Ein Wiedersehen
Alles um sie herum bewegte sich.
Als sie die Augen aufmachte und versuchte aufzustehen, verzog sie vor Schmerzen das Gesicht.
Sie biss die Zähne zusammen und raffte sich hoch. Ihr Kopf tat höllisch weh und alles drehte sich.
Nach einer Weile ging es und sie schaute sich um.
Der Raum, in dem sie saß, war komplett aus Holz und an einer Wandseite war eine Tür. Der Raum war eng und stickig. Nacra hustete.
Sie hörte Stimmen hinter der Tür und schaute auf.
„Sie ist wach“
Zwei Männer kamen in den Raum. Beide hatten Messer in ihren Händen. Wächter?
„Steh auf“
Langsam richtete sie sich auf, hielt sich aber zitternd an der Wand fest. Jede Bewegung war eine Qual.
„Geht das nicht schneller?“
Einer der Männer zog sie harsch am Arm und führte sie aus dem Raum. Er öffnete eine andere Tür und Nacra schloss reflexartig die Augen wegen der plötzlich auftretenden Helligkeit und als sie sich endlich daran gewöhnt hatte, sah sie das Meer.
Sie waren auf einem Schiff. Ein endloser Horizont erstreckte sich vor ihr.
Befanden sie sich noch in Parsifal?
Als die zwei Wachen die junge Frau hinaus zerrten, blickten die Männer an Bord auf und fingen an zu lachen. Ein Seemann ergriff das Wort.
„Das Weib lebt noch? Midas wird begeistert sein! Toller Fang, Kaladan“
Sofort verstummte alles um ihn herum und der Mann schaute sich verwirrt um. „Was ist?“
Ein Schiffsjunge brach die angespannte Stille mit betrübter Stimme.
„Hast du es nicht gehört? Kaladan ist tot“
Der Mann schaute ihn verständnislos an. Er schien nicht zu glauben, was er hörte. Der Junge zeigte auf Nacra.
„Sie hat ihn umgebracht“
Das Gesicht des Mannes wurde rot vor Zorn und er kam auf Nacra zu. Voller Wut verpasste er ihr einen Tritt in den Bauch und warf sie auf den Boden. Die Frau stöhnte leise vor Schmerz.
„Du Monster! Du-“
Der Mann wurde von einer tiefen Stimme unterbrochen.
„Wer macht denn hier so viel Krach?“
Nacra erschauderte. Diese Stimme. Sie kam ihr irgendwie bekannt vor.
Der Seemann erstarrte auf der Stelle und blickte in die kalten Augen seines Kapitäns. Dieser schaute den Seemann drohend an, dann nickte er den Wachen zu.
„Bringt die Frau auf mein Zimmer“
Nacra stand langsam auf. Sie kniff die Augen zusammen und zischte drohend.
„Ich gehe nirgendwo hin“
Einer der Wachen schritt auf sie zu.
Nacra lächelte ruhig und flüsterte kaum hörbar.
„Er will also auch ins Gras beißen?“
Aus ihrem Ärmel lies sie ein kleines Messer hervorkommen, aber der Mann hatte es noch nicht bemerkt. Er sah es zu spät und bevor er ausweichen konnte, rammte Nacra ihm das Kleine Ding in die Schulter. Sie zog es wieder schnell raus versetze dem Mann einen weiteren Hieb in die Brust.
Die Leute fingen an laut miteinander zu kommunizieren und schnappten sich ihre Waffen.
Plötzlich hörte sie etwas hinter sich raunen.
„Komm schon, Süße.“
Der Kapitän stand hinter ihr. Nein.
Noah stand hinter ihr.
Sie spürte eine Klinge an ihrem Hals.
„Ich tu dir schon nichts“
Wie ironisch. Dieser Verräter.
Sie konnte seinen amüsierten Blick hinter sich spüren.
Er dachte, er könnte sie einfach um den Finger wickeln?
Falsch gedacht, sie hatte noch den anderen Ärmel samt Messer.
Sie ließ es in ihre Hand gleiten und stach zu. Nacra hörte wie Noah schnell nach Luft schnappte. Der Griff um ihren Hals lockerte sich und sie nutze es aus, um den Spieß umzudrehen. Mit paar schnellen Handgriffen, hatte sie den Kapitän vor sich und nun drückte sie ihm das Messer an die Kehle.
„Waffen runter oder der Mann hier ist tot“
Laut klirrten die Messer und Schwerter, als die Männer sie auf den Boden fallen ließen.
Für einen Moment war sie erstaunt, wie leicht das funktioniert hatte. Zu leicht.
Misstrauisch schaute sich Nacra um. Und dann sah sie es. Im Dunklen blitze etwas auf. Doch es war so schnell, dass sie nicht rechtzeitig reagieren konnte. Der Pfeil traf sie in die Schulter.
Nacra keuchte erschrocken und taumelte ein paar Schritte nach hinten, wobei sie Noah losließ.
Dieser kam wieder aus seinem Schockzustand raus und fing an zu lachen.
„Guter Schuss, Orel“
Der Schütze trat ans Licht. Es war noch ein Mädchen, aber man erkannte sofort, dass sie die Augen eines Adlers hatte. Ein Blick der scharf und einschüchternd war. Ihr Körper war vielleicht klein und schmächtig, aber sie schien sehr gefürchtet unter den anderen Männern zu sein.
Nacra sank auf die Knie und atmete ein paar mal durch, bevor sie den Pfeil aus ihrer Schulter zog. Sie hatte Glück gehabt, dickere Kleidung zu tragen. Der Pfeil hatte sie nur leicht verletzt. Blut tropfte, aber es war nicht schlimm.
Sie stand auf.
Sie musste mehr aufpassen.
„Bleibt weg von mir, dann werde auch ich euch nicht verletzen“
Sie entspannte sich ein wenig. Dann schaute sie den Seemann an.
„Und um eines klar zustellen: Ich habe Kaladan nicht ohne Grund sterben lassen. Es war Notwehr“
Noah ergriff das Wort.
„Na gut, wir lassen das mal so stehen, aber, Nacra ich würde dich trotzdem bitten, in mein Zimmer zu kommen, wir müssen dich verarzten“
Nacra winkte ab.
„Abgelehnt. Ich kann mich um mich selbst kümmern, danke“
Noah nickte Orel zu und diese spannte ihren Bogen.
„Sei vernünftig, Nacra. Außerdem…“
Der Mann kratze sich am Kopf
„…muss ich mit dir reden.“
Er schaute ihr in die Augen.
„Über Grim“
Nacra hielt inne. Sie hatte noch hier und da paar Messer, falls er sie wieder angreifen sollte. Warum also nicht?
Sie nickte.
„Aber das Mädchen…“ Nacra zeigte auf Orel und fuhr fort „bleibt draußen. Ich will sie nicht dabei haben“
Noah dachte kurz nach und schien einverstanden.
„Gut, folge mir“