Die Marienkapelle


Georg lief so schnell, wie ihn seine kleinen Beine tragen konnten, er verstand nicht warum, aber er wusste, dass Mutter und Vater sich fürchteten, also folgte er ihnen auf ihrer Flucht, am Waldrand entlang, über Felsbrocken und die dornigen Ranken der Brombeere.
Mutter und Vater liefen so schnell, dass Georg ihnen fast nicht folgen konnte, und wurden erst langsamer, als sie die Kapelle erblickten.
Am Rande eines wild rauschenden Bachs, von Rosenranken bedeckt, ragten ihre alten Gemäuer empor, beschienen vom warmen Licht der Abendsonne.
Auf den Boden der Kapelle breiteten Mutter und Vater ihre Wolldecken aus, und betteten Georg darauf.
Georg spürte noch, wie sie seine kleine Schwester Bianca in seine Arme legte, bevor ihn der Schlaf umfing.


Mitten in der Nacht wurde er von einem lauten Knacken im Unterholz des Walds geweckt.
Vater stand am Eingang der Kapelle, mit einer Fackel in seiner Hand.
Neben ihm regte sich auch Mutter, rieb sich verschlafen die Augen und erhob sich.
Vater drehte sich zu ihr, in seinem Blick konnte Georg Angst und Sorge erkennen.
„Bring mir das Schwert, dort draußen ist etwas“
Auch Mutter wirkte jetzt besorgt. Sie griff in den Beutel, in dem sie ihre Besitztümer getragen hatten, und zog ein kurzes Schwert hervor.
Die Sorge in den Gesichtern seiner Eltern machte auch Georg Angst, aber sie würden ihn doch sicherlich beschützen können, vor dem was draußen im Wald wartete, oder?
Er nahm Bianca in den Arm, und schlich sich zum Fenster, während Mutter und Vater sich mit der Fackel in das Dunkel der Nacht begaben
Durch das Fenster konnte er Mutter und Vater erkennen, wie sie besorgt in das Dickicht starrten.
Dann reichte Vater Mutter die Fackel, bevor er in Richtung des Gebüschs ging.
Georg konnte ihn nicht mehr durch das Fenster sehen, aber bald hörte er Geschrei und lautes Rascheln im Dickicht des Waldes, bevor ein kleines grünes Männlein aus dem Gebüsch auf seine Mutter losstürzte.
Mutter schlug mit der Fackel nach dem Wesen, immer und immer wieder, bevor sie erlosch, und Georg in Dunkelheit zurückließ.
Voller Angst kauerte er sich leise wimmernd in die Ecke der Kapelle, mit Bianca im Arm und wartete auf die Rückkehr seiner Mutter.
Doch sie kehrte nicht zurück und trotz seiner Angst fielen Georg die Augen zu.

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