Er nahm sie vorsichtig am Arm. „Komm. Nun geht es zur Segenshöhle“, sagte er und führte sie hinaus. Sie folgte ihm und stieg dort draußen in die offene Kutsche.

Der Kutscher drehte sich langsam um, fragte der Höflichkeit nach um ihr Wohlergehen und setzte dann mit einem leichten Schlag die Pferde in Bewegung. Die Kutsche bewegte sich sehr langsam und ohne viel zu rütteln über das enge Pflaster.

Die Fahrt ging kurz, vom Elenwe-Anwesen aus bis zur Segenshöhle der Ratsfamilien. Die Sonne ging schon unter und der Himmel wechselte die Farben von rot zu immer dunkler. Der Kutscher hielt, stieg ab und öffnete ihr die Tür. Er hielt ihr die Hand hin und sie ergriff seine Handschuhe, um vorsichtig auszusteigen.

Sie bedankte sich höflich, ehe der Kutscher sich tief verbeugte und sein Gefährt zum Warten bereit machte. Währenddessen schritt Fraeya langsam den Pfad entlang. An den Seiten standen schon ihre nächsten Familienmitglieder – eine Menge – bunt gekleidet in die Farben ihrer auserwählten Götter.

Sie selbst war immer noch in ihr weißes, verziertes Kleid gekleidet, in welchem sie den Weg vorsichtig hochschritt. Etwa zwanzig Schritte vom Höhleneingang entfernt, warteten ihr Vater und ihre Mutter. Fraeya kam bei ihnen an und nahm die, von ihr ausgewählten, Opfergaben entgegen: Ein Kelch mit exzellenten Wein aus Lacarus, ein Büschel gut gezüchteten Königskrauts und zwei weitere Dinge.

Ihre Mutter Filauria merkte ihr die Nervosität an, die durch ihre sonst erhabene Maske schien. Schließlich war es ein einmaliges Ereignis, das ihr ganzes Leben beeinflussen würde. Sie lächelte ihr nur beruhigend zu und meinte: „Keine Sorge. Du legst dich in die Hand der Götter und sie werden gut entscheiden.“

Fraeya nickte und fasste sich schnell wieder. „Hab Dank, Mutter“, erwiderte sie setzte ihren Weg mit den Opfergaben in der Hand fort. Sie duckte sich, als sie durch den bewachsenen Säuleneingang der Höhle trat. Sie schaute sich einen sehr langen Moment um, ehe sie die Abbiegung entlang ging und den Eingang aus den Augen verlor.

Sie schritt vorsichtig über den ziemlich ebenen Steinboden voran, an den Kerzen, die hin und wieder den Gang erleuchteten, vorbei.

Schließlich trat sie in den größeren Raum, wo auch der Altar stand. An den Seitenwänden erschienen in den Stein geschlagene Säulen und die Ranken, die von diesen ausgingen. In der Mitte lag der Altar, auf einer kleinen Insel inmitten eines Sees, der von einem schmalen Übergang zum Altar unterbrochen wurde. Das Licht der Sterne und des Mondes fiel durch eine Öffnung in der Decke hinunter auf den weiß glänzenden Altar.

Fraeya verlor prompt ihre Maske. Ihr Atem wurde unruhig, während sie am Beginn des Raumes stand und den weißen, kerzengekrönten Altar anstarrte. Einige Elfen wurden von keinem Gott auserwählt, hatte sie gehört. Ihr fehlte schon das große Magiepotential, das in ihrer Familie üblich war; was wäre, wenn sie dann nicht mal einen Segen vorzeigen könnte?

Sie blieb weiter angewurzelt dort stehen. Doch was, wenn das die Prüfung war? Wenn sie zukünftig Ratsmitglied werden wollte, durfte sie nicht so stehen bleiben.

Sie atmete tief durch und setzte ihre Maske wieder auf – wenn auch nur teilweise, denn ihr unsicherer Blick schien durch. Sie überquerte den Übergang zu der Insel in der Mitte und dem weißen Altar mit dem seidenen Tuch darauf. Vorsichtig stellte sie den Wein und die anderen Opfergaben ab. Die Kräuter legte sie in die helle Schale in der Mitte.

Dann kniete sie sich ans Wasser und wusch vorsichtig ihre Hände darin. Wieder aufgestanden, zündete sie die Kräuter in der Schale an. Sie wartete, bis der erste kleine Rauch aufsteigen würde. Dann sprach sie die Anfänge des Gebets:

Erhöret mich, o ihr heiligen Götter,
Ihr großartigen Freunde,
Mächtige Stützen der Welt.
Erhört mich, ihr unsterblichen Götter,
Ihr seligen Götter, mag ich nicht aufhören,
Euch Dankbarkeit zu zollen,
Für alles Gute, welches ihr gabt und geben werdet.
Möge ich niemals das Wohl meiner Genossen vernachlässigen,
Soweit es in meiner Macht steht.
Bereitwillig dem Gemeinwohl zu dienen,
Soll auch mir als großer Vorteil gelten.
Möge ich niemals Urheber eines Übels sein,
Das die Elfen trifft,
Sondern von etwas Gutem,
Soweit es mir möglich ist,
Damit auch ich glücklich sein kann,
Indem ich euch ähnlich werde

Sie atmete durch und griff mit ihren Händen nach dem Weinkelch. Sie trank ihn vorsichtig und langsam bis zur Hälfte leer.

Ich erwarte sehnlichst euch und euren Segen,
ich lege mich in deine Hände Iheza,
o ihr heiligen Götter,
soll mir ihre Freundschaft auf ewig gesichert sein

Fraeya wandte sich dann vom Altar ab, als sie fertiggesprochen hatte. Ihr Blick wanderte zum Wasser, in welches sie jetzt hineinsteigen würde. Langsam, einen Fuß nach dem anderen, stieg sie in das kühle Wasser hinein. Es stand ihr hüfttief.

Nach einigen Momenten nahm sie Luft und tauchte komplett unter. Sie schloss dabei ihre Augen und konzentrierte sich komplett auf das, was sie jetzt erwarten würde. Vor der Dunkelheit ihrer geschlossenen Augen flog eine grün gefiederte Eule heran. Sie ließ sich auf einem nicht sichtbaren Boden nieder und wendete ihren Kopf genau zu ihr.

Der Blick der Eule galt ihr. Er war ruhig und konzentriert, in tiefer Ruhe und Geduld. Dieser Anblick meißelte sich für ewig in ihr Gedächtnis, bis sie plötzlich ihren Kopf wieder aus dem Wasser zog und in die kühle Realität zurückkehrte.

Die Eule gehörte Nolwe, das wusste sie. Und sie hatte sie ausgewählt. Um ihre Ruhe, Zuversicht und Mut zu geben. Um ihr die Weisheit zu geben, die Stärke zu geben, ihre Pflichten zu erfüllen, um späterer Zeit ein weises, geduldiges und gerechtes Ratsmitglied zu werten.

Fraeya atmete tief aus und blickte dann zum Spalt in der Höhlendecke. Sie widmete Nolwe ein leises Gebet. Sie dankte, bat um Stärke und Weisheit, für sie selbst und die sie anderen geben könne.

Zum Schluss endete sie an alle Götter gewandt mit:

Seid immer bei uns,
und so verlasst uns nie,
beseitigt die Krankheiten
und verscheucht die Sorgen, welche uns plagen

Sie stieg langsam aus dem Wasser und brachte die letzten Opfer dar. Dann kehrte sie mit strahlendem Lächeln aus der Höhle zurück.


Noch kurz danach wurde ihre Verlobung mit Ratsmitglied Elrond Ilbryn Gourael beschlossen. Elrond war auch in ihren darauffolgenden Treffen immer sehr kühl, doch auch freundlich und der Inbegriff der Ruhe, gewesen. Liebe war jedoch nicht im Spiel, auch sehr zu Fraeyas Bedauern. Doch war sie stolz und überzeugt, ihren Teil auf diese Weise – bis auch sie Ratsmitglied sein würde – beizutragen.

Und dann am sonnigen vierten Juli 1231 war der Tag ihrer Eheschließung soweit. Fraeya lief lächelnd durch den Gang inmitten der vielen anwesenden Gäste, hin vor zum Altar. Sie trug ihr weißes Kleid mit den Farben der Familie Elenwe und der Gouraels, zusammen mit goldenen Verzierungen und Schmuck.

Vorne am Altar stand Elrond Gourael. Er lächelte ebenso wie sie. Daneben die Hohepriesterin, die sie beide unter Meleths Augen trauen würde. Sie kam langsam zu ihnen vor und schenkte ihm ein glückliches Lächeln.

Sie folgten der Zeremonie. Sie umhüllten den Kelch, aus dem sie trinken sollten, mit ihrer gemeinsamen Magie und tranken beide davon. Danach ließen sie sich von der Hohepriesterin die Hände mit einem Tuch zusammenbinden.

Zum Schluss knieten sie sich Hand in Hand vor den Altar und die Hohepriesterin. Sie beteten um Meleths und Naskigas Gunst, für ein langes, harmonisches Leben zu zweit und einer Ehe mit vielen, glücklichen Kindern.

Die Hohepriesterin verkündete zuletzt feierlich: „Einst wart ihr zwei, nun seid ihr eins. Erhebt euch als gemeinsames Ehepaar, Elrond Ilbryn und Fraeya Gaylia Gourael!“

Von diesem Tag an nahm Fraeya traditionell den Doppelnamen ihrer alten und ihrer neuen Familie an: Elenwe-Gourael. Sie zog mit Elrond in das große Gourael-Anwesen, das auf der anderen Seite des Viertels lag. Dennoch konnte und wollte sie Mylaela und ihre kleine neugeborene Schwester Arwen, so oft es ginge, besuchen.


Die Jahre zogen sich dahin. Fraeya unterstützte ihren Mann Elrond, beratschlagte ihn manchmal und begleitete ihn zu Anlässen. Ihre Schwester Mylaela heiratete glücklich das Ratsmitglied Círdan Maertel und pendelte von nun an zwischen Zul und Aleyyn hin und her, durch ihre Arbeit in Silma Riënde. Auch Arwen hatte sich nach langem Ringen glücklich mit Paeral Nhaésal verheiratet und blieb in Zul.

Ebenso hielt sich Fraeyas Vater Oribel im Amt. Dies bedeutete, dass sie noch keine Ratssitzende wurde, sondern weiterhin nur Elronds Ehefrau spielen konnte. Sie hatte also nicht viel zu tun. Mit fünfundachtzig Jahren bekam sie dann ihre erste Tochter Doreah Idril und weitere zehn Jahre später ihren Sohn Ilbryn Oribel.

Sie zog sie liebevoll auf, aber brachte ihnen auch das Leben unter ihren Pflichten in dieser Familie und ihre Masken bei. Ganz wie üblich in ihrer Familie, drillte sie sie zu Bestleistungen, doch ließ sie sie mit ihrer Heirat die Wahl.

Doch zwischendurch suchte sie sich andere Dinge. Sie brachte sich beispielsweise das Spielen auf mehreren verschiedenen Instrumenten bei oder intensivierte ihr Können im Nähen und Sticken. Doch die Sachen schienen sie nicht allzu zu erfüllen. Sie ließ sich von ihrer Floristin in die Floristik einführen. Natürlich nicht offiziell, doch schien das für sie ein angenehmer Zeitvertreib.

Doch eines Tages stand ein Diener in der Tür. Er hielt ein Tablett mit einer Nachricht darauf, mit einem Wachssiegel versiegelt und ihr Name ‚Fraeya‘ oben darauf geschrieben. Sie öffnete ihn, wie jeden Brief, doch war es keine normale Einladung zu einem Festessen.

Fraeya las die Zeilen und ihre Maske brach. Mylaela, ihre erste Schwester, war verschwunden und hatte ihr diese Zeilen hinterlassen. Sie behandelten Dankesworte, ihre Trauer um ihren verschiedenen Mann Círdan und einen Abschied.

Als Fraeya nachfragte, erzählte ihr der Bote, der die Nachricht gebracht hatte, Mylaelas Anwesen in Aleynn sei leer. Sie und auch ihre Kinder Raegon und Raenelyra seien verschwunden.


Die Zeit verging weiter. Fraeya fühlte sich über den Verlust von Myla weniger verloren, doch als ihr eines Tages mitgeteilt wurde, ihre jüngste Schwester Arwen sei ebenfalls verschwunden, war sie am Boden. Ihre Maske war für Tage gebrochen und sie weinte und ließ beinahe ihre gesamte Gourael- und Elenwe-Verwandtschaft nach ihr suchen.

Es kam nichts raus. Weder von der Suche noch von ihrer besten Freundin Nakira, bei der sie zuletzt gewesen sein sollte. Sie gaben es nach zwei Wochen auf, auch wenn Fraeya noch eine dritte anordnen wollte.


Dann eines Tages kam ihr Mann Elrond zu ihr in ihre Räumlichkeiten im Gourael-Anwesen. Sie saß in ihrem gepolsterten Ohrensessel vor dem Kamin, betrachtete wie immer trüb das kleine Porträt mit ihren verschwundenen Schwestern auf dem Sims und ging auf ihrem Schoß dem Sticken eines Tuches nach.

„Meine liebste Frau?“, fragte er, nachdem er durch die Tür war. Fraeya legte ihre Sachen beiseite und stand auf. „Mein liebster Mann?“, erwiderte sie und drehte sich zu ihm um.

Er blieb an der Tür stehen – das waren etwa drei Meter von ihrem Sessel entfernt. „Mein Bruder, unser Sohn Ilbryn und ich gehen raus in die Wälder zur Jagd“, sagte er etwas knapp, „erwarte unser Kommen in drei Tagen wieder.“

Sie musterte ihn. Seine Haare waren wieder kürzer geschnitten; er trug schon sein Leder und die festen Jagdstiefel. Ein Diener hinter ihm hatte schon seinen polierten Jagdbogen samt Köcher und einem silberverzierten Jagdmesser auf den Armen.

Sie nickte und trat um den Sessel herum auf ihn zu. „Dann sei vorsichtig in den Wäldern. Ich werde deine Rückkehr sehnlichst erwarten“, antwortete sie und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Er nickte daraufhin nur und entfernte sich mit lauten Stiefelschritten. Der Diener folgte ihm eifrig auf Schritt.

Fraeya ließ sich dann wieder in ihren Sessel sinken. Die nächsten Tage würde sie wenig zu tun haben. Sämtliche Anlässe und Sitzungen würden abgesagt werden. Sollte sie vielleicht ihre Mutter mal wieder besuchen? Oder mit ihrer Tochter Doreah den Höheren Markt besuchen?

Sie seufzte. Sie würde wohl wieder warten. Wie die vielen einhundertzwanzig Jahre zuvor. Sie wartete darauf, dass ihr Vater starb. Nicht weil sie ihn hasste – sie liebte ihn natürlich, denn er war schließlich ihr Vater! Doch ihr ganzes Leben schon bereitete sie sich vor, Ratsmitglied zu werden. Und sie brannte darauf, es endlich zu werden. Sie seufzte wieder und setzte ihre Arbeit fort.

Der erste Tag der Jagd verlief ereignislos, doch schon am zweiten kehrte ein Diener zu ihr zurück. „Lady Gourael“, begann er mit belegter Stimme, „sie sind von der Jagd zurückgekehrt. Doch gibt es schlechte Neuigkeiten.“

Fraeya sprang von ihrem Sessel auf und rannte fast zur Tür. „Was ist passiert?“, fragte sie hektisch und starrte ihn mit Angst an, „wurde jemand verletzt?“ Der Diener blieb ruhig in der Stimme: „Bitte folgt mir, Lady Gourael.“ Sie hasste solch mangelnde Informationsgabe, doch folgte sie ihm.

Sie folgte ihm zwei Gänge entlang, zu ihrem Erschrecken in Elronds privates Schlafzimmer, das er nur sehr selten aufsuchte. Sie drängte sich am Diener vorbei, der kühler Miene sich am Eingang positionierte und auf irgendwelche Anweisungen wartete.

Im Raum waren die Vorhänge zugezogen und die Sonne schien nur trüb hinein. Elronds Bruder und ihr Sohn Ilbryn standen trauriger Mienen mitten im Raum; ihre Blicke auf sie gerichtet, als sie eintrat. Fraeya blickte sich panisch um und zu dem Bett, das in der Mitte an der Wand stand.

Sie eilte hastig an Ilbryn vorbei an die Seite des Bettes. Darauf lag er, mit geschlossenen Augen, seine schneeweißen Haare ganz ordentlich und sein Körper von einer weißen Decke mit dem Dunkelgrün der Gourael-Familie bedeckt. Sein Gesicht schien sehr friedlich.

Fraeya brach in Tränen aus und ließ sich auf dem Stuhl neben dem Bett nieder. Sie blickte verschwommen zu ihrem Sohn auf. „Was… ist passiert?“, fragte sie leise. Ihr Sohn hatte den Kopf hinuntergeneigt, das blonde Haar fiel ihm ins Gesicht. „Wir verfolgten einen großen, prächtigen Hirsch und seine Herde“, begann er, „Vater traf ihn mit einem Pfeil in der Flanke, doch der Hirsch rannte weiter. Wir… anderen waren zu beschäftigt mit dem Ausnehmen der zwei Hirschkühe.“

Elronds Bruder setzte weiter: „Er sagte, der Hirsch würde nur noch zwanzig Meter weiterlaufen, und ist ihm gefolgt. Wir haben ihn gelassen, aber nach keinen zwei Minuten hörten wir einen Schrei.“ Aber auch er stockte kurz und atmete durch.

„Wir ließen unsere Sachen liegen und rannten dem Schrei hinterher. Wir fanden ihn und den Hirsch dann auf einer Lichtung, aber… Ein großes, geflügeltes Waldwesen war schon dort und… hatte ihn mit seinem Schnabel gepackt… es riss ihn umher.“ Er stoppte und schwieg danach bekümmert.

Fraeya wischte sich derweil mit einem Tuch die Tränen aus den Augen und sah auf sein Gesicht runter. „Bitte ent-… entschuldigt mich“, erwiderte sie und erhob sich von dem Stuhl, „ich brauche etwas Zeit.“ „Natürlich“, sagten beide Männer gleichzeitig und ließen sie durchgehen.

Sie verließ den Gang mit den Zimmern, die Treppe hinunter ins große Foyer und dann durch die Nebentür in den großen Garten. Sie folgte dem Weg, stillschweigend und in ihre Gedanken.

Er war tot… Über einhundert Jahre hatten sie zusammengelebt und sie ihn zu lieben gelernt. Besonders nach der Geburt ihrer Kinder. Dennoch war es etwas Schlimmeres.

Sie fühlte sich nun bedeutungslos. Die letzten Jahre hatte sie sich damit getröstet, wenigstens auf Festen und Anlässen eine wichtige Rolle zu spielen. Doch dabei blieb sie auch immer nur ‚Lady Gourael‘. Und nun? Sie würde bedeutungslos im Gourael-Anwesen verbleiben müssen, verwitwet und darauf wartend, dass ihr Vater starb und sie endlich Ratsmitglied wurde. Doch nun… war sie unwichtig.

Sie folgte dem sauber gepflasterten Pfad durch die ordentlichen Gärten in das kleine Wäldchen hinein. Dieser wandelte sich mit der Zeit zu einem Trampelpfad, der das kleine Wäldchen der Gouraels durchzog. Sie lief oft hier. Beispielsweise auch nachdem erst Mylaela und dann Arwen verschwunden waren.

Der Weg mündete zu einem gusseisernen Tor, hinter dem der echte Wald anfing. Heute war es mal wieder offen und darum störte sie sich nicht an ihm, sondern folgte ihm weiter. Die Bäume zogen sich mit der Zeit zu und das Licht, das sie hindurchließen, wurde schwacher. Fraeya war so tief in ihren Gedanken verwühlt, dass sie einfach weiterging.

Schließlich verlor sich ihr Pfad im Waldboden und ließ sie orientierungslos und ohne Straße zurück. Sie atmete nur tief durch und beschloss, zu versuchen, den Weg zurückzugehen. Sie drehte sich um und lief den Weg zurück, den sie meinte, gekommen zu sein, doch erschien er ihr nicht wieder.

Sie blieb, wie sie es sich antrainiert hatte, kühl im Kopf und dachte nach. Sie könnte sich am Moos orientieren. Das Gourael-Anwesen lag im oberen, nordwestlichen Zul und ungefähr dort musste sie sich befinden. Das hieß, dass sie dem Moos entgegenlaufen musste. Und das versuchte sie.

Lange lief sie, bis ihr vor Erschöpfung wohl ganz schwummrig vor den Augen wurde. Doch sie zwang sich zum Weitergehen. Doch schließlich meinten sie die Kräfte zu verlassen und ihr schwarz vor Augen zu werden.


Sie wachte um vieles später auf. Sie war gestürzt, ihr Kleid dreckig und ihre hochgesteckten Haare zerzaudert und gelöst. Stöhnend erhob sie sich und wischte sich die Blätter und den Schmutz vom Leib.

Sie bewegte sich ein Stück und kehrte langsam aus dem Wald raus. Ihre Schritte führten sie einen Hügel hinauf und vor ihren Augen erschien an den Hängen des Berges eine unbekannte Stadt. Doch als sie ihren Blick senkte, sah sie noch wen anderes - ihre Schwester Arwen!

Sie befand sich danach in Távaryn, unter ihrer jüngsten Schwester Arwen, der Tári. Und weil ihr alter Name Elenwe-Gourael hier nichts mehr bedeutete, Elrond tot war, ließ sie sich nur noch nach ihrem Mädchennamen Elenwe nennen. Und auch wenn es ihr nicht sonderlich gefiel, plante sie jedoch, ihre Schwester Arwen mit allen Mitteln in ihrer Herrschaft zu unterstützen!

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Ich habe in deiner CV soweit keine Fehler oder falschen Dinge gefunden. Vielen Dank für das schreiben dieser.
Die CV Ware somit von mir angenommen
Nun kann jemand vom @team drüben gucken
LG
~ Luggy

Hallo Waldmaus,

ich schließe mich Luggy an, die Vorstellung ist hiermit angenommen!

Weiterführung Teil 1

Fraeya wurde gut in Távaryn aufgenommen. Im Palast erhielt sie von ihrer Schwester Arwen zwei große Zimmer, in welchen beiden sich auch ein wärmender Kamin fanden. Von ihrer Nichte Raenelyra erhielt sie eine Führung durch die Stadt. Fraeya bewunderte das System der Clans, das ihre Schwester Mylaela erfunden hatte.

Als Lyra ihr das Bachor-Viertel zeigte, kamen sie zum Floristenladen. Schon draußen war die Straße und das Gebäude von reichlich Blumenkästen- und beeten gesäumt. Innen war das Haus von aberhunderten Blumendüften erfüllt und eine Person, die wohl längst nicht mehr hier weilte, hatte an jeder Ecke kunstvolle Sträuße hinterlassen.

Es erinnerte Fraeya an Zul, wo sie sich in ihrem langen Warten das Blumenbinden und die Floristik hatte erklären lassen. An die Zeit, in der sie noch mit Elrond, ihren beiden Schwestern und ihren Kindern zusammengelebt hatte.

Sie seufzte einmal leise, denn sie wollte hier mehr mit ihrer Zeit anfangen. War vielleicht die Floristik das Richtige? Die Chance, mehr tun zu können, als nur die adelige Ehefrau, die sie in Zul gewesen war?

Als sie dann wieder aus dem Laden hinaustrat, hatte sie ihre Überlegungen abgeschlossen.

„Lellig-o nin onóre“, sprach sie ihre Nichte an, „denkst du, es wäre möglich, dass ich mich um diesen Laden kümmere?“

Lyra lächelte sofort und nickte kräftig. „Da bin ich mir sicher. Wenn es dein Wunsch ist, wird Arwen ihn sicher erfüllen.“

Fraeya erwiderte das Lächeln und sah zum Haus zurück. Doch sie wollte nicht nur Floristin sein. Bald – nach ihrer Cilme – sollte die Wahl zu den Yáralil stattfinden. Und es war natürlich ihr Ziel, die Clanführerin der Bachor, eines der größten Clans, zu werden. Und sie würde direkt neben ihrer Schwester im Rat sitzen.


Nur einige Tage später trübte traurige Kunde. Die alte Heimleiterin des Waisenhauses war verstorben und hatte sich in Gurs Arme begeben. Die Beerdigung fand nur kurz später statt.

Es trauerten nur wenige um die alte Frau, doch auch Vilya weinte Tränen vom Himmel. Fraeya leistete ihren Anstandsbesuch – wie sie fand – und gesellte sich zu den wenigen Personen in Schwarz, die sich um das Grab gestellt hatten.

Der offene Sarg war ins Grab bereits eingelassen und die Gesichtszüge der Alten wirkten friedlich, während sie unter einer weißen Decke, mit einer Trauerrose in der Hand, lag. Die letzten Leute und Angehörigen sollten noch Dinge zu ihr sprechen, und das taten sie leise.

Fraeya gesellte sich zu den hinteren Personen und setzte eine sehr bekümmerte Miene auf. Während der Prozess lief, lief ihr Blick von der Frau in dem Sarg über den glatten Grabstein bis zur linken Seite der Besucher. Dort erblickte sie – ebenfalls ganz in schwarz – eine Reihe Kinder, älterer und jüngerer, die nebeneinanderstanden und die Kleineren die Hände der Größeren umklammerten.

Die Waisenkinder, die ihre liebe Heimleiterin verloren hatten – ihre Mutter. Ihnen liefen alle Tränen das Gesicht hinunter, während sie den Worten lauschten und sich vom Gesicht der Alten nicht abwandten. Doch ihre Hände waren zusammen fest verbunden, als würden sie sich alle gegenseitig Trost geben.

Fraeyas Gedanken wichen zu Doreah und Ilbryn. Ihren eigenen Kindern. Sie weilten wohl jetzt noch im weltenfernen Zul. Sie hatte sie vor Augen, als sie noch kleiner waren. Doch auch jetzt würden sie wahrscheinlich Tränen um sie und ihr Verschwinden weinen.

Und so blieb Fraeyas Blick an den Kindern hängen, während das Grab schließlich vorsichtig zugeschaufelt wurde und anschließend der Baum hinter dem Stein emporwuchs. Seine Wurzeln streckten sich sanft um das Grab und den Sarg der alten Frau.

Die Besucher gingen nun langsam und auch Fraeya, die jetzt ihre Zeit allein brauchte.


Schließlich war es so weit und Fraeyas Cilme – die Wahl des Clans – stand bevor. Aus unerfindlichen Gründen waren nur sehr wenige Bürger anwesend, und sie die einzige Initiantin.

Dennoch ließen sie die Cilme stattfinden, nur etwas kürzer. Fraeya strahlte eine Seelenruhe aus, während sie mit Arwen, der Tári, die Gebete aussprach und schließlich aufgerufen wurde. Sie erhob sich langsam von der Initiantenbank und nahm das Ritualmesser entgegen.

Mit diesem in der Rechten nahm sie erst zielstrebige Schritte auf das rote Gefäß der Bachor zu. Doch dann wurden ihre Schritte langsamer. Ihr kamen wieder die Waisenkinder in den Sinn. Sie hatte lange über sie nachdenken müssen und ihr war ihr Anblick kaum aus dem Gedächtnis gewichen.

Sie nahm einen tiefen Atemzug und lief die paar Schritte. Sie nahm die linke Hand hoch und schlitzte sich mit dem Messer den Daumen auf. Das Blut tröpfelte langsam hinab, in das orangene Gefäß – das des Clan Rocco, welchem das Waisenhaus angehörte.


Hiernach sprach sie mit ihrer Schwester. Beinahe kleinlaut fragte sie nach der Leitung des Waisenhauses, welche Arwen ihr natürlich strahlend übergab.

Fraeya ging dann in ihrem frisch geschneiderten, orangenen Kleid – welches sie als Rocco tragen musste – den Pfad zum Waisenhaus hoch. Das Waisenhaus lag ganz am Ende des Rocco-Viertels und die Sonne war schon ein paar Minuten untergegangen.

Sie öffnete das Zauntor und trat hindurch. Auf dem Vorhof lagen noch einige Dinge – ein Ball, ein Steckenpferd und eine Strohpuppe – und von nebenan, dem Hühnerstall, war nur ein leises, schläfriges Gackern zu hören.

Fraeya trat langsam durch die Tür ins Haus ein und blickte nach rechts, wo der Schlafsaal lag. Auf den Betten saßen alle anwesenden Kinder. Sie blickten sie aus großen, teils noch geröteten, Augen an und Fraeya entwich ein Lächeln offenen Herzens. Die Kinder schienen sofort zu verstehen.

Sie lief dann langsam durch den Schlafsaal und ließ sich an dessen Ende nieder. Die Kinder rückten zu ihr vor und Fraeya fühlte, wie sie ihre neuen Schützlinge – ihre neuen Kinder – sofort ins Herz schloss.

Fraeya Waisenkinder Bild

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OOC

Änderungen am Charakter:
Beruf/Beschäftigung: Heimleiterin des Waisenhauses
Clan in Távaryn: Rocco

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Weiterführung Teil 2

Kommt mit ein wenig Verspätung.

Teil 1

Es war ein normaler kühler Abend. Fraeya machte in Lohengrin ein paar Käufe, um danach in die Taverne der Stadt einzukehren. Es war nur, um ein paar Schlucke zu trinken, gewesen.

Sie trat durch die Tür in die am heutigen Tage spärlich gefüllte Taverne ein. Ein leises Schluchzen erreichte sofort ihr Ohr. Fraeya blickte sich nach links um. Am Tisch in der Ecke saß ein etwa elf- oder zwölfjähriges Mädchen.

Es hatte sich die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, doch konnte die Schrammen unter ihrer zerissenen Kleidung nicht verdecken. Fraeya kam sofort auf sie zu und musterte sie mit besorgtem Blick. Sie mochte sich nicht ausmalen, was ihr womöglich geschehen war.

„Hab keine Angst vor mir“, sagte Fraeya sanft, als sie sich langsam auf die andere Seite des Tisches setzte. Sie lächelte sie ganz kurz beruhigend an. Erneut ließ sie besorgt ihren Blick über ihre Kleidung und die tiefen Schrammen gleiten.

„Was … ist dir geschehen?“, fragte sie mit gesenkter Stimme. Das junge Mädchen blickte zu ihr auf. Es öffnete den Mund – doch es verließen es keine Worte. Es rutschte ein wenig weiter fort. Fraeya hörte ihren Magen leise knurren.

Sie hielt sich an ihrer Ecke des Tisches und winkte dem Wirt zu, der hinten an einem der anderen Tische seiner Arbeit nachging. Er verstand, nickte, verschwand in den Hinterräumen und kehrte mit einem Glas Wasser und einem kleinen Korb mit zwei Äpfeln zurück.

Fraeya wandte sich wieder dem Mädchen zu, das weiterhin keinen Ton von sich gegeben hatte. Es blickte nur bedrückt zu Fraeya, während sie warteten. Diese schob ihr daraufhin von ihrer Ecke des Tisches das Glas und den Flechtkorb zu.

Das Mädchen blickte sie etwas ängstlich an, streckte dann jedoch ihre Hände aus. Langsam und immer schneller werdend aß es den einen Apfel und trank die Hälfte des Glases mit Wasser.

Ein ganz, ganz leises „Danke“ löste sich nun von ihren Lippen und sie blickte wieder nach unten. Fraeya lächelte über den Erfolg. „Wo kommst du her?“ Es blickte wieder auf und deutete nach draußen. Erneut löste sich kein Wort aus ihrem zu sprechen versuchendem Mund.

Fraeya seufzte erneut leise in sich hinein. Sie legte ihre Hand sanft auf die des Mädchens. Es zog sie nicht zurück.

Sie blickte sie wieder beruhigend lächelnd an. Wäre es vielleicht besser, mit ihr nach draußen zu gehen? Aus der miefigen Taverne hinaus. Bei ihnen Elfen half das. Doch … was war sie?

Fraeya blickte wieder in ihre Kapuze, doch konnte die Spitzen ihrer Ohren nicht erkennen. Doch einen Versuch war es wert. „Möchtest du mit mir nach draußen gehen?“, fragte sie sanft und umschloss ihre Hand ein wenig fester.

Es nickte langsam und machte Anstalten, vom Tisch aufzustehen. Fraeya behielt ihre Hand fest und kam ebenfalls von der Bank auf. Sie führte ihre Hand über den Tisch und die erloschenen Kerzen darauf herum und langsam hinaus. Das Mädchen folgte langsam.

Durch die Tür getreten, umfing sie draußen die frische Nachtluft. Für die Hochelfe war der Gegensatz zur miefigen Taverne befreiend. Auch das Mädchen lächelte ein wenig, doch mehr nicht. Sie suchte einen besseren Ort auf.

Fraeya hielt ihre Hand immer noch sanft und führte sie die Steinstraße an der Gerichtslinde vorbei und über den Steinbogen, der zum großen Baum führte, der auf dem Hügel über der Stadt thronte. Am Fuße des Baumes lag eine Wiese mit einer verlassenen Decke.

Im Gras, direkt neben der Decke, ließen sie sich nieder. Sie hatten einen wunderbaren Blick hinunter auf die dunkle Stadt und den stillen Hafen. Es war mittlerweile kühl und das Mädchen schmiegte sich an sie. Fraeya blieb einen Moment still und hielt sie im Arm. Dann fragte sie: „Erinnerst du dich an deinen Namen?“

Es schüttelte langsam den Kopf, schluchzte und begann leise zu weinen. Es weinte direkt auf Fraeyas hochwertiges Kleid, doch sie sah darüber hinweg. Sie hielt es weiter fest in den Armen und wartete, bis sie langsam stiller wurde und aufhörte.

Die Kapuze rutschte ein wenig an ihrem Hinterkopf herab, als sie den Kopf wieder hob. Zwei spitze Elfenohren lagen darunter verborgen. Fraeya lächelte vor Glück und das junge Mädchen erwiderte es. Sie war eine Elfe. Fraeya war so erleichtert!

Sie deutete zum Hafen auf die Falmarin, das große, zweimastige Passagierschiff aus Távaryn. „Dieses Schiff dort unten … Es bringt uns nach Távaryn. Dort leite ich das Waisenhaus. Und mit einer großen Familie.“

Das Mädchen blickte sie an. „J-ja, ja … ich möchte mit dir!“, erwiderte es diesmal lauter. Fraeya nickte. „Dann machen wir es so.“ Es schmiegte sich wieder an Fraeya an. Ihre Äuglein schlossen sich plötzlich.

Fraeya blickte lächelnd auf sie runter. Sie blieb noch einen Moment mit dem kleinen Mädchen im Arm dort sitzen, ehe sie sie vorsichtig hochhob und hinunter zum Hafen trug. Sie ging an Bord und legte sie im Bett ihrer Kajüte ab. Ein wenig darauf läuteten die Glocken und das Schiff legte ab.


Teil 2

Dieser Teil behandelt eine Entführung.


Das Schiff fuhr im Hafen ein. Die Seeleute riefen laut und freudig. Ihre Stimmen drangen in die geräumige Kajüte ein, in der Fraeya und das namenlose Mädchen die Fahrt verbracht hatten. Das Mädchen schlief und wurde erst durch Fraeyas Hand geweckt, die ihr über die Stirn strich. „Wir sind da“, flüsterte sie.

Es nickte verschlafen und kam nach einigen Momenten hoch. Sie schien dennoch recht erholt. Die Schlafplätze in Távaryns Schiffen waren wohl besser als die auf der Straße…

Sie ergriffen sich wieder gegenseitig an der Hand und traten hinauf ins Sonnenlicht an Deck. Es herrschte einiges Treiben, denn die Falmarin würde gleich wieder auslaufen. Mit den wenigen anderen Passagieren verließen sie das Schiff.

Sie brachte sie über den Steg zum Tor und von dort hinauf in die Stadt. Das Mädchen hatte sichtlich Anstrengungen beim Hinaufweg. Es waren ihre Schrammen und Blessuren. Den weiten Weg durchs Rocco-Viertel sollte sie nicht wagen.

Sie brachte sie stattdessen ins Hospital nahe des Ratshauses. Sie traten durch die Tür und blickten sich um. Der vielbeschäftigte Medikus war wieder nicht da. Fraeya schloss die Tür wieder und brachte das Mädchen zu einem der Krankenbetten. Es legte sich hin und Fraeya deckte sie vorsichtig bis zur Hälfte zu.

Es konnte lange dauern, bis der Medikus zurückkäme. Solange müsste sie sich kümmern. Und sie auf keinen Fall alleine lassen.

Sie seufzte leise und blickte sich im Raum um, ehe sie ein paar Tücher ergriff und in den Wassereimer tunkte. Sie sogen sich mit Wasser voll und nachdem sie sie rauszog, wrang sie sie locker aus. Sie kehrte zum Bett zurück und legte sie vorsichtig auf die Wunden. Was konnte sie sonst tun?

Sie stellte ein Glas Wasser auf den Nachttisch, als ihr der Gedanke einfiel. Am Hafen wurden Kräuter verkauft. Heilende Kräuter, vielleicht helfende. Sie blickte wieder zum Mädchen, das gerade das Wasser trank.

„Ich muss schnell zum Hafen hinuntergehen. Ich werde gleich sofort zurück sein!“, versprach sie. Das Mädchen blickte sie ängstlich an. „B-bleib bei mir“, flüsterte es stockend. Fraeya strich ihr sanft über den Kopf. „Ich werde gleich wieder da sein. Sicher!“

Das Mädchen blickte nach unten und nickte traurig. Es ließ den Kopf langsam ins Kissen sinken. Fraeya deckte sie noch sanft zu, dann machte sie sich schnell auf zum Hafen – ein Fehler …


Eine kurze Weile später befand sie sich wieder unten am Hafen. Sie wartete. Sehr unruhig. Die Falmarin, das letzte Schiff, war bereits ausgefahren und der Hafen leerte sich zunehmend. Sie stand vor dem leeren Kräuterstand und wartete und betete, dass der Händler doch noch käme. Doch er kam nicht.

Nervös machte sie an ihrer Tasche rum. Sie wollte ihm wenigstens noch ein bisschen Zeit geben. Doch sie bemerkte das ungeplant einfahrende Schiff nicht. Auch die ungewöhnlichen Stimmen, die vom Schiff her klangen, nicht.

Erst bemerkte sie es, als schwere Schritte von Deck stampften und die Holzplanken unter ihnen zum Leiden brachten. Fraeya drehte sich abrupt um und erschrak. Leise hatte sie vor Entsetzen aufgeschrien.

Solche Ungetüme hatte sie noch nie gesehen! Unzählige Köpfe ragten sie höher in die Luft und ihre grüngrauen Körper schienen breiter als Felsen. Schwere Waffen hingen an ihren Seiten und Rücken, und aus ihren Mündern ragten gigantische Hauer.

Fraeya wich einige Schritte rückwärts vor den gigantischen Orks. Deren kleine Augen hatten sie jedoch im Blick und ihre groben Nasen schnüffelten in der Luft.

„FLEEEEEISCH!“

Der Schrei einer kleineren Kreatur riss Fraeyas Blick von den Ungetümen weg zu deren Beinen. Eine winzige, genauso ungetümartige Kreatur sprang zwischen den riesigen Orkbeinen hin und her. Sie gab komische Geräusche und Gekreische von sich, ehe das Orkweibchen ihm einen Tritt gab.

Einer brachte wieder die Aufmerksamkeit auf sich, indem er mit großen Schritten auf Fraeya zu stampfte. Scheinbar der Anführer. Er blickte zu ihr runter und schnüffelte wieder. „Wo sind wir hier, Weib?“, brüllte er laut, „wir wollten zu den stinkenden Elfen!“

Fraeya blieb nur kurz die Sprache weg. Sie musste sich zur Ruhe zwingen und biss sich die ganze Zeit auf die Zunge, um ruhig zu bleiben. „Ihr seid in Távaryn angekommen“, erwiderte sie so kühl es ihr möglich war und wich dennoch weiter Richtung Stadt zurück.

Im selbigen Moment rissen der andere Ork und der Goblin die Aufmerksamkeit auf sich. Der Ork hatte das kleine Goblinwesen gepackt und hochgenommen, welches vor seinen Füßen rumgetanzt hatte.
Mit einem „Schnauze!“ schmiss er den Goblin in direktem Flug gegen die Schiffswand. Das kleine Wesen rutschte am Holz hinab und landete mit einem Platschen ins Wasser, wo er noch mehr und panischer platschte.

Der Anführerork, der sich umgewandt hatte, grunzte den großen Ork an und der grunzte etwas zurück. Er und das Orkweibchen bückten sich und zogen das kleine grüne Wesen aus dem Wasser.

Derweil hatte sich Fraeya mit langsamen und unauffälligen Schritten immer weiter zu entfernen versucht. Es wäre nicht weit bis zum Wachhaus und den Wachen oder dem Stadttor über ihnen gewesen. Hätte sie die Beine früher in die Hand genommen, hätte sie es geschafft.

Der Orkanführer wandte sich jedoch früh genug wieder zu ihr. „Das ist doch eine Stadt der Elfen?! Ein reiches Volk, unter eurer stinkenden Göttin! Habt ihr nichts zu essen?!“ Er brüllte es beinahe und Fraeya musste sich alles zusammennehmen, was sie gelernt hatte. Es war nur ein großes, grobes Monster … das brüllte.

Sie nahm einen tiefen Atemzug, ehe sie erwiderte: „Hier sind die Götter Gwadors. Und ihr solltet- …“
„Wo gibt’sn was zu mampfen?“

Der Ork trampelte los. Sie sprang einen Satz zurück, ehe er ihr die Füße beinahe zerquetscht hätte. Er erklomm die Treppe und stapfte zu der bleichen Wache am Ende hoch. Fraeya blickte ihm nach, und ehe sie reagieren konnte, erfasste sie ein plötzlicher Schwung.

Die Welt drehte sich einmal. Sie schrak laut auf, als ihr Kopf und ihre Füße plötzlich in der Luft schwebten. Eine große, feste Hand hielt sie eisern fest. „Die nehm ich schonmal für später mit“, sprach der, der sie unter seinem Arm festhielt. Er folgt seinen Anführer.

Fraeya brauchte einen Moment, um es klar zu realisieren. Sie begann zu strampeln und auf seinen Rücken zu trommeln, doch den kräftigen Ork interessierte das wenig. Hinter ihm die Treppe hinauf lief das Orkweibchen, welches ihr einen kräftigen Kinnhaken versetzte. Es ließ sie sich beinahe die Zunge abbeißen, doch unterbrach nur kurz ihre Wehrversuche.

Sie schlug erneut auf seinen Rücken und Nacken ein, als er sie plötzlich fallen ließ.
Niemand unternahm etwas, während die Hochelfe nach hinten fiel und die gesamte Treppe runterpolterte. Sie blieb am Fuße liegen. Der Schmerz fuhr ihr durch den gesamten Körper und ihr entglitt nichts als ein Stöhnen.

„Flieg und sieg!“, ertönte es als lauter Ruf und keine Sekunde später krachte etwas Schweres auf sie drauf. Diesmal schrie sie vor Schmerz auf und krümmte sich, während das grässliche Angesicht des Goblins reine Belustigung zeigte. Er kicherte und schlug ihr ein erneutes Mal ins Gesicht, ehe er von dem großen Ork fortgeschubst wurde und Fraeya wieder unsanft unter den Arm geklemmt. Sie schrie wieder laut auf, als er sie zusammendrückte.

„Gehen wir! Ich bin mit der Ausbeute zufrieden!“, brüllte er zum Anführerork hinauf. Dieser thronte über der bewusstlos geschlagenen Wache und nickte.

Fraeya bemerkte nur am Rande des Bewusstseins, wie sie mit groben Tauen am Rücken des Orkes festgebunden wurde. Zuletzt noch, wie sie wieder auf das Schiff stiegen, ehe ein weiterer Schlag ihr wieder das Bewusstsein raubte.


Ihre Sinne fanden mit der Zeit wieder zu ihr. Sie spürte rauen Steinboden unter sich. Danach die Hitze, die von ihm ausging. Die Sandkörner, die ihn teilweise bedeckten. Das schwache Lichtschein, der durch das Fenster hineinschien, und dann das Gebrüll draußen.

Sie setzte sich auf. Ihr gesamter Körper schmerzte und sie zischte leise auf, als sie sich in die Ecke zog. Die Erinnerung kam nur nach Minuten zurück. Sie drehte ihren Kopf und versuchte weiter aufrecht zu rutschen. Sie zischte wieder vor Schmerz. Zu laut.

Die schwere Tür schwang auf und gleißendes, grelles Licht fiel in ihre Kammer hinein und blendete sie. Sie musste den Blick abdrehen und die Hand vor Augen heben, ehe ein dunkler, massiger Körper sich dazwischenschob und durch die Tür quetschte. Die Tür knallte wieder zu.

Fraeya, noch halb blind, blickte zu dem Ungetüm auf, das sie entführt hatte. Der Ork stellte sich dicht vor sie und drängte sie in ihre kleine Ecke. Er quetschte seinen Kopf zwischen die Schultern und die tiefe Decke und blickte auf sie herab.

„Erzählt mir von Euch… Was habe ich heute erworben?“, fragte er und begann sie eingehend zu mustern. Zu eingehend.

Fraeya erwiderte nichts.

„Schüchtern geworden?“

Er riss grob ihre Hand an sich und musterte sie. Blutig, verkrustet, aufgeschürft, staubtrocken. Mehr war sie nicht.

„Seid Ihr als Sklavin zu gebrauchen?“

Trotz ihres geistigen Dämmerzustands war dies für sie nicht hinnehmbar. Sie war eine Hochadlige! Die Schwester der Tári!

Ihr entfuhren die wütenden Worte: „Schämt Euch dieser Worte, Ihr Bas-…!“

Schallend knallte seine Ohrfeige ihren Kopf gegen die Wand. Während sie sich vom Schock erholte, griff er sie am Hals und drehte ihr Gesicht zu sich. Er blickte sie aus seinen kleinen Augen weiter an.

Sie sagte nichts. Dann holte seine Faust wieder aus und schlug ihr auf den Kopf.


Später wachte sie wieder auf, immer noch in derselben Kammer. Doch der Rest geschah ihr nur noch unbewusst, oder verschwamm in ihren Erinnerungen. Sie wurde geschlagen, sie wurde über den Fußboden gezerrt, in den Sand geworfen. Trockenheit, Durst, die vergebliche Hoffnung. Eine Wanne Wasser über ihren Kopf. Schließlich endeten auch diese Erinnerungen mit einem harten Schlag auf den Kopf.


Teil 3

Ihre nächsten Erinnerungen begannen in Ilmare. Im Hospital, wo sie von der Medika versorgt wurde. Ihre zahlreichen Wunden wurden verarztet, ihre gebrochenen Knochen versorgt. Die Medika pflegte sie mit der Zeit wieder gesund.

Zwischendurch erfuhr sie, was geschehen war. Eine Reisekutsche war vor den Toren der Stadt angekommen – jedoch ohne Kutscher. Als die Elfen und anderen Bewohner Ilmares im Inneren der Kutsche nachsahen, lag dort die geschundene Hochelfe gefesselt auf dem Kutschenboden. Mit einer Drohungsbotschaft an den Beinen.

Die Orks waren Ilmare bekannt gewesen. Beide Städte, Ilmare und Távaryn, hielten nun nach ihnen die Augen offen.

Bald darauf besuchte ihre Schwester sie als erstes. Und nachdem sie wieder einigermaßen laufen konnte und die Medika sie aus ihrem Hospital entließ, konnten sie nach Távaryn zurückkehren.

Fraeyas Waisenkinder und sie selbst weinten bei ihrer Rückkehr. Doch Fraeya nicht vor Freude. Das Mädchen war weg. Niemand hatte es gesehen, seit sie es im Hospital zurückgelassen hatte. Sie gab sich die Schuld dafür – doch würde nicht aufhören, nach ihr zu suchen.


Wenige Wochen später waren Fraeyas Verletzungen und Brüche wieder gut genug verheilt, dass sie ihre Schwester und den Rat von Távaryn zum Weltenrat begleiten konnte. Sie schlugen ihre Zelte ein wenig vorher dort auf. Den einen Abend saß Fraeya alleine in ihrem Zelt. Der Rest schlief bereits oder hielt sich in der benachbarten Stadt Lohengrin auf.

Sie lag schweigend und aufrecht auf ihrem Schlafplatz. Ihre Gedanken schwebten wie jeden Abend bei dem Mädchen. Sie hatte den Rat in Kenntnis gesetzt, die Stadtwache und mit Helfern und Freunden die gesamte Stadt durchsucht. Sie war fort.

Sie fragte sich, wo sie wohl war. Ob jemand sie gefunden hatte, und sie vor einem warmen Kaminfeuer saß.

Oder ob … sie allein in einer tropfenden Kanalisation saß und sich ihre zerrissenen Kleider um den Leib zog. Oder ob sie in der Wildnis war, auf einem Baum oder in einer Höhle schlief und vor den Gefahren davonrannte. Oder ob … das Mädchen bereits tot war.

Sie wollte diesen Gedanken nicht weiter zuhören. Sie schüttelte kräftig den Kopf, um ihn davonzujagen und lauschte danach angestrengt nach draußen. Es dauerte einen Moment, ehe sie sich konzentrierte. Es war still. Nichts außer das leise Rascheln der Bäume und der rauschenden Wellen des Meeres.

Sie strengte sich lange auf die Geräusche an, ehe sie ihre Decke zurückschlug, in ihre Stiefel schlüpfte und zum Zeltausgang ging. Es war beinahe pechschwarz draußen. Die Lampen im Lager waren bereits von den Schlafenden gelöscht worden und die Gestirne leuchteten in dieser Nacht nur dämmrig auf die Welt hinab. Die Kerze in ihrer Hand machte das einzige Licht.

Sie versuchte hinauszugehen, doch sie widerstrebte sich. Ihr Blick blieb einfach in der Dunkelheit hängen, in der sie nichts sehen konnte.

Was wenn sie aus ihrem Zelt heraustrat? Was wenn sich gleich wieder zwei große, feste Hände um sie schlossen? Was wenn dort versteckt etwas lauerte? Wenn sie dort lauerten? Es wäre niemand da, um ihr zu helfen.

Das Kerzenlicht in ihrer Hand flackerte. Vorsichtig unternahm sie einen weiteren Schritt nach dem anderen. Sie war einen ganzen Meter aus ihrem Zelt herausgetreten, als sie ein leises Poltern hörte.
Sie wimmerte leise auf und erwartete drei grobe, grässliche Angesichter, als sie dem Kopf rumriss. Sie blickte in Richtung eines Stapels Fässer. Wieder ertönte ein leiser Laut.

Fraeya blieb weiter wie erstarrt stehen. Die Kerze in ihren Händen leuchtete hell auf und machte sie deutlich zu erkennen. Die Geräusche näherten sich. Eine hohe Stimme versuchte zu sprechen. Eine Kinderstimme. Eine Mädchenstimme.

Fraeya regte sich wieder und lief darauf zu. Sie fand sie. Die Quelle der Stimme … Sie war es wirklich!


OOC

Änderungen am Charakter:
+Schwäche: Angst im Dunkeln alleine zu sein

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Weiterführung Teil 3

Es war früh abends. Draußen war es noch nicht dunkel, doch im Waisenhaus leuchteten bereits die Kerzen.

Im Hungersaal saßen gerade die sechs Waisenkinder und aßen. Es gab heiße Gemüsebrühe, die jedes Kind begierig runterschlang. Unter den wachsamen Augen und Mahnungen von Fraeya. Sie versuchte ihnen ein manierlicheres Verhalten anzugewöhnen.

Die eine Hälfte der Kinder saß am Tisch vor dem Kamin; Fraeya nicht an ihrem eigenen Tisch, sondern am zweiten Tisch bei den Kindern. Sie verhielten sich recht gut. Fraeya war stolz.

Neben ihr saß fröhlich Löffel um Löffel in sich hineinschiebend das junge Mädchen, das sie am Weltenrat wiedergefunden hatte. Soora hatten sie sie nun genannt. Taure trug sie als Nachnamen – wie jedes Waisenkind.


Es klopfte an der Tür und die Schritte der Person klangen durch den Flur. Ein Elf erschien im Türrahmen. Sechs junge und ein erwachsenes Augenpaar blickten ihn aus dem Hungersaal entgegen. Fraeya stand auf; die Waisen zu ihrem Verdruss nicht.

Es war ein hochgewachsener Palastdiener. In seinen Händen ruhte eine Schriftrolle.
Fraeya nickte ihm begrüßend zu. „Maer Gwein. Was können wir für Euch tun?“

Auch die Kinder fanden ihre Manieren. „Maer Gwein“, riefen sie im Chor. Fraeya lächelte.

Der Palastdiener verneigte sich und erwiderte erst zu Fraeya und dann zu den Kindern denselben Gruß. Dann blickte er wieder Fraeya an und hielt ihr die Rolle hin. „Dies ist für Euch, Aradî Elenwe.“ Er verneigte sich abermals und deutete, gehen zu wollen. Mit einem Nicken verabschiedete sie ihn.

Während er wieder ging, rollte Fraeya das Pergament aus. Was sie las, ließ sie vor Freude stocken … und erneut lesen.

Als sie das Pergament wieder einrollte, zitterte sie fast vor Freude. Wie lange hatte sie sehnlichst auf diese Nachricht gehofft? Ob es wahr war?

Dennoch rollte sie das Pergament ganz wieder zusammen und steckte es ein. Sie blickte zu ihren Kindern, die sie fragend anblickten. Erstmal sollten sie zu ende essen, dachte sie sich.

Fraeya lächelte nur, wie als sei nichts gewesen, und setzte sich wieder zurück an den Tisch. Auch die Kinder wandten sich wieder ihren Gesprächen und den halb gefüllten Schüsseln zu. Fraeya aß jedoch schneller als gewöhnlich und besaß Mühen darin, ihre Spannung zu verbergen.

Sie löffelte langsam ihre Brühe aus und wartete geduldig, bis die Kinder auch alle ihre Schüsseln auf den Tischen gestapelt hatten. Fraeya brachte sie zügig in die Küche, ehe sie zu den Kindern sprach: „Ich vertraue euch, dass ihr selbstständig schlafen geht und nicht zu viel Unsinn macht! Im Laufe des Abends werde ich wieder zurück sein.“

Elfas und Loke – die zwei Ältesten – nickten brav. „Das werden wir“, antworteten sie. Sie hoffte, dass es tatsächlich so war.

Fraeya verließ in eiligen Schritten das Haus, um das Hospital noch vor endgültigem Sonnenuntergang zu erreichen. Die Straßen in der Stadt waren gut beleuchtet, doch nicht die im Rocco-Viertel.

Sie hastete die Treppen zum Hospital hinauf und traf drinnen zwei Pfleger. Sie warteten vor der Tür zum Krankensaal.

Als Fraeya ankam verbeugten sie sich zur Begrüßung. Fraeya erwiderte ein Nicken. „Wann wurden sie gefunden?“, fragte sie prompt, als sie die Tür hinter sich schloss.

„Vor nicht mal einer Stunde, Aradînya“, erwiderte einer der Pfleger, „wir hielten es für besser, Euch sofort herzuholen.“

Fraeya nickte dankend und fragte erneut. „Wo wurden sie gefunden?“

„Im Gewässer nahe dem Hafen“, erwiderte der andere Pfleger, „ein Schiff fand sie im Wasser treibend und zog sie raus. Anhand der Ähnlichkeit ließen wir Euch rufen.“

Fraeya nickte erneut und sah dann zur Tür in den Krankensaal.

„Sie sind noch nicht wach, doch Ihr könnt schon nach ihnen sehen, wenn Ihr wollt, Aradînya.“

Die zwei Elfen öffneten ihr die Tür in den Krankensaal. Fraeya nahm einen tiefen Atemzug und trat hinein. Die Pfleger schlossen die Tür hinter ihr wieder.

Sie blickte sich im Licht der Laternen um. Auf dem ersten Bett vor ihr lag ein erwachsener Mann. Er war in eine feine Robe gekleidet, die jedoch genauso wie er klatschnass war. Seine mittellangen, blondweißen Haare klebten ihm im Gesicht, doch sie verbargen nicht dieselben Züge seines Vaters darin. Unter den geschlossenen Lidern ruhten auch dieselben Augen.

Fraeya lächelte und blickte zum Bett gegenüber. Die Hochelfe, die dort lag, war in eine Militäruniform aus Gorak gekleidet und ebenso triefend nass. Trotz des Wassers erkannte sie ihre blonden Haare. Auch ihr Gesicht zeigte gleich viel von Fraeya wie ihr jüngerer Bruder von ihrem gemeinsamen Vater.

Fraeya lachte vor Glück auf und ihr rannen die Tränen in die Augen. Sie strich der Elfe sanft über den Kopf. Doreah schlug die Augen auf. „Mutter?“

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Weiterführung Teil 4

„Familie oder Pflicht? Oder ist beides dasselbe?“

Es war bereits früher Abend. Ihre Schwester hatte sehr viel zu tun, weshalb sie Fraeya erst um diese Uhrzeit zu sich bat. Sie folgte der langen Wendeltreppe hinauf in die obere Etage des Palasts und an den königlichen Gemächern vorbei zu Arwens Arbeitszimmer.

An der großen Tür aus dunkler Eiche angekommen, klopfte Fraeya leise mit dem Fingerknöchel.

„Herein“, ertönte die Stimme ihrer jüngeren Schwester von innen. Fraeya öffnete leise die Tür und blickte sich im sonst leeren Raum um. Nur ihre Schwester war dort, sie stand vorne am Regal, mit dem Rücken zu ihr gedreht.

„Du wolltest mich sehen, Onóre?“

Fraeya näherte sich ihr und schritt über den türkisen Teppich am Boden. Ihre Schwester wandte sich um.

„Verzeih mir, ich war in Gedanken“, erwiderte Arwen und lächelte. „Ich muss etwas mit dir besprechen.“ Sie deutete auf die Stühle und humpelte mit der Krücke, die sie aufgrund ihres Beines mit sich führte, zu einem der beiden los, die vor dem Schreibtisch standen. Sie nahmen nebeneinander Platz und blickten sich gegenseitig an.

Fraeya atmete tief aus und beobachtete sorgenvoll die Miene ihrer Schwester, welche sie nicht recht zu deuten wusste.

Arwen sprach erst nach einem Moment. „Ich habe mir lange Gedanken gemacht“, begann sie. „Um Távaryn, unsere Familie, unsere Zukunft.“

Sie lächelte sanft, doch Fraeya nickte stumm mit unveränderter Miene. Arwen fuhr nach einem Augenblick fort.

„Ich plane zwei Hochzeiten … nebst meiner. Von unserer Nichte, Raenelyra, … als auch dir.“

Fraeya nickte langsam. Ihre Augen glitten für lange Momente nachdenklich zur Seite, ehe sie wieder aufblickte und die Stimme erhob.

„Und wer wird es für mich sein?“

„Vincent Amsee von Wolfswacht.“ Arwen musterte sie ruhig. „Ein bedeutender Stadtherr, ein edler Mann. Er könnte dir ein guter Ehegatte sein.“

Fraeya nickte erneut langsam. Sie kannte den Stadtherrn – einen Menschen. Ein paar Male hatte sie ihn bereits getroffen. Doch ein unbehagliches Gefühl baute sich in ihr auf.

„Was … ist mit meinen Kindern?“, fragte sie nach einigen Momenten laut. „Meinen Waisen.“

Arwen entgegnete ein sanftes Lächeln. „Du wirst weiterhin für sie sorgen können. Wir könnten eine Vertretung suchen.“

Ihr wurde weiter unwohl bei dem Gedanken. Sie müsste ihre Kinder verlassen, um dieser Pflicht zu folgen. Ihre Familie im Stich lassen. Doch … es war ihre Pflicht. Sie musste ihr folgen.

Fraeya holte leise tief Luft, ehe sie nickte und laut zustimmte. „Wenn es das Beste für Távaryn ist … werde ich Aradîr Amsee heiraten.“

Arwen lächelte sanft. „Ich danke dir. Ich werde gleich das Schreiben aufsetzen.“


Eine Woche später trafen sie sich mit Vincent Amsee von Wolfswacht in dessen Stadt. Er zeigte sich freundlich, höflich und galant; führte Fraeya in seiner Stadt umher und brachte sie einige Male zum Lächeln.

Am Schluss des Abends machte er Fraeya an einem unter der Wasseroberfläche liegenden Ort den formellen Antrag. Er steckte ihr sanft einen silbernen Ring mit einem funkelnden Stein an den Finger.

Sie machte sich danach viele Gedanken. War es möglich, dass es sich bei Familie und Pflicht um dasselbe handelte? Wenn sie ihre Familie schützte, indem sie der ihr auferlegten Pflicht folgte?

Sie wurde sich langsam sicher, sie könnte Vincent Amsee und diese Pflicht eines Tages womöglich lieben. Wie damals, bei Elrond.


Wenige Monate später ließ man überall im Land einen Aushang ans Schwarze Brett bringen. Hoch oben wurde es angenagelt, damit jeder es erblicken konnte.

Die Hochzeit war festgelegt. Doch aufgrund der Religionsunterschiede sollten zwei Trauungen stattfinden. Die eine war die öffentliche, welche an besagtem vierten März in Távaryn stattfinden sollte, unter den Augen und dem Schutze Gwadors.

Einen Tag zuvor fand in Wolfswacht – im kleinen Kreis Vincent Amsees, seiner Tochter Phoiebe und Fraeyas – die Trauung nach griechischer Wolfswachter Tradition statt.

Hierzu reiste Fraeya mit dem Schiff, der Narmeldis, nach Wolfswacht, wo sie ihr Verlobter und seine Tochter am Hafen abholten. Fraeya war in ein traditionell griechisches Gewand mit den türkisen Farben ihrer Stadt gekleidet, welches die elfischen Schneider in Zusammenarbeit mit den Wolfswachtern gefertigt hatten. Auf ihrem Kopf ruhte ein in Wolfswachts Sonne glänzender Bronzereif.

Es war ein herzlicher Empfang. Auf dem Weg zum Tempel, an welchem sie getraut würden, würde Fraeya von ihrem Verlobten auf einem Pferd geführt werden – es sollte die sichere Führung durch das gemeinsame Leben symbolisieren. Vincent half ihr auf das prächtige, weiße Pferd hinauf und nahm anschließend die Leine.

Sie führten sie den geräumten Hafenweg entlang und um die Bucht herum, wo das Grün schließlich dem hellen Sand wich. Abseits der Stadt, mit Blick aufs Meer, fand sich ein aus Sandstein errichteter Tempel, vor welchem sie Halt machten. Fraeya ließ sich von Vincent hinunterhelfen und sie betraten das Tempelinnere.

Alles war aus feinem Sandstein gefertigt. An den Seiten plätscherten leise große Wasserbecken. Im entzwei geteilten, erhöhten Mittelweg trieben blühende Seerosen. Auf jeder Seite von den Seerosen wanderte das Brautpaar nach vorne, wo die Priesterin sie erwartete. Es war Vincents Tochter, Phoiebe-Antaya Amsee, welche die Zeremonie führte.

Sie lächelte ihnen beiden zu, ehe sie nach einigen Worten aus den Becken zwei Schalen mit Wasser schöpfte. Vincent ging in die Knie und deutete Fraeya, dasselbe zu tun. Phoiebe stellte beide Schalen vor ihnen ab.

„Nun“, sprach sie, „um allen Schmutz eurer Vergangenheit abzuwaschen, bitte ich euch, eure Hände nun in diesem heiligen Wasser zu reinigen, sodass ihr rein und ohne Schuld in die Ehe einfahren könnt.“

Vincent nickte Fraeya sanft zu und zeitgleich tauchten sie ihre Hände in den Schalen unter. Einige Momente ließen sie sie im kühlen Wasser ruhen, ehe sie sie bedächtig zu waschen begannen.

Phoiebe holte ein weißes, seidenes Tuch hervor und hielt es vor sie, sodass sie ihre Hände abtrocknen konnten. Beide hoben ihre Hände vorsichtig aus dem Wasser und trockneten sie im Tuch.

Sie deutete ihnen beiden, sich aus dem Knien wieder zu erheben. Dann sprach sie wieder: „Nun, da wir um den Segen der Göttin gebeten haben und eure Hände gewaschen sind, würde ich euch bitten, mit hinaus zu kommen, ans Meerwasser, um dem Gott des Meeres, Poseidon, zu danken.“

Vincent nickte und reichte Fraeya seinen Arm. Lächelnd begleitete sie ihn und Phoiebe nach draußen. Außerhalb des Tempels blieben sie stehen. Phoiebe schritt die Treppe hinab, welche direkt hinunter in die Wellen des Meeres führte, und stellte sich fußtief in das rauschende Wasser.

Vincent und Fraeya folgten ihr, nachdem sie unten angekommen war, und stellten sich ebenfalls fußtief ins Wellen schlagende Wasser.

Phoiebe erhob wieder die Stimme: „Nun als Letztes, möchten wir Poseidon, dem Gott der Meere, danken, für die Sicherheit Wolfswachts und ebenso die Wacht über uns alle.“

Sie deutete ihnen mit der Hand, tiefer ins Wasser zu steigen. Vincent ließ Fraeyas Arm los und schritt vor ihr hinein. Fraeya kostete es einige Momente der Überwindung, ehe sie einen Schritt nach dem anderen ins Wasser wagte. Bei Vincent angekommen, stand das Wasser ihnen hüfttief, außer die Wellen schlugen ihnen höher gegen den Rücken.

Phoiebe lächelte und bückte sich. Sie schöpfte mit den Händen etwas Meerwasser und deutete ihnen, die Köpfe zu senken. Sie ließ es über ihrer beiden Häupter tropfen. Fröhlich und feierlich sprach sie:

„Somit seid ihr von Poseidon gesegnet und er wird über euren gemeinsamen Weg, zusammen mit Hera, wachen!“


Im Anschluss stiegen sie wieder aus dem Wasser. Fraeya fror. Phoiebe-Antaya, somit Fraeyas neue Ziehtochter, teilte jedem ein Glas Apfelwein aus, mit welchem sie die Zeremonie besiegelten. Wieder zu Pferd führte Vincent Fraeya zurück zum Schiff, wo das griechisch getraute Paar voneinander Abschied nahm. Die Narmeldis stach wieder in See, um die Braut der gwadorischen Hochzeit zurück nach Távaryn zu bringen.

Das Schiff hielt Kurs auf Lohengrin. Einige Besorgungen in der Stadt wären noch nötig, damit die Hochzeit morgen stattfinden könnte. Während Fraeya sich am Markt bei der Gerichtslinde aufhielt, erreichte sie eine Taube. Die Dienerin einer alten Bekannten bat um ein Treffen, um einige Schriftwerke zu veräußern, welche Fraeya vor langem für ihre Waisen zu kaufen gedachte.

Von der Narmeldis borgte sich Fraeya Feder und Tinte und schrieb die Antwort, sie würde sich in Lohengrin aufhalten. Die Taube kehrte zurück. Sie sollte sie im Gasthof „Zur Linde“ treffen, südöstlich der Stadt.

Der Ritt dorthin sollte nicht zu lange dauern und die Straßen nahe der Hauptstadt waren stets gepflastert und vielbereist. Fraeya sattelte Aris, den weißen Hengst, welchen sie von ihrer Nichte erhalten hatte, und ritt zu besagtem Ort.

Der Gasthof erschien nach kurzer Reisezeit am Wegesrand. Ein naturüberwachsenes, menschliches Gebäude. Fraeya stieg ab und brachte den Hengst ins Pferdegehege. Nur ein weiteres Reittier graste dort. Sie umrundete das Gebäude erneut und trat in den Schankraum ein.

Das Licht war spärlich und auf den ersten Blick schien nur ein einsamer, müder Gastwirt zugegen. Fraeya trat weiter in den Raum hinein und nickte dem Wirt zur Begrüßung zu. Beim erneuten Umherschauen bemerkte sie in einer dunklen Ecke die einzig andere anwesende Gestalt.

Vorsichtig näherte sie sich der Ecke. Der Schein von Fraeyas Handlaterne, welche sie mit sich führte, erhellte das bekannte Gesicht. Zwei gefüllte Humpen standen bereit auf dem Tisch.

Sie kamen direkt zum Geschäftlichen. Ihre Gesprächspartnerin trank, doch Fraeya misstraute dem Getränk. Allerhöchstens setzte sie den Humpen nur an die Lippen, ohne jemals einen Schluck zu nehmen. Schnell kamen sie zu einer Einigung.

Fraeya erhob sich vom Tisch und verabschiedete sich höflich, um mit eiligen Schritten aus der Taverne zu eilen. Am Himmel setzte bereits die Dunkelheit ein, wegen welcher sie schleunigst zurück in die sichere Stadt wollte.

Sie begab sich um die Ecke herum zum Pferdegehege, wo weiterhin zwei Pferde grasten. Doch das alte Zaungatter klemmte und ließ sich nicht öffnen. Angesichts der fortschreitenden Dunkelheit werkelte und zerrte die Elfe immer panischer und heftiger am Gatter, dass sie die leisen Schritte hinter sich übertönte.

Ein dumpfer, plötzlicher Schlag streckte sie zu Boden.


OOC

Fraeya wird hiermit fürs erste eingefroren, solange sie sich in Gefangenschaft befindet. RPlich gilt sie weiterhin als vermisst. Sobald das RP um sie weitergeführt werden kann, wird sie zurückgeholt. Mit dem Team ist das so abgesprochen.
Die CV bitte nicht schließen!

4 „Gefällt mir“

Solange sich Fraeya in Gefangenschaft befindet, wird sie auf dem Zweitaccount Zsuera gespielt. Anschließend wird sie wieder auf den Hauptaccount gewechselt.

3 „Gefällt mir“

Weiterführung Teil 5

Die gesamte Geschichte behandelt eine Entführung sowie ab Kapitel 3 und 4 den Zustand der Sklaverei. Sie erzählt über die RPlich neunmonatige Entführung Fraeyas, die vor einigen Wochen mit ihrer Rückkehr ihr ersehntes Ende fand.

Kapitel 1 – Das Verlies

Unangenehm blendete das Licht über ihren geschlossenen Lidern. Stück für Stück krabbelte ihre Hand über einen kühlen, bemoosten Steinboden, der von tiefen Rillen durchzogen war. Nur langsam kehrten ihre Sinne wieder.

„Na, auch endlich wach?“, ertönte eine weibliche Stimme und brach die unangenehme Stille im Raum, nachdem Fraeya langsam die Hand erhoben hatte, um ihre Augen vor dem Licht zu schützen.

„Wie bitte?“, entgegnete sie auf die Frage leise.

„Ob Ihr auch endlich wach seid.“

Fraeya erwiderte nichts, sondern rutschte langsam nach hinten an eine morsche, hölzerne Säule. Ihr Rücken durchzog sich mit Schmerz sowie alle anderen Gelenke ihres Körpers, als hätte sie sich tagelang nicht gerührt.

Die Stimme der Frau erhob sich wieder: „Bevor Ihr fragt, wir wurden beide entführt. Nur bin ich – im Gegensatz zu Euch – wohl nicht so schwer erwischt worden.“

Augenblicklich schlug Fraeya die Augen auf. „Was?“, stieß sie entsetzt aus. Mit zusammengekniffenen Augen blickte sie sich nach ihr um, denn ihre Augen hatten sich allmählich an das helle Licht gewöhnt. Sie saß in einer wohl unterirdischen Zelle, deren vier Wände aus massivem Stein bestanden. Einzig ein paar alt betagte Holzstützen hielten die Decke.

Schließlich erkannte sie die Gestalt, die in der anderen Ecke des Raumes saß. Es war die Frau, mit der sie sich zuletzt getroffen hatte. Die Laterne, die an einem Balken in der Mitte des Raumes hing, ließ ihr Gesicht unter der Kapuze der finsteren Kutte, die sie trug, im Schatten verborgen sein.

„Tja, ich denke, der Wirt hat uns etwas in den Trunk getan“, erklärte die Gestalt. Nach Fraeyas verwirrtem Stirnrunzeln und einem qualvollen Stöhnen angesichts ihres schmerzenden Schädels fügte sie hinzu: „Euch hat man wohl eine Tracht Prügel verpasst.“

Schwerfällig ließ Fraeya nach ihren Worten den Kopf nach hinten gegen die Stütze fallen. Sie atmete schwer durch und fragte mit trägen Lippen: „Und … habt Ihr jemanden gesehen? Wer … wer …?“

Die Antwort der Kapuzengestalt kam prompt, nahezu unbekümmert: „Niemanden. Ich denke, jemand will Geld, uns als Sklaven verkaufen oder sonst etwas. Ihr gäbt eine gute Sklavin für gewisse Dienste ab.“ Fraeya stutzte, während der Blick ihrer Genossin zu ihrem Verlobungsring glitt. „Oder … es geht um die Verhinderung Eurer Hochzeit.“

Fraeyas eigener Blick fiel zum prachtvollen Ring an ihrem Finger. Das kurzweilige Aufwallen der Empörung über den Sklavenverkauf schwand in Panik um. „M-meine Hochzeit?“

Die Hochzeit sollte bald stattfinden! Sie war ohnehin spät gewesen, als sie noch in Lohengrin weilte. Die Hochzeit würde ohne sie stattfinden, ihre Schwester und ihr Gemahl maßlos enttäuscht sein. Doch wer hatte solch ein bösartiges Ziel?

Stockend fand sie ihre Stimme wieder: „Aber w-wer… warum?“

„Habt Ihr Feinde?“

„Ja, gewiss … Grünhäute, doch … zahllose ohne Gesichter.“

Nach diesen Worten versuchte Fraeya, aufzustehen. Sie klammerte sich an die hölzernen Pfeiler, die die steinerne Decke stützten, und zog sich langsam hoch auf die Beine. Schmerzerfüllt verzog sie das Gesicht zu unbändigen Grimassen.

„Bleibt sitzen, schont Eure Kräfte“, legte die Gestalt ihr mit weiterhin unbekümmerter Stimme nahe.

Fraeya blieb tapfer und hielt sich einige Augenblicke auf den Beinen. Ihr Ziel war es, den Raum zu erkunden. Doch rasch verließen sie wieder ihre Kräfte und sie sank zurück zu Boden. Sie stieß einen frustrierten Seufzer aus.

Ihre Genossin schien wenig Mitleid zu zeigen, während sich in Fraeya alles zusammenzog, wenn sie an ihre Hochzeit dachte. Sie hätte versagt oder sie sei davongelaufen, würden alle denken. Wann würden sie überhaupt nach ihr suchen?

Sie schnaufte verzweifelt und rief sich innerlich zur Ordnung. Sie musste zuerst hier zurechtkommen. Ihr Blick suchte den Raum ab. In den steinernen Wänden befand sich nur eine Treppe mit hölzernen Stufen, die abrupt in der Felswand endete. Ansonsten fand sich hier nichts, außer einem Rinnsal aus der Wand, das sich durch ein paar Ritzen in eine Pfütze verirrte.

Nachdem sie und ihre Genossin ein paar weitere Worte wechselten, schloss Fraeya schließlich die Augen. Sie sank auf den kühlen, schmutzigen Stein und bedauerte ihr Schicksal. Doch sie war sich sicher: Ihre Tochter Doreah würde nicht bis zu ihrer Rückkehr ruhen. Und Arwen somit auch nicht. Sie würden sie finden.


Nach langer Zeit erwachte sie wieder. Ihr Kopf ruhte an der unangenehmen Steinwand, während ihr Rücken an der Wand wundgerieben war und sie sich zusammengekauert hatte. Sie fröstelte ob der Kühle.

„Wie war Euer Schlaf?“, ertönte prompt die Frage ihrer Zellengenossin – der Dunkelelfe, wie Fraeya am gestrigen Tag herausgefunden hatte –, als sie langsam den Kopf bewegte.

Fraeya dehnte vorsichtig ihren Nacken und streckte nach und nach ihre Glieder. Behutsam drehte sie ihren Kopf in die Ecke, in der die Kapuzengestalt weiterhin und unberührt im Schneidersitz saß.

„Erwartungsgemäß“, hauchte sie. „Und Eurer?“

„Kurz.“

Die Gestalt erhob sich und brachte Fraeya eine Schüssel, die vor jener gestanden hatte. In dieser schwappte eine unappetitliche Brühe.

„Esst“, befahl sie, ehe sie die Schüssel vor Fraeya stellte. „Unsere Peinigerin war hier.“

Ruckartig riss Fraeya den Kopf hoch. Ihre Müdigkeit und Trägheit waren wie weggeblasen. „Wer?“, platzte es aus ihr heraus.

„Keine Person, die ich vom Antlitz her erkenne“, antwortete ihre Genossin nüchtern. „Eine Frau; Hochelfe, der Haut und den Ohren nach.“

„Und die Haare?“, fragte Fraeya prompt.

„Braun. Kennt Ihr sie etwa?“

Fraeya nickte rasch, ihren leidenden Nacken nicht mehr beachtend. „Götter im Himmel …“, flüsterte sie schwach zu sich. „Sie ist Braumeisterin … Das passt …“

Es passte. Sie hatte ihre verräterische Natur schon immer durchschaut und diese Elfe würde vor solchen Mitteln nicht zurückschrecken, um ihr zu schaden. Ophelia war Braumeisterin, und es war der Trunk gewesen, der ihre Genossin in den Schlaf gerungen hatte – und sie hatte Freunde bei den Orks und Dunkelelfen.

Bereits seit jeher hegte diese Elfe eine Abneigung gegenüber ihr und ihrer Familie. Im Rat konnte sie es nie lassen, auf Fraeyas Einwände derbes, unwissendes und diffamierendes Geschwätz zu erwidern. Dass dies nun Ophelias Rache wäre, wäre ein logischer Schluss. Wie konnte Fraeya nur so schwachsinnig gewesen sein!

Die Gestalt erwiderte nichts auf Fraeyas vorhin laut ausgesprochenen Gedankenschluss, sondern deutete auf die unappetitliche Brühe. Fraeya folgte ihrem Finger, ehe sie zaghaft die Schüssel mit spitzen Fingern an sich nahm.

Stück für Stück rückte sie die Suppe ihren Lippen näher und ließ die Brühe langsam in ihren Mund laufen. Sie verzog angewidert das Gesicht, als die Flüssigkeit ihren Geschmack preisgab, doch sie trank tapfer weiter. Die Stärkung benötigte sie.

„Ich denke, ich sollte die Problematik erläutern“, begann die Dunkelelfe zu sprechen. Fraeya hielt nach ihren Worten inne und blickte überrascht auf. „Unsere Peinigerin wünscht etwas“, fuhr sie fort. „Etwas, das ich besorgen soll.“

Sie deutete in die Ecke, in welcher sie eben gesessen hatte. Erst jetzt bemerkte Fraeya den Griff eines Messers, das unter einem weißen, reinen Verband hervorlugte. Ihre Augen weiteten sich.

„Sie wünscht einen Stofffetzen, Euren Ring und …“ Sie ließ einen Augenblick vergehen. „… Euer Ohr.“ Ihre Zellengenossin wandte sich um und schritt gemächlich in Richtung des Messers.

Fraeya schoss in die Höhe und wurde totenbleich. „Was?! Und Ihr w-wollt …?“

„Es ist besser, mit der Nahrungsquelle zu kooperieren“, war das Einzige, das die Dunkelelfe auf Fraeya erwiderte, ehe sie ihr den Rücken zuwandt und das Messer aufhob.

„Ich w-warne Euch! Wagt … wagt es nicht!“, rief Fraeya und drängte sich humpelnd in die Ecke. Mit zitternden Händen hob sie drohend die noch halb gefüllte Schüssel, bereit zum Wurf.

Die Dunkelelfe wandte sich um. „Ich denke, es wird mir klar, warum wir hier sind. Ich soll die Drecksarbeit erledigen und Ihr … als tot gelten.“

Sie, in ihrer finsteren Robe, trat bedrohlich einen Schritt näher.

„Wagt es nicht!“, wiederholte sich die in die Ecke gedrängte Hochelfe erneut und hob die Schüssel weiter an. Der Inhalt tröpfelte über die Kanten auf ihren nackten Arm.

„Ich habe ein Messer, und Ihr eine Schüssel“, entgegnete die Dunkelelfe, während sie Schritt für Schritt näher kam. „Ich bin durchaus dazu fähig, zu kämpfen. Schließlich lagen meine Interessen in der Kindheit … woanders.“

Fraeya zögerte. Starr hielt sie die Schüssel in die Höhe. Sie würde es nicht wagen. Sie könnte nicht.

„Was wollt Ihr tun? Meine Kutte dreckig machen?“, stieß ihr gegenüber aus und trat noch näher.

Die Angst nahm überhand und in einem kräftigen Wurf schleuderte Fraeya die Schüssel auf die Dunkelelfe. Diese hob schützend ihren Arm und wehrte die Schale ab, obwohl sie sich im Fluge entleerte und ihr dunkles Gewand besudelte.

„Und was nun?“, fragte sie höhnisch.

Fraeya lagen vor Angst die Tränen in den Augen. Sie drückte sich mit aller Kraft mit dem Rücken gegen die Wand, als würde sie hoffen, dass sich diese öffnen und sie verschlucken könnte.

Blitzartig trat die Dunkelelfe ihr näher. Fraeya reagierte augenblicklich und streifte sich den Ring vom Finger, um ihn zu verschlucken. Sie durfte ihn nicht kriegen!

Noch ehe Fraeya mit der Hand ihren Mund erreichte, packte sie der Griff der Angreiferin und der Ring flog in hohem Bogen durch die Luft.

Die Dunkelelfe blickte ihm gespannt bis auf den Boden nach, derweil Fraeya sich ihres Griffes entwand. Wie erstarrt drückte sie sich mit aufgerissenen Augen an die Wand.

Der Blick ihrer Gegnerin wandte sich vom Boden fort, wieder zu ihr. „Es tut mir leid, aber ich bevorzuge es, Nahrung zu haben.“

Mit diesen Worten stürzte sie sich auf Fraeya und donnerte diese überwältigend gegen die Wand. Das Messer blitzte auf und fuhr auf Fraeyas Ohr zu. Reflexartig konnte sie es mit den Händen abfangen und zu Boden reißen, ehe sie einen heftigen Tritt in die Magengrube erfuhr.

Hustend sackte sie zu Boden, ehe die Dunkelelfe sie am Hals packte. Ihr verzweifelter Widerstand wurde mit einer Kopfnuss revanchiert, nach der sich ihre Welt drehte. Ehe sie sich versah, konnte sie einen weiteren Schlag abfangen, bevor sie erneut am Kopf gepackt wurde. Sie sah es nicht kommen; sie spürte nur den Schmerz, als die Klinge ihr Fleisch durchschnitt.

Ihr Kopf wurde losgelassen und Fraeya stürzte mit lautem Aufschrei zu Boden. Der Schmerz zuckte durch ihr verbleibendes rechtes Ohr und jagte ihr Schmerzenstränen in die Augen. Der Schmerz breitete sich aus und Fraeya presste ihre Hände auf die Stelle, wo die Dunkelelfe ihr Ohr zur Hälfte gekürzt hatte.

Diese trat derweil unbeteiligt und zurück und nahm das Ohr sowie den Ring an sich. Sie hob den Verband auf und drückte ihn in Fraeyas Hände.

„Ihr verblutet sonst, lasst es mich verbinden“, meinte sie tonlos, als wäre soeben nichts gewesen. Wimmernd schlug Fraeya ihre Hände fort und kniff die Augen zusammen, da ihre Tränen überliefen.

Die Dunkelelfe seufzte und begann dennoch den Verband um Fraeyas Kopf zu wickeln. Diese hörte ermattet auf, sich zu wehren. „W-wie konntet … Ihr n-nur?“, stolperte es mühselig über Fraeyas Lippen.

Die Stimme der Dunkelelfe, die weiterhin den Verband um ihren Kopf band, war unbekümmert. „Nun, ich bin gefühlskalt. Etwas, das unsere Rassen unterscheidet.“

Nachdem sie fertig war, riss sie grob einen Fetzen von Fraeyas Kleid ab. Fraeya beobachtete es regungslos. Ihre Tränen liefen weiterhin in Bächen ihre Wangen hinunter.

„Es tut mir leid, doch so überleben wir am ehesten“, meinte ihre Peinigerin, ehe sie ihre Hand auf Fraeyas Kopf legt.

„Nehmt Eure widerwärtigen Finger von mir!“, folgte mitsamt eines lauten Aufschreis von Fraeya, bevor sich die Hand der Dunkelelfe fester in ihren Haaren vergriff und ihren Kopf gegen die Wand donnerte. Ihr schwanden augenblicklich die Sinne.


Kapitel 2 – Der Verkauf

Sie wusste nicht, wie viel Zeit verging. Mochten es Tage oder Wochen sein? In ihrem Loch war ihr und ihrer Genossin kein winziger Strahl Tageslicht gegönnt. Jeden einzelnen Tag blieb es dunkel, feucht und kühl.

Die Wortwechsel mit der Dunkelelfe blieben karg. „Ich habe Euch vom Schmerz abgelenkt“, entgegnete sie ganz pragmatisch auf Fraeyas Vorwurf, dass sie ihr den Kopf gegen die Wand geschmettert hatte. Sie konnte darauf nichts mehr erwidern, da die Pein des Erlebnisses wieder in ihr aufstieg.

Zeitweise verschwand ihre Genossin immer wieder, und wenn Fraeya das nächste Mal die Augen zum Schlafen schloss und wieder auf schlug, saß sie abermals still in ihrer Ecke.

Fraeya konnte mit der Zeit verstehen, warum die Dunkelelfe ihr das antat. Genug Zeit, um nachzudenken, wenn sie den unansehnlichen Kopfverband betastete, hatte sie.

Ihre Hoffnung, dass ihre Tochter und ihre Schwester sie in Bälde finden würden, schwand allmählich. Wie viele Tage, wie viele Wochen war sie hier? Wie groß würde die Chance sein, dass sie die Suche nicht irgendwann aufgaben? Sie wusste es nicht. Ihr blieb nur die Hoffnung.


Nach nicht zählbarer Zeit erwachte Fraeya an einem anderen Ort. Es war stockdunkel. Die Laterne, die sonst stets in der Mitte ihres Raumes hing, strahlte kein Licht mehr aus.

Irritiert begann sie sich langsam aufzurichten und spürte das piksende Stroh unter ihren wunden Händen. Sie war woanders, bemerkte sie, noch ehe sie die Augen aufschlug. Es war deutlich kühler und sie atmete noch ältere, stickigere Luft.

Träge öffnete sie die Augen und sah sich mit steifem Nacken um. Sie saß in einer winzigen Zelle, die in massiven Stein geschlagen wurde. Hinter dichten Gitterstäben erkannte sie in der Dunkelheit und dem Licht, das eine ferne Lampe spendete, eine Wendeltreppe sowie am Rande ihres Sichtfelds andere, jedoch geleerte Zellen.


Aufnahme von MuSc.

Sie krabbelte nach vorne bis zu den Gittern und umschloss die eiskalten Stäbe. Es bestätigte sich, sie war ganz allein. Ausgehend der Kälte befand sie sich weit, weit unter der Oberfläche. Wie sollte man sie je hier finden? Wie könnten selbst die Götter sie hier unten bemerken?

Eine grauenerfüllte Zeit nahm ihren Beginn für Fraeya. Tage, Wochen bis hin zu Monaten, welche sie gar nicht zu zählen wusste, vergingen und die endlose Düsternis wich nicht fort.

Täglich wurde ihr eine Schüssel mit karger Speise durch die Gitterstäbe geschoben, wenn sie schlief. Sie war demnach nicht allein.

Ihre Zweifel wuchsen. Sie hatte Angst um ihre Familie, doch mehr um sich selbst. Niemand würde sie hier finden, dessen wurde sie sich sicher. Kein Elf aus Távaryn würde jemals in dieses ferne Loch finden, um sie zu befreien.

Die Einzigen, die ihr noch helfen konnten, wie ihr mit der Zeit bewusst wurde, waren die Götter. Sie beobachteten sie wohl täglich, vermutete sie … oder sie hatten bereits ihre Augen von ihr ab gerichtet.

In Fraeyas Träumen suchte sie stets ihre Familie heim. Unbeschreibliche Wunder oder grauenhafte Szenarien geschahen des Nachts vor ihren Augen und wachte schluchzend, mit brennenden Augen auf. Mühselig konnten ihr die Tränen aus den staubtrockenen Augen fließen.

Es wurde ihr zum Ritual, sich dann hinzuknien, auf den Boden zu werfen und laut zu unerweichlichen Decke zu flehen. Dies tat sie weiter, während ihre Gesundheit und ihr Äußeres mehr und mehr zu Bruche gingen. Doch irgendwann müssten die Götter sie doch erhören!


Schließlich ließ eines Tages ein ohrenbetäubendes Dröhnen Fraeya aus ihrem Schlaf aufschrecken. Ohne einen Mucks zuckte sie zusammen und schlug die Augen auf.

Eine kleine, aber bullige Gestalt stand breit vor ihrer Zelle. Mit der einen Hand hielt sie die brummenden Gitterstäbe fest umschlossen. Seine Arme und der gesamte Oberkörper lagen frei und waren von kräftiger Muskulatur gezeichnet, welche sich selbst in der Dunkelheit deutlich vom Körper hervorhob. War es ein Zwerg?

„Wer seid Ihr?“, fragte der Mann mit tiefer Stimme. „Sprecht, wer Ihr seid.“

Fraeya schöpfte Hoffnung, obgleich das Dröhnen weiterhin in ihren Ohren nachhallte. Sie versuchte mühselig, sich aufzusetzen. Leise und ausgetrocknet krächzte sie zur Antwort: „F-Fraey-… ya … Elen-… we.“

Der gedrungene Mann rümpfte die Nase, ehe er ausholte und erneut gegen die Gitterstäbe schlug. Donnernd schrien sie auf und drohten, aus dem Rahmen zu springen. Fraeya wimmerte ob des Lärms und presste sich die Hände auf die Ohren. Ihre Hoffnung verflog im Winde.

„Ich höre Euch nicht“, rief der Zwerg gegen den Lärm der Gitter an.

Fraeya ließ ihre Hände wieder sinken. „El…enwe … Fra-… eya“, wiederholte sie stockend.

Den Zwerg schien die Antwort zu besänftigen. „Nun gut“, entgegnete er mit ruhiger Stimme. „Nun sagt, was für Verletzungen Ihr habt.“

Er trat etwas näher an die Zelle. Fraeya hob träge die Arme, deutete sich auf das Gesicht, wo die Nächte schlafend auf dem Stein ihre Wangen und ihre Stirn wundgerieben hatten. Dann auf ihre geröteten Augen, die von dunklen Ringen untermalt wurden.

Ihr Finger zeigte hiernach zu ihren Armen, auf die löchrigen, abgeriebenen Ärmel, durch welche kleinere Wunden hindurch lugten. Dann zu ihren Beinen, wo sich das Kleid in vergleichbarem Zustand befand. Zuletzt fuhr sie mit der Hand über ihr rechtes Ohr unter dem schmutzigen Verband, dessen Spitze zur Hälfte fehlte.

Der Zwerg nickte, doch ein furchteinflößendes Grinsen machte sich auf seinen Lippen breit. „Danke, dass Ihr meine Fragen beantwortet habt“, entgegnete er und wandte sich ohne Weiteres um. Gemächlich stapfte er die Stufen der Treppe hinauf.

Fraeya kroch vor zu den Gitterstäben. „Wer seid Ihr?“, rief sie ihm hinterher.

„Hofft, dies nicht erfahren zu müssen.“

Mit einem schwachen Winken wandte er sich wieder um und verschwand in die Dunkelheit.

Beunruhigt krabbelte Fraeya nach einiger Zeit wieder zurück auf das ausgestreute Stroh. Der Schmerz der blauen Flecken fuhr ihr durch den gesamten Körper, als sie sich hinlegte. Als sie schlussendlich lag, blickte sie hinauf an die Decke und legte ihre Hände in langsamer Bewegung auf die Brust. „O ihr Götter, ich flehe euch an…“


Quelle

Ihre Worte schwanden einem murmelnden Gebet, das schwächer wurde, ehe sie die Augen schloss.


Wohl ein paar Tage später vernahm sie ein Knarzen und das Rasseln von Ketten, während sie mit dem Rücken zum Gitter seitlich auf dem Stroh lag. Noch ehe sie sich umzudrehen vermochte, lagen die Ketten über ihr und eine Binde auf ihren Augen.

„Was?-“, verließ als einziges Wort ihre Lippen, ehe ihr gewaltsam ein Stab als Knebel in den Mund geschoben wurde. Es folgte keine Antwort. Sie spürte, wie sie gepackt und ächzend über die Schulter gezogen wurde. Sie fühlte sich zu schwach, um sich zu wehren. Die Götter würden sie beschützen – hoffentlich.

Der Weg, den sie auf der Schulter geschleppt verbrachte, schien lang. Die meiste Zeit schritt ihr Träger Gänge entlang, denn jeder Schritt hallte an den Wänden wider. Zwischenzeitlich blieb sie stehen, ehe laute Ketten rasselten und sie sich aufwärts bewegten.

Eine schwere Steintür schwang mit einem schleifenden Ton auf und urplötzlich drang das Platschen von Regeln an ihre Ohren und grelles Tageslicht an ihre verbundenen Augen. Fraeya stöhnte auf, als es gleißend hell durch die Binde und unter ihre geschlossenen Lider gelangte. Es war zu hell.

Ihren Träger bekümmerte dies nicht, er trug sie über eine raschelnde Grasfläche weiter und anschließend auf eine gepflasterte Straße. Im Gegensatz zum marternden Tageslicht fühlte sich der nasse Regen belebend an. Während Fraeya ihr Gesicht schützend vor dem Licht vergrub, genoss sie den Regen, der über ihre Haare und ihre ausgetrocknete Haut perlte. Es war ein unglaubliches Gefühl nach dieser langen Zeit.

Die Hoffnung regte sich in ihr, bis sie plötzlich zum Stehen kamen. So schnell wie der Hoffnungsschimmer gekommen war, verschwand er wieder. Sie vernahm das dunkle Brummen eines Mannes, ehe klimpernd ein Beutel weitergereicht wurde. Wurde sie etwa … verkauft?

Noch bevor ihr Gedanke zu Ende gedacht war, wurde sie grob weitergegeben und wie ein Sack Kartoffeln über die nächste Schulter gehievt. Zwei mächtige Arme umschlossen sie fest. Ihre schwachen Strampelversuche blieben vergeblich.

Ein erneutes Brummen von dem Mann, den sie als den Zwergen identifizierte, ertönte, ehe sich knarzend ein Tor schloss. Der Zwerg wandte sich ruckartig um und bestieg zu Fuß einen steilen Pfad. Jeden Schritt spürte die große Hochelfe auf dem Rücken des kleinen Halbmanns deutlich.

Es begann eine lange Reise, die sie sowohl mit dem Schiff als auch dem Pferd bewältigen. Fraeya war klar, dass sie verkauft worden war, doch die frische Atemluft war ein Segen. Und vielleicht würden die Götter so gnädig sein und jemand würde sie erkennen. Stündlich sandte sie Stoßgebete gen Himmel.

Die frische Luft schwand nach einiger Zeit einer trockenen, staubigen Hitze. Während sie ritten, brach Fraeya bereits in Schweiß aus, denn die vor Kurzem noch ersehnte Sonne brannte nun sengend heiß auf sie nieder.

Dem Zwerg schien das Klima vertraut und unbekümmert ritten sie weiter. Mal galoppierte er polternd über Straßen, mal wurden die Hufe des Pferdes in tiefem Sand erstickt. Schließlich erhoben sich andere Laute aus der Ferne. Stimmen, Schreie, Gelächter, Hähne und Krähen, fahrende Karren und andere Reittiere. Fraeya frohlockte. Waren sie zu einer Stadt gelangt, die sie kannte?

Sie ritten wieder zur Straße und ein ächzendes Tor öffnete sich. Nach kurzem Brummen ihres Verschleppers trabten sie hindurch. Von ihm hörte sie weiterhin kein einziges Wort.

Die Geräusche schwollen an, je länger sie über die Straße trabten. Fröhliches Gelächter, Schimpflaute, fahrende Wägen, klappernde Hufe, gackerndes Vieh waren zu hören – wie eine normale Stadt. Fraeya wunderte sich, aus welchem Grund sie niemand erkannte und ihren Namen rief.

Hinter den alltäglichen Lauten trat nach und nach das Geräusch rasselnder Ketten hervor. Mühsames Ächzen, gequältes Stöhnen oder gepeinigte Schreie. Laut durch die Luft drangen schnalzende Peitschen und entmenschtes Gelächter. Fraeyas Verwunderung wandelte sich in Angst.

Sie zuckte bei jedem Hieb, den sie hörte, zusammen. Ihre Zähne bissen auf den Stab, der ihr als Knebel im Mund lag, bis ihr das Gebiss schmerzte. Ein belustigtes Glucksen ertönte vom Zwergen.

Schließlich verließen sie die große Straße und der Lärm nahm ab. Der Zwerg sprang vom Pferderücken hinunter und packte Fraeya erneut wie einen Sack voll Saatgut, den er schulterte.

Seine kleinen Schritte führten einige Meter bis zu einer Tür, die er donnernd mit dem Fuß aufstieß. Unsanft ließ er sie auf dem warmen Sandsteinboden nieder und trat von ihr fort.

Fraeya hörte seine Schritte im Raum umherwandern. Zugleich zerrte sie hinter ihrem Rücken an ihren Handfesseln. Die Seile blieben jedoch unnachgiebig.

Das metallische Rasseln von Ketten ließ Fraeya innehalten. Sie schwenkte ihren blinden Blick im Raum herum, um die Geräuschquelle ausfindig zu machen, doch ehe sie sich versah, drückte er das kühle Eisen von hinten an ihren Nacken und schloss es mit einem Klacken um ihren Hals. Vor Schreck über die plötzliche Enge blieb ihr die Luft weg.

Der Zwerg trat um sie herum und zog ihr grob den Knebel aus dem Mund. Sofort hustete sie und japste nach Luft dank der plötzlichen Enge an ihrem Hals. Es lenkte sie so sehr ab, dass der Zwerg ihre Hände mit ähnlichen angeketteten Schellen mittels eines Pflocks auf den Boden fesselte.

Während sie sich darüber wunderte und am Pflock rüttelte, vernahm sie nicht, dass der Zwerg das Haus verließ. Sie blieb lange starr auf dem Boden sitzen und wartete angespannt, was als Nächstes geschähe. Doch nach einiger Zeit wurde ihr gewahr, dass er fort war.

Ihr fiel eine große Last vom Herzen und Fraeya ließ sich nach hinten sinken. Schwer atmend rang sie weiter um Luft und starrte mit blindem Blick zur Decke. Die Erschöpfung der fordernden Reise übermannte sie rasch und sie fiel gedankenlos in den Schlaf.


Kapitel 3 – Sklaverei

Rumpelnd schlug die Tür auf und sprang beinahe aus den Angeln. Fraeya fuhr erschrocken aus dem Ruhen hoch. Das abrupte Ende, das die Halsfessel ihr bot, drückte ihr die Luft weg. Röchelnd und hüstelnd beugte sie sich zur Seite.

Ein belustigtes Glucksen ertönte aus Richtung der Tür, ehe die schweren Schritte des Zwerges über den Boden wanderten. Instinktiv kauerte sich Fraeya zusammen, nachdem sie wieder Luft erlangt hatte, und folgte blind den Tönen seiner Schritte.

Der Zwerg schien allerdings kein Interesse an ihr zu haben, sondern wanderte im Raum herum, schloss die hölzernen Fensterklappen und -läden und zog nacheinander zwei, drei Vorhänge zu.

Eine weitere Person trat durch die Tür ein und stieß sie scheppernd zu. Sie ließ etwas Schweres auf den Boden sinken, das sich mit einem Klicken öffnete. Derweil schlug der Zwerg auf der anderen Seite des Raums Steine aufeinander, als wollte er ein Feuer machen.

Nachdem er sich kurz später mit einem Ächzen erhob, knisterte es dort leise.

„W-was … ma-macht ihr?“, krächzte Fraeya leise. Beide, die mit ihm Raum waren, antworteten nicht. Es blieb lange Zeit still, sie schienen stumm zu arbeiten.

Urplötzlich griff die Hand einer der beiden sie am Kragen und eine andere riss ihr Kleid am Rücken auf. Achtlos zogen sie es, beinahe bis zur Taille, hinunter. Fraeya befürchtete das Schlimmste und begann verzweifelt um sich zu schlagen, soweit es mit den am Boden festgenagelten Fesseln möglich war.

Zwei grobe Hände packten ihre Arme und fixierten sie fest auf dem Grund. Nun versuchte sie es zaghaft mit Tritten gegen die Beine ihrer Peiniger, doch sie erwischte sie nicht. Stattdessen fuhr ein brennender Schmerz zwischen ihre hinteren Schulterblätter. Es war ein glühendes Brandeisen.

Wie wild zerrte Fraeya an ihren Fesseln, während sich der Schmerz in ihre Haut brannte, und sie schrie ohrenbetäubend auf. Sie versuchte mit allen möglichen Mitteln, zu rebellieren, doch die grobe Hand des Zwergen drückte sich gewaltsam auf ihren Mund und erstickte ihre Laute. Die Schreie verstummten in seiner Handfläche. Wie Bäche begannen Tränen an Fraeyas Wangen hinunter zu laufen.

Als ihr Peiniger endlich das Eisen von ihrer Haut löste, ließ auch der Zwerg sie los. Augenblicklich verjagte Fraeyas lautes Schluchzen und Wimmern die Stille des Raums. Sie strampelte und krümmte sich, sie rieb an der Stelle, wo das Eisen ihre Haut verätzt hatte und der Schmerz weiterhin loderte, als wäre das Eisen gar nicht abgesetzt worden.

Ihre beiden Peiniger berührte dies wenig. So schnell, wie sie gekommen waren, verschwanden sie mit einem lauten Knall durch die Tür und überließen Fraeya sich selbst. Als sie dies realisierte, begann sie laut zu weinen. Wie konnten die Götter dies nur zulassen? Warum verschlimmerten sie ihre Qualen und ihre Pein, anstatt sie endlich davon zu erlösen?


Ihre Peiniger kehrten eine lange Zeit nicht wieder. Niemand kam. Fraeya hungerte, doch dies war sie seit geraumer Zeit gewöhnt. Sie musste ein einziges Knochengerippe nur noch sein, glaubte sie. Die Geräusche von draußen war tagtäglich dieselben. Mühseliges Stöhnen, gepeinigtes Aufschreien nach dem Schlagen der Peitsche und wütende Standpauken aufgebrachter Herrn. Fraeya bangte mit jedem Tag mehr um ihr Schicksal, während sie trostlos zum Warten und Hoffen verdammt war.


Quelle

Als sich nach einiger Zeit endlich wieder die Tür öffnete, wurde ihr unsanft ein Trinkschlauch an die Lippen gehalten und Wasser eingeflößt. Begierig trank sie jeden Schluck, den man ihr ließ. Ihr Hals glich der Wüste, in der sie sich befanden, in seiner Trockenheit. Das göttliche Gefühl des Wassers, das ihren Hals hinunter rann, drückte alles hinter sich.

Der Wasserschlauch wurde ihr nach weniger Zeit fortgerissen und anschließend hörte sie, dass die Ketten vom Boden losgemacht wurden. Doch bevor sie etwas hätte tun können, wurde sie schroff von einer starken Hand auf die Beine gerissen und wie ein alter Esel an der Leine der Halsfessel mitgezogen. Sie stolperte ihrem Führer hinterher.

Wie immer bekam sie kein einziges Wort zu hören, doch sie traute sich zugleich auch nicht, die Stimme zu erheben. Mit eingezogenem Kopf folgte sie und humpelte an der Seite ihres Führers, der auf einem Pferd saß, durch die lärmenden, von sengender Hitze gefluteten Straßen.

Nachdem ihr Hälter schließlich von seinem Reittier abstieg, führte er sie weiter. Von der brennenden Sonne ging es durch ein Tor, das sich klirrend hinter ihnen schloss, in den erfrischenden Schatten.

Überraschend wurde ihr die Augenbinde vom Kopf gezogen. Sofort riss sie den Kopf nach unten, um nicht vom gleißenden Sonnenlicht zu erblinden. Recht schnell konnte sie sich an die Lichtverhältnisse gewöhnen, da zumindest etwas Licht vorher durch die Augenbinde hindurch geschienen hatte.

Sie befanden sich im Hof eines gewaltigen Anwesens, dessen hohe Mauern aus Sandstein, mit feinen Rillen und Mustern verziert, erbaut waren. Tief finstere Eckpfeiler ragten, gekrönt mit eisernen Spießen, an ihren Kanten in die Höhe.

Das Anwesen erhob sich über zwei Stockwerke mit zahlreichen von Tüchern überdachten Terrassen; mit einem schmalen Aussichtsturm, dessen Wände mit ein paar schicken Erkern versehen und das Dach als Einziges aus alten Holzbrettern gefertigt war. Doch weder das Anwesen noch der Turm konnten die majestätische Pyramide übertreffen, die sich im Hintergrund über der Stadt erhob. An deren Spitze glühte und flammte ein violettes Leuchten, das für Fraeya nicht zu erkennen war.

Ihr Blick senkte sich von der gigantischen Pyramide auf den Innenhof des Anwesens selbst. An allen vier Seiten befanden sich kleinere Gebäude oder Baracken, doch weitaus weniger mit Mosaiken besetzt oder von Farben bepinselt wie das Haupthaus. In der Mitte des Hofes, in dem zudem ein Brunnen sowie allerlei Ware stand, ummauerten zwei gegenüberliegende Becken hohe, langsam im Winde wehende Palmen.

Mit Besen in den Händen wuselten zwischen diesen einige träge Gestalten im Hof umher. Sie trugen löchrige Leinengewänder an gemagerten Leibern und hielten die Köpfe immerzu demütig gesenkt. Was sie alle verband, war eine eiserne Halsfessel – wie Fraeya sie auch trug. Es dämmerte ihr früh.

Schnell wandte sie sich um und blickte in das Gesicht eines schwarz maskierten Mannes. Die Maske hatte etwas Wölfisches an sich. Er trug eine einheitliche, dunkle Tracht mit Kettenhemd wie die anderen Wächter, die hier und da im Hof unter schattigen Plätzen verteilt waren. Er hielt eine gefährliche Hellebarde in der Hand, nebst ihrer Kette. An seinem Gürtel baumelte eine lange, lederne Peitsche.

Fraeya erstarrte, als seine beiden dunkelgrünen Augen ihren Blick trafen. „Willkommen zuhause“, ertönte die Stimme hinter der finsteren Maske, welche finster zu grinsen schien, bevor der Wächter sie schroff am Arm packte und mit sich zog.

„N-Nehmt Eure Finger fort!“, stieß Fraeya in gewohntem Adelston aus und versuchte, sich ohne zu überlegen, seinem Griff zu entwinden. Der Mann hielt ihren Arm eisern fest und wandte sich um. In Bruchteil einer Sekunde peitschte er ihr mit seinem ledernen Handschuh auf die Wange.

„Still!“, bellte er und riss Fraeya sofort wieder mit sich. Sie wankte und stolperte beinahe zu Boden, während er sie zog. Trocken schossen ihr die Tränen in die Augen, ob des brennenden Schmerzes in ihrer Wange. Verschwommen erkannte sie, wie die Gesichter der Sklaven, die den Sand vom Boden fegten, sich kurz zu ihr wandten, doch eilig wieder gen Boden richteten.

Der Wächter brachte sie in ein düsteres Nebenhaus mit niedriger Decke, dessen Tür er mit mehreren Riegeln entsperrte. Drinnen hing eine einzelne Laterne in der Mitte des Raums und beleuchtete ein paar altersschwache Stockbetten sowie zahllose Strohmatten, die auf dem Boden verteilt lagen. Ein Fenster existierte nicht. Nur ein paar Nachttöpfe in der Raumecke.

Prompt wurde Fraeya wieder herumgerissen und der Mann mit der Maske löste ihre Handfesseln, doch weiterhin nicht die an ihrem Hals. Fraeya deutete stumm in flehender Geste auf diese, doch er schüttelte wortlos den Kopf und drückte ihr einen Reisigbesen in die Hand.

„Den Hof kehren“, waren seine einzigen Worte dazu. Fraeyas Blick lag versteinert auf dem knorrigen Besen.

Der Mann grunzte und packte die Kette der Halsfessel, mit welcher er sie in den Innenhof zerrte. Erneut drückte er ihr den Besen in die Hand. „Kehren!“, befahl er.

Zögerlich und noch immer nach Atem ringend, umschloss Fraeya den Stiel des Besens und fegte unbeholfen über den sandigen Boden. Eine Staubwolke türmte sich auf und zog durch die Luft zu den Wächtern am eisernen Hoftor. Sie husteten und verbargen die Augen hinter den Ärmeln, sodass Fraeya angsterfüllt ein paar Meter weiter zu einem anderen Sklaven huschte. Dieser arbeitete stumm und schenkte Fraeya wenig Beachtung.

Mit der Zeit kam unter dem Sand, der zwischen den Palmenbecken lag, ein gepflasterter Weg mit Mustern und kunstreich gelegten Mosaiken zum Vorschein. Es war eine schwache Ermunterung, auch wenn Fraeyas Rücken rebellierte. Jedoch traute sie sich nicht, unter den Augen der Wächter eine Pause einzulegen. Ihr Blick fiel jedes Mal, wenn sie diesen Gedanken begann, auf die Lederpeitschen an den Gürteln der Maskierten.

Schließlich lag der Weg wieder frei. Der Sand türmte sich in einem Haufen in der Ecke des Hofes, wo zwei Menschen ihn mühselig auf einen Karren schippten und anschließend mit krummen Buckeln abtransportierten.

Erschöpft ließ sich Fraeya auf dem Mauerstein der Palmenbecken nieder. Der Schweiß glänzte ihr auf der Stirn. In ihrem langen Kleid, das dem Klima Távaryns angepasst war, war es schlichtweg zu heiß. Sie ließ den Besen fallen und atmete schwer durch, doch prompt rief sie eine Stimme zur Ordnung:

„Ab auf dein Quartier!“

Der Wächter riss die grob auf die Beine und stieß Fraeya in Richtung der anderen Sklaven.

Ohne zögern zu wollen, folgte sie schleunigst der Anweisung und schloss sich dem Strom der trägen Gestalten an. Sie strömten in das kleine, niedrige Nebenhaus, wo sie sich auf die Stockbetten und das ausgestreute Stroh verteilten. Fraeya, die Letzte, blieb im Türrahmen stehen, als sich hinter ihr die Tür verschloss und die Riegel vorgeschoben wurden.

Niemand schien sie zu beachten. Auch versuchte niemand, freundliche Stimmung durch Gespräche zu verbreiten. Fraeya traute sich dies auch nicht. Die Sklaven ließen sich stumm auf ihren Schlafplätzen nieder und starrten ins Leere.

Sie schluckte vor Unbehagen laut und drückte sich durch die engen Gassen vor, Richtung eines leeren Stockbettes ganz in der Ecke. Im ganzen Raum stank es nach Ausdünstungen, sodass ihr schlagartig übel wurde, als sie die ersten Schritte setzte. Auch die Hitze, die sowohl die äußerliche Sonne als auch die dicht nebeneinander hockenden Körper ausstrahlten, war unerträglich.

Nach einigen Umwegen durch die sitzenden Sklaven gelangte sie an das Bett. Das obere war besetzt und hing niedrig und durchgelegen über der unteren Schlaffläche. Das Gestell war mit Stroh belegt und einem gestopften Sack als Kissen.

Fraeya machte Anstalten, sich niederzulassen, als eine Stimme sie von hinten anfuhr: „Heda, das ist meins!“

Eine Frau – ob Mensch oder Elfe wusste sie im düsteren Licht nicht zu erkennen – drängte sich rasch zu ihr durch und stieß die überraschte Fraeya fort. Mühselig hielt sie sich auf den Beinen und griff an einen leeren Fackelständer an der Wand, um nicht umzukippen.

„Überlasst es mir“, forderte sie, nachdem sie ihr Gleichgewicht wieder erlangte. Sie baute sich herrisch vor ihr auf. „Ich bin Fraeya Elenwe von Távaryn. Legt euch auf den Boden!“

Auf Fraeyas gewohnten Umgangston begann sie zu feixen und lachte gedämpft. Einige leise Stimmen im Raumen fielen nach und nach ins Gelächter ein. Verdutzt blickte sich die Hochadlige um.

„Du bist eine Sklavin“, erklärte die Frau schließlich, während das Lachen im Hintergrund leise verging. Betont langsam ließ sie sich auf ihrem Bett nieder. „Da du Frischfleisch bist, stehst du nun erstmals ganz unten in der Hierarchie. Demnach schläfst du auch auf dem Fußboden.“

Sie deutete zur Strohmatte am Boden, die schmutzige Fußspuren aufwies. Fraeyas Blick blieb entsetzt daran hängen, bis das nächste Lachen im Raum ertönte. Ihr blieben vor Demütigung die Worte im Munde weg.

„Und nun leg dich hin. Deine verzärtelten Hände müssen morgen arbeiten.“

Die Frau gab Fraeya einen Klapps auf den Kopf und legte sich hin. Auch die restlichen Köpfe senkten sich allmählich zu Boden, die Laterne in der Raummitte wurde gelöscht.

Schnarchen, Grunzen und Stöhnen füllten mit der Zeit den Raum, während Fraeya wach dort lag. Was war das für eine elende Prüfung, die die Götter ihr auferlegten?

Mit diesem Gedanken, endlos im Kopf herumschwirrend, schlief sie irgendwann ein.


Der nächste Tag begann mit Fußtritten der sich eilig ankleidenden Sklaven. Sie traten Fraeya auf Hände und Füße, bis sie es schaffte, sich aufzurichten. Die Frau, der sie gestern ihr Bett streitig gemacht hatte, hielt ihr urplötzlich ein Lumpenkleid hin, als sie noch versuchte, sich zu orientieren. „Anziehen“, befahl sie.

Unbehagt blickte Fraeya sich um. Es waren doch auch Männer hier im Raum?

„Umdrehen, sie werden nicht gucken“, erriet die Frau ihren Gedanken und drückte ihr das Kleid in die Hand. Sie machte es ihr vor und zögerlich folgte Fraeya ihrem Beispiel. Nie war ihr etwas unangenehmer gewesen.

Nach einiger Zeit im Dunkeln öffnete sich die Tür und ein Wächter, wie immer mit Maske, trat herein. Er hielt zwei Eimer in den Händen. Einer mit Brot, einer mit Wasser. Das Brot warf er achtlos durch den Raum und die unzähligen Hände streckten sich gierig dem Geworfenen entgegen. Den vollen Eimer reichte der Wächter herum. Jeder trank ein Schlückchen, so auch Fraeya. Sie trank begierig so viel, wie sie bekam, doch nach keinen drei Schlucken wurde ihr der Eimer aus der Hand gerissen.

Sobald er fertig war, führte der Wächter die Kolonne hinaus auf den Hof. Das gleißende Licht blendete und alle Sklaven rissen die Blicke zu Boden. Sie folgten nur noch den Füßen ihres Vordermanns.

Der Wächter ließ sie alle in einer Reihe aufstellen und gab knappe Anweisungen. Derweil wurde das Licht besser und Fraeya erkannte den Hof, der wieder von Sandkörnern bedeckt war. In der Ecke des Hofes standen zahllose Reisigbesen.

Den Vormittag verbrachte Fraeya mit dem Kehren. Nach einer spärlichen Mittagsmahlzeit folgte dieses erneut, da die Winde des Tages neue Körner über die Mauern des Anwesens warfen. Zwischenzeitlich kamen ebenfalls maskierte Gäste an und schritten den freigelegten Pfad entlang, während sie alle Aufstellung bezogen. Fraeya wandte den Kopf zum Boden und zog das Haar ins Gesicht, um in dieser demütigenden Stellung auf keinen Fall erkannt zu werden.

Am Abend, als es kühler wurde, schürte sie die Feuertöpfe an den Innenmauern des Hofes, erhielt ihr trockenes Abendmahl und wurde anschließend wieder mit den anderen Sklaven in das Haus gesperrt.


Kapitel 4 – Die Flucht

So verlief die Zeit viele Monate weiter. Nie betrat sie das Haupthaus des Anwesens, wo wohl die Familie, der sie diente, residierte, noch bekam sie sie je zu Gesicht. Nur Maskentragende in prunkvollen Roben, die das Tor verließen, während alle Sklaven panisch zur Seite sprangen und Aufstellung bezogen.

Ihre Arbeit wandelte sich an je einem Tag der Woche. Sie wurde ins Küchengebäude gerufen, wo sie gemeinsam mit fünf weiteren für die Zubereitung der Mahlzeiten verantwortlich war. Dies waren die einfachsten Tage, da Fraeya dies in Paeonia bereits gelernt hatte. Damals … als die Welt für sie noch heile war. Als sie für Fraeya noch aus einfacher Politik und Bedeutungssucht bestand …

Fraeyas Träume in den Nächten wurden wirr. Sie träumte von bunten Klippen, von klapprigen Fischkuttern und wilden Ozeanen, von fliegenden Schiffen, sprechenden Steinen und besonders von donnernden Gewittern in tiefsten Wüsten. Wahrscheinlich war dies den Krankheiten, die in ihrem Quartier umher gingen, geschuldet.

Jedoch wollte Fraeya darin mehr sehen. Zeichen der Götter oder dergleichen, die sie in ihrer Lage ermutigen wollten, ihren Weg fortzusetzen. Ihr Weg, der sie irgendwann in die Freiheit führen müsste.

Diese Gedanken beschäftigten sie stets. Auch dann, als sie mühevoll große Tonkrüge mit Wasser auf ihren Schultern vom Tor zur Küche schleppte. Zu sehr folgte und lauschte sie ihren Gedanken, dass sie über ihre eigenen Füße stolperte. Der Tonkrug entglitt ihren Händen und zerbarst klirrend auf der Erde.

Fraeya hielt vor Schreck die Luft an und stürzte sofort auf die Knie. In ihrer Verzweiflung wischte sie mit den Händen im Sand herum, der sich nach und nach mit Wasser füllte. Sie versuchte, die Reste des Tonkruges zusammenzukratzen, um wenigstens ein paar Tropfen des mehr als kostbaren Wassers zu retten. Um der Strafe irgendwie zu entgehen. Sie war ihr schon immer entronnen, diesmal schaffte sie es auch!

Hektisch schöpfte sie mit den Händen nach den Wasserperlen. Vergeblich. Es wollte ihr einfach nicht gelingen. Es entrann immer ihren Händen.

Hinter ihr näherten sich die Schritte der zwei Wächter, die das Tor beaufsichtigten. Fraeyas Augen füllten sich vor Angst mit Tränen und behinderten sie noch weiter an ihrer Arbeit. Vielleicht konnte sie es noch schaffen!

Ihre Hoffnung löste sich in Luft auf, als es laut knallte und sich ein brennender Schmerz in ihren Rücken fraß. Sie stieß einen gellenden Schrei aus.

„Unfähiges Miststück!“, schimpfte eine Frau, während die Peitsche über den Boden knallte. Fraeya sah den nächsten Schlag auch nicht kommen, sondern wurde stattdessen zu Boden in die spitzen Tonscherben geworfen. Deren Kanten bohrten sich in ihre Handflächen.

„Das erste Mal bei dir, nicht wahr, Edelfräulein?“, höhnten die beiden Wächter, ehe sie erneut zuschlug. Das Leder riss durch Fraeyas Kleidung hindurch und hinterließ seine Male auf Fraeyas bloßer Haut. Wieder schrie sie auf, und die beiden peitschten ein weiteres bestialisches Mal, bis Fraeya laut weinend am Boden lag.

„Und nun zurück zur Arbeit, ab in die Küche!“

Die beiden Wächter ließen die Hochelfe, die schluchzte und weinte, allein am Boden liegen. Ihre Schritte entfernten sich und die Tür des Wachhauses fiel kurz darauf ins Schloss.

Fraeya weinte weiter. Was war der Wille der Götter, dass ihr das hier geschah? Wo war ihre allgegenwärtige Gnade geblieben? Ihre Belohnung für ihre treuen Gebete, die sie täglich zum Himmel rief?

Seit Monaten war sie am Leiden und versuchte mit aller Kraft, diesem Weg zu folgen. Doch sie konnte nicht mehr. Diese Schläge nun hatten ihr den letzten Funken an Hoffnung ausgetrieben. Hatten sie sich von ihr abgewandt?

Schließlich schaffte Fraeya es, sich wieder aufzurichten. Beim Schmerz in ihrem Rücken schossen ihr prompt wieder die Tränen in die Augen und sie musste darauf achten, nicht in die Scherben zu treten. Sie humpelte ein paar Schritte zur Mauerkante der Palmenbecken und ließ sich gekrümmt darauf nieder.

Vorsichtig betastete sie ihren Rücken. Sie zischte auf, als sie die tiefen Striemen in ihrer Haut berührte. Die Wunden brannten bei der Berührung und sie zog rasch ihre Hand wieder zurück. Die gesamte Hinterseite ihres lumpigen Sklavengewands war zerfetzt und entblößte ihren Rücken. So konnte sie nicht weiter rumlaufen. Diesen Rest Würde durften sie ihr nicht stehlen.

Mit zusammengebissenen Zähnen und vor Leid verzogenem Gesicht, erhob sie sich und humpelte zum Sklavenquartier. Es stand keine Wache an der Tür, weswegen sie unbehelligt hindurch gelangte und ihren unveränderten Schlafplatz aufsuchte. Ein neues Sklavengewand würde sie erst Ende dieser Woche erhalten, weshalb sie nach ihrem alten Kleid griff, das als Kopfkissen für sie funktionierte. Es war zerschlissen, von Schmutz, Löchern und Fußspuren übersät, doch es würde reichen. Man sah ihm mittlerweile nicht einmal mehr seine ursprüngliche rot-weiße Farbe an.

Mühselig streifte sie die zerrissenen Lumpen ab und schlüpfte in ihre alte Tracht. Ein seelischer Schmerz durchfuhr sie bei den Gedanken an die frühere Zeit. Mit einem kräftigen Kopfschütteln schüttelte sie sie ab, denn die Aussichtslosigkeit sowie die Erinnerungen trieben sie an die Rande des Wahnsinns. Während sie sich die Augen rieb, marschierte sie wieder hinaus.

Über ihr war die gleißende Sonne unbemerkt einem finsteren Wolkenfeld gewichen, wie sie durch ihre verweinten Augen wahrnahm. Ein seltsamer Anblick hier, tief in der Wüste. Es erinnerte sie an ihre Träume.

Während sie hinauf blickte, ertönte ein fernes, doch gewaltiges Donnergrollen, welches sie zusammenzucken ließ. Schärfere Winde zogen augenblicklich herauf und zerrten an den hoch liegenden Kronen der Palmen. Diese beugten sich ächzend seinen Kräften und neigten sich in Windrichtung. Rasch verschwand die drückende Hitze und eine kühle Dunkelheit überdeckte die Stadt.

Lichtscheine erhellten immer wieder das undurchdringliche Dunkel am Himmel und unmittelbar folgte ihnen das düstere Grollen des Donners. Kurze Zeit später ratterten die Türen und Fensterläden, oder sie wurden schlagartig zugestoßen. Die verbleibenden Wächter, die auf den Terrassen und am verschlossenen Tor standen, huschten in ihre Gebäude, während die Sklaven aus den Gebäuden eilten und tapfer alles Herumfliegende des Anwesens sicherten.

Sie beachteten Fraeya nicht, die versteinert in der Ecke bei den dunklen Sklavenquartieren stand und zum Himmel starrte. Verwinkelte Blitze, augenblicklich gepaart mit dem Donner, zuckten nun gleißend hell über den Himmel. Das Unwetter befand sich direkt über ihnen.

Es grollte laut, und ein besonders langer, verzweigter Blitz zog sich jäh vom Himmel herab, um im Aussichtsturm einzuschlagen. Dem ohrenbetäubenden Lärm folgten kleine Flammen, die auf den alten Holzplanken des Turmdaches loderten. Alle Geschöpfe im Hof, die soeben niedergegangen waren und die Hände auf die Ohren gepresst hatten, schrien nun panisch auf.

Nicht lange dauerte es, ehe die schwarz maskierten Wächter aus ihren Quartieren stürmten und mit gezogenen Knüppeln die Sklaven mit Eimern zum Brunnen, in der Ecke Fraeya gegenüberliegend, jagten.

Fraeya verbarg sich im düsteren Schatten, der sie in besonderer Dunkelheit umarmte, während die anderen abgelenkt waren. Das war ihre Chance, realisierte sie. Ihr Blick glitt zum Himmel, über welchen weiterhin gleißende Blitze züngelten und den ohrenbetäubenden Donner mit sich brachten. Die Götter wollten ihr ein Zeichen geben, dämmerte ihr. Ihr eine Chance geben, um zu entkommen!

Die unbändige Hoffnung, die sie durch diese Einsicht erlangte, verhalf ihr, den Schmerz der Peitschenhiebe auszumerzen und aufzuspringen, um geduckt quer über den Hof zur Küche zu rennen. Sie steckte Brot, Kartoffeln und einen Trinkschlauch in jede freie Stelle ihres Kleides, für die sie zu mager geworden war. Nach einigem Zögern ergriff sie auch das abgestumpfte Küchenmesser.

Nachdem sie alles verstaut hatte und nun recht wohlbeleibt ausschaute, huschte sie zurück in den Hof. Die Löscharbeiten waren im vollen Gange. Auf dem Dach, unter den wie wild flatternden Markisen, tummelten sich in Eimerketten die anderen Sklaven, während die Wächter sie mit wüsten Knüppelschlägen antrieben.

Darunter, im Hof, stand ein großer Wagen und maskierte Wesen anderer Kleiderfarben – wohl die örtliche Feuerwehr –, welche eilig Eimer befüllten und austeilten. Das Hoftor hatten sie sperrangelweit aufgestoßen, es befand sich außerhalb jedes Blickes. Dies konnte nur der Wille der Götter sein!

Niemand beachtete die Hochelfe, die hektisch hinter ihren Rücken hinüber zum Tor stürzte. Sie waren mit dem eiligen Abladen des Karrens zu sehr beschäftigt. Während die Göttin Vilya ihre Trommel – wie Fraeya glaubte – erneut paukte und alle Blicke zum Himmel riss, ergriff Fraeya die Flucht durch das Tor.

Die große Allee, auf der sie angelangte, war leergefegt. Karren und Marktstände hatte man stehen gelassen und dem Sturm überantwortet, der gnadenlos durch die Straße fegte und sie zu Boden warf. Er zog heftig durch die Kronen der Palmen, rechts und links der Straße.

Fraeya sah sich lange um – planlos, wohin sie rennen sollte –, ehe sie die Straße abwärts wählte. Schon nach wenigen zwanzig, dreißig Metern hielt sie keuchend wieder an. Der Hoffnungsschimmer, den sie von ihren Göttern eben erhalten hatte, gab ihr zwar Kraft, doch ihr ausgetrockneter Körper verlangte dennoch nach Wasser.

Sie drückte sich in eine dunkle Ecke, kramte aus den Lagerplätzen ihres Kleides den Trinkschlauch und ließ die kühle Flüssigkeit in ihren Mund rinnen. Es war wahrlich ein göttliches Gefühl, als es ihre Kehle hinunter rann. Sie trank und trank, während sie zum ersten Mal wieder niemand aufhielt. Das einfache Wasser kam dem erlesensten Wein gleich.

Fraeya musste sich beherrschen und unterbrach den vergessenen Genuss. Der Trinkschlauch war nur noch zur Hälfte gefüllt – dies nur dank ihrer Gier!

Sie schalte sich eine Närrin, steckte den Schlauch wieder ein und sah sich nach beiden Seiten der Straße nach Verfolgern um. Mit der neugewonnenen Kraft machte sie sich wieder auf und rannte weiter.

Sie gelangte unbehelligt durch die einsamen Straßen. Auch an den wenigen verbleibenden Wächtern, die ihre Posten bewachten und unstet umherwanderten, kam sie vorbei, nachdem sie sich ein langes Tuch gestohlen und umgebunden hatte. Ihr Gesicht vermummte sie darin, sodass dies wohl als Maskierung für die Wachen galt, die in dieser Stadt notwendig war.

5 - Flucht
Quelle

Während über ihrem Kopf das Gewitter weiter tobte und wütete, der Sand über den Mauern der Häuser hinwegfegte und zerrender Wind Markisen ihrer Häuser entriss, erreichte Fraeya schließlich das Ende der Straße und stieg auf die aus pechschwarzem Stein erbauten Brücken, die über den Dächern der Stadt entlang führten.

Oben angekommen, bemerkte sie, dass sie von jeglichen Seelen verlassen waren. Nicht einmal mehr Wächter standen hier oben, denn der Wind pfiff und streute Sandkörner wie Geschosse in die Augen. Auf der bloßen Haut stachen sie wie welche.

Fraeya hob ihrem Arm vor ihr Gesicht, während ihre Vermummung, die auch die Halsfessel verdeckte, im heftigen Wind heftig flatterte. Vorsorglich hielt sie das Tuch mit der anderen Hand fest, um ihr Gesicht und ihre Fessel nicht zu entblößen.

Blind eilte sie vorwärts und orientierte sich nur an den Rändern der Brücke zu ihren Seiten, unter denen die Häuser verliefen. Endlich gelangte sie in den Schatten eines fernen Gebäudes, das sich dem Wind entgegenstellte. Sie wagte es, den Arm hinunter zu nehmen, und sah sich prompt einer gewaltigen Gruppe Wächter entgegen. Es mochte ein Dutzend sein, und schwer bewaffnet. Zu ihrer Rechten ruhte ein monströses Luftschiff auf der Erde, das den Böen wacker standhielt. Dennoch wuselten kleine Gestalten auf dem Deck und am Übergang herum, um die massiven Leinen zu sichern.

Umgehend wurde Fraeya bemerkt.

„Wer da?“, bellte der erste Wächter, der sie bemerkt hatte. „Was tut Ihr hier? Warum seid Ihr nicht maskiert?“

Das Tuch hatte sich gelöst und ihr Gesicht freigelegt.

„N-Nichts!“, rief sie erschrocken, blieb auf der Stelle stehen und versuchte panisch, das Stofftuch wieder um ihren Kopf zu binden. Insbesondere die verräterische Halsfessel durften sie auf keinem Fall entdecken! „B-Bitte, Herr, t-tut… lasst mich gehen!“

Sie umklammerte das Tuch verzweifelt und hielt es fest, doch der Wind versuchte stetig, es mitzureißen. Er entblößte ihren Hals. Als Fraeya das merkte, erstarrte sie.

Prompt bemerkte es einer der Wächter und er brüllte aus vollstem Halse: „Eine entlaufene Sklavin! Fasst sie!“

Augenblicklich stürzten die Wächter sowie auch Fraeya los. Das Gefühl schwand ihr vor Panik aus den Beinen und sie spürte allein noch, wie ihre Beine besinnungslos am Rennen waren.

Pfeile zischten an ihr vorbei und Zauber schlugen hinter ihren Fersen auf dem Boden auf. Die Wächter waren schneller als sie, sie konnte nicht zurück in die Stadt. Es blieb ihr nur ein Ausweg: über die Mauerkrone. Mit dem Wohlwollen der Götter würde dort Sand sein.

Ihre Beine hielten dorthin, doch bevor sie die sandsteinernen Zinnen erreichte, packte sie eine Hand am Kragen. Der plötzliche Stopp drückte Fraeya die Luft weg, ehe sie schlagartig am Kragen herumgerissen wurde. Ihr Proviant ergoss sich aus den Verstecken ihres Kleides.

Zwei starke Männerarme umpackten sie und drückten sie mit dem Rücken an einen großen, kräftig gebauten Körper. Fraeya schrie panisch auf und fuchtelte, so gut es ging, herum, um sich seinem Griff zu entwinden, doch ihrem mageren Gewicht und der mangelnden Kraft gelang es nicht.

„Na, was jetzt?“, zischte die Stimme des Mannes hämisch in ihr Ohr. „Du hast verloren.“ Er lachte und in Sekundenschnelle wanderten seine Hände tiefer.

Fraeya jammerte und wimmerte, sie trat nach seinen Füßen und zerrte fuchsteufelswild an seinem Griff, bis ihr das Küchenmesser aus dem Ärmel rutschte. Ehe es zu Boden fiel, fasste ihre Hand danach und stieß es nach hinten, unkontrolliert in sein Fleisch.

Der Mann hielt ein und es folgte ein erbärmlicher Schrei. Seine Kameraden stolperten vor Schreck über ihre eigenen Füße und hielten im Nachjagen entsetzt inne.

Fraeya, ihrer Sinne kaum noch mächtig, riss sich und das Messer los und stach es reflexartig tief in den offenliegenden Hals unter den Rändern der Maske. Ein langgezogenes Keuchen ertönte, bevor der Mann krachend zu Boden ging. Fraeya vernahm dies nur nebenbei, denn sie stolperte hektisch zu den Rändern der Mauer. Ohne nachzuschauen, was darunter lag, sprang sie.


Sie war im Sand gelandet und kroch von dort einfach los. Ihre Gelenke schmerzten vom Aufprall, doch behindern sollte es sie in ihrem glühenden Überlebenswillen nicht.

Schließlich schaffte sie es nach einigen Metern, wieder aufzustehen und sich umzusehen, obwohl der Wind weiterhin den Sand wie winzige Geschosse umher warf. In der Ferne sah sie noch unscharf die Fackeln auf den Mauern, von der sie eben gesprungen war. Sie musste weiter!

Wieder hob sie die Arme vor die Augen und kämpfte blind gegen die Winde an. Mühselig stöhnte sie, denn es zehrte an ihren Kräften.

Doch urplötzlich wandten sich die Winde. Sie wechselten die Richtung und trieben sie in eine bestimmte Richtung an. Fraeya stöhnte erleichtert auf und wechselte ihren Kurs, nun dem Wind folgend.

Nicht viel länger dauerte es, ehe sich die starken Winde legten, die Sandkörner wieder auf den Boden zurückkehrten und sich der pechschwarze Himmel lichtete. Wie ein strahlendes Feuer der Zuversicht kam dahinter die Sonne zum Vorschein. Ein Lichtblick Galads, der ihr den Weg wies, wie sie glaubte.


Quelle

Fraeya jammerte vor Freude auf und änderte ihren Kurs erneut – der Sonne entgegen. Die Götter würden sie von nun an leiten. Sie musste ihnen nur folgen.

Die Tage und Nächte, die sie durch die Wüste stapfte, waren hart. Einen Großteil ihres Wassers hatte sie in der Stadt ihrer gierigen Not verloren, einen weiteren Teil des Essens bei ihrer Flucht über die Mauer. Jedoch genügte es.

Ihr Weg führte sie – den Göttern sei Dank – von Oase zu Oase. Jede Nacht erschienen ihr die seltsamsten Träume. Träume, die sie antrieben, ihren Weg fortzusetzen. Sie waren nicht dem Fieber, das erbarmungslos in ihr brannte, geschuldet – dessen war sie sich sicher.

Schließlich erhoben sich in der Ferne die bunten Klippen, wie sie von ihnen geträumt hatte.

Und nicht viel später erreichte sie das Meer.

Wie einen alten Freund zu sehen, erfüllte sie es mit lebendigen Gefühlen, die sie seit Monaten nicht mehr verspürt hatte. Sie genoss die frische Meeresluft, die der Trockenheit der Wüste entgegnete. Ihre Lungen sogen sie begierig ein.

Mittlerweile gab es für Fraeya keine Zweifel mehr: Ihre Flucht war göttergewollt. Eine Erlösung nach den Qualen, die sie erlitten hatte. Die Belohnung für ihre endlose Frömmigkeit, die sie gezeigt hatte, auch wenn der Zweifel beinahe obsiegt hätte. Und nun verlangten die Götter Fraeyas Rückkehr in die Heimat.

An der Küste entlang, wanderte sie gen Süden. Irgendwann würde sie an einem Hafen ankommen – und so war es. Ein morscher, alter Steg erstreckte sich viele Meter auf das Wasser und führte zu einem klapprigen Fischerboot mit zerfetztem Segel und zerstörtem Steuer.

Es mochte an Wahnsinn grenzen, den Kutter zu besteigen und von seinen Tauen zu lösen, doch ihr war dies gleich – Sie musste mehr Vertrauen in die Götter zeigen, um ihnen ihre Folgsamkeit zu beweisen. Fraeya schnürte die Seile vom Steg ab, holte die Segel ein und ließ das Boot treiben.

Das Fischerboot folgte der Strömung auf die offene See hinaus. Fraeyas Zustand verschlechterte sich fortwährend. Die Tage verbrachte sie vor sich hin fiebernd unter dem im Winde ächzenden Mast, bis auch ihre Vorräte schwanden. Im Fieberdelir glaubte sie, viele verschiedene Wunder zu sehen, obwohl ihr Schiff einfach nur auf dem Meer trieb. Oft kroch sie an die knarzende Reling und beobachtete die kuriosen Absurditäten, die mal über das Wasser, mal über den Himmel flogen.

Nach vielen Tagen auf hoher See erwachte sie schließlich im Schatten eines großen Schiffes. Ihre ausgetrockneten Augen erkannten die Takelage und die einzigartigen Segel, die sich vor die helle Sonne geschoben hatten. Ebenso erkannte sie die Flaggen, die weit oben an den beiden Mästen flatterten. Heiß vermisste weiße Bäume auf türkisenem Grund.

Hochelfen traten von Bord des großen Schiffes und starrten wie vom Donner gerührt das ihnen bekannte Gesicht an. Die Seemänner trauten ihren Augen kaum, ehe sich urplötzlich schallendes Gejubel regte.

Fraeya selbst erlebte dies nur zur Hälfte mit. Sie wurde vom Kapitän und seinem Maat höchstpersönlich in dessen Kajüte gebracht und dort versorgt. Sie stand dank Hunger und Krankheit am Rande des Todes, wie diese bemerkten.

„Brecht den Kurs ab! Richtet die Segel unverzüglich gen Heimat!“, schrien die Seeleute über das Deck. Fraeya wusste nur unterbewusst: Es ging endlich heim. Den Göttern sei Dank.


OOC

Änderungen am Charakter:

Fraeya wird wieder auf meinem Hauptaccount, Waldmaus_, gespielt.

+Aussehen: Ihr rechtes Ohr wurde zur Hälfte abgetrennt. Dies wird durch eine hölzerne Prothese in Hautfarbe verborgen. Auf ihrem Rücken, zwischen den Schulterblättern, prangt ein altes Sklavenmal.

-Schwäche: Scheu davor, andere Wesen zu verletzen
-Schwäche: Kritik
+Schwäche: Ihr Glauben
+Schwäche: Körperliche Schwäche

Die restlichen Stärken & Schwächen wurden ausformuliert.

+Charaktereigenschaften: Frömmigkeit seit ihrer Entführung. Ebenso ein paar Anpassungen zur Lage.

3 „Gefällt mir“

Gemäß der gegebenen Änderungsmöglichkeit der Zauber im jüngsten Changelog wurden zwei Zauber Fraeyas ersetzt, welche im RP noch keine Nutzung fanden. RPlich wird es damit erklärt, dass Fraeya sie beim Magiemeister Távaryns, Estel Turingól, erlernte. :slight_smile: