Wir schreiben das Jahr 1102. Erstaunlich, dass nur zwei Jahre vergangen sind, denn in dieser Zeit hat sich das Leben von Caitlyn und Edward in eine Richtung entwickelt, die sie niemals erwartet hätten.
Zwei Jahre zuvor…
Die Höhle war einst das Zuhause der Crew der Schattenwölfe. In Ruhe lebten sie dort, bauten Häuser an den Felswänden und bewirtschafteten ihr eigenes Land. Doch eines Tages trafen sie auf zwei Fremde. Bis zu diesem Moment hatten sie geglaubt, allein in ihrer eigenen Welt zu existieren. Die Spanierin, die zu den Fremden gehörte, zeigte dem Käpt’n die Außenwelt.
Es waren skurrile erste Begegnungen mit den anderen Völkern, insbesondere mit den Zwergen und den rätselhaften Orks. Doch am meisten faszinierten Käpt´n Edward Macbeth die Elfen. Viele von ihnen waren weise und belesen. Obwohl Edward sein Leben lang gestohlen, zusammen mit Caitlyn einen König zu Fall gebracht und mit seiner Crew einen Söldner besiegt hatte, zeigte er ein unerwartetes Interesse an der Wissenschaft. Seine Schwester, die sich der Medizin verschrieben hatte, vermittelte ihm einige Grundlagen. Doch während sie ihre Fähigkeiten im Brauen, Gerben und Destillieren vertiefte, entwickelte sich Edwards Interesse in eine andere Richtung.
Die kommenden Monate waren turbulent. Edward nutzte seine alten Talente zur Tarnung, jedoch nicht mehr im Schatten, sondern in der Öffentlichkeit. Er nahm eine neue Identität an: Ronan, ein sanftmütiger Medicus. Ein starker Kontrast zu Edward, der draufgängerisch und schlagfertig war.
In dieser Rolle lernte er eine Frau kennen: Erasmineá aus Theonopolis. Eine großartige Geschichte nahm ihren Lauf. Doch Edward wurde in Theonopolis gefangen genommen, verdächtigt, mit einer Hexe verbündet zu sein.
Nach seiner Befreiung gestanden sich Erasmineá und er ihre Liebe. Doch dann folgte ein schwerer Moment: Ronan offenbarte ihr seine wahre Vergangenheit – die eines Räubers, eines Piraten. Doch ihre Liebe überwand die Mauer aus Lügen, und die Zeiten wurden besser.
Ein Ring, ein Spion
Zum Sonnenaufgang führte Edward Erasmineá durch die Wälder der Insel Sgúdan, zeigte ihr die dort lebenden Tiere und brachte sie schließlich zu einem kleinen Fleck an der Steilküste, überdacht von den dichten Blättern uralter Bäume. Nur sein treuer Hund war Zeuge, als Edward sich vor Erasmineá niederkniete und ihr die Frage aller Fragen stellte.
Obwohl er in ihrem Beisein immer Edward war, blieb ihm die Identität von Ronan erhalten. In der Welt außerhalb musste er die Tarnung aufrechterhalten. Nur wenige kannten sein wahres Ich. Die Valysar wusste es und nutzte lange Zeit seine Fähigkeiten als Spion.
Der Zerfall
Edward war glücklich. Er bildete sich weiter in der Medizin und freute sich darauf, endlich das wahre Glück gefunden zu haben. Doch dann folgten die Hiobsbotschaften.
Seine Crew war entweder in einem Sturm untergegangen oder hatte Sgúdan für immer den Rücken gekehrt. Die einst lebendige Höhle lag nun still und verlassen da. Dann kam eine Katastrophe über Vinyamar, die das gesamte Volk zur Flucht zwang. Edward verlor mächtige Verbündete. Und schließlich verschwand auch Erasmineá spurlos.
Verzweifelt suchte er in allen Ländern und Städten nach ihr – doch ohne Erfolg. Mit jeder verstrichenen Woche lastete die Trauer schwerer auf ihm. Er und Caitlyn ließen sich in der Hauptstadt Xantia nieder. Caitlyn bewirtete dort eine Taverne, während Edward als Medicus arbeitete.
Erasmineá mochte verschwunden sein, doch aus seinen Erinnerungen würde sie niemals verblassen. Er glaubte nicht daran, je wieder eine Frau wie sie zu finden. Es fühlte sich für ihn an, als wäre ein Teil von ihm - ein Leben - zerfallen.
Der Ball
Irgendwann erhielten Caitlyn und Edward eine Einladung zu einem Ball. Dort tanzten die Paare ausgelassen in Kreisen. Edward jedoch blieb am Rand, beobachtete das Geschehen. Selbst Caitlyn hatte eine Verabredung – einen Mann, an den sich Edward wohl erst gewöhnen musste.
Dann sprach ihn eine Elfe an. Ihr langes, weißes Haar fiel in sanften Wellen über ihre Schultern, und ihr Kleid war für eine Bürgerin bemerkenswert prunkvoll. Sie forderte ihn zum Tanz auf.
Sie kam ihm seltsam vertraut vor. Erst später erfuhr er, dass sie eine Valyrianthi ist, eine der letzten, die noch in Eldoria geblieben waren. In den folgenden Tagen trafen sie sich immer wieder. Auch sie fand heraus, wer Edward wirklich war, und er vertraute ihr schneller, als er es je für möglich gehalten hätte. Ihre Anwesenheit gab ihm einen Teil zurück, den er mit Erasmineás Verschwinden verloren hatte.
Neuanfang
Später segelte Edward auf einer Jungfernfahrt mit seinem neu reparierten Schiff. Er kam in einem Dorf im Westen an, dessen Bewohner ihn herzlich empfingen und ihm anboten, sich dort niederzulassen. Nach reiflicher Überlegung nahm er das Angebot an und zog mit Caitlyn dorthin.
Er erhielt sogar ein Hospital, in dem er seine Arbeit als Medicus fortsetzen konnte.
An einem Abend stand er an der Küste und blickte hinaus auf den Horizont. Im Hintergrund schwimmt sein Schiff, dass ihn schon an die hintersten Ecken der Welt brachte. Niemals hätte er erwartet, sich einmal in dieser Lage zu befinden.
Er war nicht mehr nur Pirat oder nur Medicus. Er war beides. Zwei Identitäten, zwei Leben, vereint zu einem neuen Selbst.
Fortsetzung folgt…