Lang lebe Minga

Wie an jedem Morgen, wenn die Sonne in Parsifal aufgeht, hat der Tag für Ilaria Remus schon lange begonnen. Sie steht früh auf um sich um ihren Laden und ihre Kunden zu kümmern. Wenn sich der Ansturm der Kunden gelegt hat, nimmt sie sich Zeit zum putzen, zu kochen und zum lesen der Post.
Wie an jedem Tag öffnete sie ihren Laden pünktlich und bedient ihre üblichen Kunden. Gegen führen Mittag hatte sie wie gewohnt Zeit, um durch ihren Laden zu fegen. Die Ladentür öffnete sich und es kamen zwei Personen hinein. Sie stellte den Besen an die Wand, drehte sich zu ihnen und fragte, was sie für sie tun könnte. Sie bemerkte auf den ersten Blick,dass es sich um zwei Wachen aus dem Königshaus handelt.
„Sie sind Ilaria Remus?“
„Ja meine Herren, was kann ich für sie tun?“
„ Der Monarch will sie umgehend sprechen. Es ist sehr wichtig.“
„Natürlich.“ entgegnete sie. „Darf ich fragen, was der Anlass für dieses Gespräch ist?“
„Er meinte das es um die Monarchin und ebenso gute Freundin von ihnen ginge. Beatrix Evergarden ist ihr Name.“
„Verstehe, ich schließe den Laden und begleite sie.“
So gesagt so getan, sie beeilte sich den Laden schnellstmöglich zu schließen und begleitete die Wachen zum Palast des Monarchs. Sie liefen in den Thronsaal, wo sie bereits vom Vincent Wenzel, dem Monarch von Minga, erwartet wurde.
„Ich danke euch, ihr könnt jetzt gehen.“ sprach er zu den Wachen neben ihr.
„Ihr wolltet mich sprechen, mein Herr?“
„Ja, aber vorher bitte ich sie mit mir an einen angenehmeren Ort zu gehen, wo wir uns privat unterhalten können.“
Sie nickte. Sie liefen durch die Gänge des Palastes. Es herrschte eine unangenehme Stille zwischen ihnen. Keiner sagte auch nur ein Wort. Wie sie beim laufen bemerkte, schien der Monarch sehr angespannt zu sein. Sie liefen zu einem Aussichtspunk, der fast an der Spitze des Palastes aufzufinden war. Von dort aus konnte man fast über die komplette Stadt schauen.
Vincent lehnte sich an die knappe Mauer des Aussichtspunktes und schaute auf die Stadt hinunter.
„Ich will nicht lange drum herum sprechen, Beatrix ist heute und der früh verstorben. Sie ist an ihrer schweren Krankheit erlegen.“
Ilaria zog sich der Magen zusammen. Schockiert schaute sie zum Monarch hinüber.
„Ist das wahr? Es muss sich dabei um einen Scherz handeln oder?“
„Ich fürchte nicht.“
Sie wollte es nicht wahrhaben, aber anscheinend schien es zu stimmen.
„Mein herzliches Beileid.“ sagte sie während sie mit tränenerfüllten Augen auf den Boden schaute.
„Ich danke ihnen, mir ist aber bewusst das es auch ein großer Verlust für sie ist. Schließlich war sie eine gute Freundin von ihnen. Demnach spreche auch ich mein herzliches Beileid an sie aus.“
Wieder herrschte diese unangenehme Stille.
„Darf ich ihnen eine persönliche Frage stellen, Frau Remus?“
„Natürlich mein Herr.“ antwortete sie und schaute zu ihm auf.
„wenn sie eine Stadt leiten würden, was wären ihre Prioritäten? Was wäre ihnen wichtig?“
„Nun, ich würde mich um Felder und Ställe kümmern, damit die Nahrungsversorgung besser ist. Danach würde ich Häuser bauen lassen, damit die Bevölkerung zunimmt. Damit die Stadt auch harmonisch miteinander leben kann würde ich mich um Berufe und feste kümmern, um Armut zu verhindern. Ebenso wären Bündnisse um die militärische Kraft zu erhöhen angebracht. Ich persönlich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass ich jemals eine Stadt leiten werde. Aber warum genau fragen sie mich das mein Herr?“
„Diese frage hat keinen genauen Grund, aber ich muss sagen, ich bin positiv überrascht von ihrer Vorstellung. Sie würden auf jeden Fall eine gute Stadtherrin abgeben.“ entgegnete er lächelnd.
„Ich danke ihnen.“ sagte sie und schaute zurück auf den Boden.
„Wenn sie mich entschuldigen würden, ich werde jetzt die Beerdigung für meine Frau planen. Ich danke ihnen für das Gespräch.“
Er wendete sich von ihr ab und lief zurück in den Palast, während Ilaria das Gespräch erst einmal verarbeiten musste.


Tage vergingen und die Nachricht vom Tod der Monarchin verbreitete sich durch das gesamte Land. Beatrix Evergarden wurde wie es der Monarch bereits gesagt hatte beerdigt. Es kamen viele Leute vom ganzen Land her um sich von ihr zu verabschieden.
Während die Menschen sich langsam von dem Verlust der Monarchin erholten, hielt die Trauer des Monarchen jedoch weiter an. Alles an Minga erinnerte ihn an sie, die Gänge im Palast, die Wege von Minga und noch vieles mehr. Er beschloss dass sich etwas ändern musste also machte er sich auf die Suche danach.
Der Tagesablauf im Leben von Ilaria hatte sich allmählich normalisiert, doch auch sie dachte viel über den Tod von ihrer Freundin und die Zukunft nach. Um sich nach ihrer Arbeit etwas auszuruhen, spazierte sie durch die Straßen von Minga. Sie erinnerte sich an die wunderbare Zeit zusammen mit Beatrix und besuchte gern die Orte wo sie sich am liebsten getroffen hatten. An jenem Abend spazierte sie wiedermal durch die Straßen Mingas und sah am Rand der Straße ein paar Blumen, die sie pflücken wollte. Sie waren zufällig die Lieblingsblumen ihrer Freundin gewesen. Als sie sich vorbeugte um sie zu pflücken, bemerkte sie, wie der Monarch auf seinem Pferd die Stadt verließ.
Sie fand es merkwürdig, da es bereits sehr spät am Abend war. Wenig später lief sie mit den gepflückten Blumen zurück nach Hause und stellte diese in ihren Laden.
Tage vergingen wie im Flug und Ilaria bemerkte immer wieder wie der Monarch nachts die Stadt verlässt und kurz vor Sonnenaufgang wieder zurückgekehrte. Dennoch fragte sie nicht nach wohin er jede Nacht verschwand, da es sie nichts angeht und er mit Sicherheit seine Gründe dafür haben muss. Eines Abends ritt er früher los als sonst und bemerkte Ilaria, er schaute sie mit einem ernsten Blick an und verschwand durch das Tor. Sie fand diese Begegnung äußerst merkwürdig und lief weiter durch die Straßen.
Am folgendem Morgen öffnete sie wie immer ihren Laden und bediente ihre Kunden. Als sie am Vormittag dann eine Pause einlegte um ihre Post hineinbringen, bemerkte sie einen Brief, der anders war als die anderen. Als sie ihn sich näher ansah bemerkte sie das es sich um einen Brief vom Monarchen handelt. Aber warum sollte er ihr einen Brief schreiben, wenn er sie nach einem Gespräch bitten kann? Sie öffnete den Brief und der Inhalt versetzte sie in Schock.

„Ilaria,
ich hätte sie um ein Gespräch bitten sollen, aber ich fürchte das das nicht mehr funktionieren wird.
Ich bin ehrlich mit ihnen, ich wusste bereits das sie bemerkt hatten, dass ich Minga nachts verlasse. Die Wahrheit ist, ich halte es hier nicht mehr aus, alles an Minga erinnert mich an Beatrix und ich kann sie einfach nicht loslassen. Deshalb habe ich einen Weg gesucht um Minga hinter mir zu lassen.
Der Grund weshalb ich ihnen diesen Brief schreibe ist folgender, ich habe Minga verlassen und mich mit einer kleinen Gruppe auf den Weg gemacht, außerhalb des Landes Forschungen zu betreiben.
Dies bedeutet auch, dass ich bereits weg bin, wenn sie diesen Brief lesen.
Sie fragen sich jetzt bestimmt, warum ich ausgerechnet ihnen den Brief schreibe und wie es mit Minga weiter gehen wird. Nun, erinnern sie sich an das Gespräch was wir hatten am Todestag von Beatrix? Ich habe sie gefragt was sie machen würden wenn sie eine Stadt leiten würden. Ihre Antwort hatte mich sehr überrascht. Sie haben sofort an das Volk gedacht und nicht gezögert ihre Meinung zu sagen. Ab diesem Moment wusste ich, dass sie die richtige sind, um so eine Aufgabe zu übernehmen.
Andererseits muss ich mich bei ihnen entschuldigen, ich habe sie was das anging angelogen. Diese Frage war eine Art Test um zu schauen wer geeignet ist um eine so große Aufgabe zu übernehmen. Dies bedeutet auch, das ich schon längere Zeit daran gedacht hatte Minga zu verlassen.
Was hat das jetzt mit ihnen zu tun? Nun, da ich mein Amt bereits an jemanden übergeben hab wird Minga hoffentlich unter guten Händen weiterbestehen. Ich habe mich dazu entschieden Minga an einen treuen Untergebenen zu übergeben, der lange Zeit wichtige Ämter übernommen, und pflichtbewusst erledigt hat. Somit hoffe ich das sie dieses Angebot annehmen werden und Minga unter ihrer Hand wachsen kann.
Ich entschuldige mich noch einmal, sie mit solch einer Aufgabe zu überraschen war nie meine Absicht gewesen. Wenn es einen anderen Weg geben würde, hätte ich sie nicht mit so etwas belästigt.
Ich habe ebenfalls bereits mit meinen wachen gesprochen, wenn sie dieses Angebot annehmen, ist bereits alles geplant für ihre Machtübernahme. Sie brauchen sich also keine Sorgen machen.
Hiermit werde ich mich von ihnen verabschieden und bedanke mich, das sie Minga immer treu geblieben sind und sich für den Freistaat eigesetzt haben.
Lang lebe der Freistaat, lang lebe die Monarchin.

Gezeichnet, Vincent Wenzel“

Sie legte den Brief vor sich hin und wusste nicht was sie machen sollte. Der Monarch hatte die Stadt verlassen und jetzt sollte sie Minga übernehmen? War sie überhaupt in der Lage Minga zu übernehmen? Viele Fragen stürmten durch ihren Kopf. Als Kundschaft den Laden betrat und sie aus ihren Gedanken riss.
Abends machte sie sich wieder auf dem Weg durch die Stadt zu laufen. Sie verarbeitete das was am Vormittag passiert war und dachte über das Angebot des Monarchen nach. Sie setze sich auf eine Bank und fragte sich, was passieren würde wenn sie dieses Angebot nicht annehmen würde. Wird es Minga dann nicht mehr geben? Sie hatte Zweifel daran, dass sie es schaffen würde, doch sie sah es als ihre Pflicht an diese Stadt weiterhin aufrechtzuerhalten. Dem Volk zuliebe.
Am nächsten morgen lies sie ihren Laden geschlossen und machte sich auf den Weg zum Palast, wo sie bereits erwartet wurde. Sie nahm das Angebot an, wenig später folgte dann die Zeremonie.

5 „Gefällt mir“