Das Ritual der verlorenen Wellen (Halloween- Event)

Wilde, unebene Schritte hasteten am Strand entlang, ihr Keuchen übertönt von Wellen, die ihre Spuren im Sand im selben Moment verschwinden lassen, wie sie ihres Weges liefen.

„Geh nicht.“, rief die Dame hinter ihm, ihr Ton angehoben, doch lag eine Wärme in ihnen, als wäre es nicht vollständig ernst gemeint. Sprachen ihre Augen jedoch eine andere Sprache, die an den breiten Schultern, den im salzigen Meerwind zerrenden Kapitänsmantel entlang glitten.

„Valeria-”, erwiderte die Stimme dumpf und stur weiter in die Richtung, in welche er stampfen tat, die dunklen Augen zielgerichtet auf den Steg in naher Ferne gerichtet. Auch sein Ton trügerisch, lag in ihr eine Sänfte, die sich nur ihr gegenüber offenbarte. Ihr Name genügt, um sich in einer weichen, sicheren Koje aufzufinden, die seine weiteren Worte ihr eröffneten. „- wird immer jemand fortgehen müssen. Die letzten Male waren es deine Schiffe, deine Abenteuer, und nun bin ich an der Reihe, dich im sicheren Hafen ruhen zu lassen.”

Sie schnaubte hinter ihm, stur und unzufrieden, auch wenn ihre Mundwinkel nach oben zuckten. Zügelte sie ihre Schritte, die Hand auf ihren Kapitänshut gepresst, als ein Wind ihn mitzunehmen drohte. „Die Wellen sind unruhig.”, erwiderte sie mit einem Blick hinaus, als beide langsam den vorerst ruhigen Steg betraten. Schliefen ihre Leute um diese Zeit seelenruhig, unwissend, was Valeria und Leif planten – oder zumindest einer von beiden.

„Sie sind nicht unberechenbarer als all die anderen Male.”, meinte er zügig, eine Sekunde zu schnell, und bevor sie anklagend den Finger auf ihn richten würde, mit der Anschuldigung, dass seine Planung töricht sei, wandt er sich ihr entgegen. Ein warmes Lächeln auf dem unrasierten Gesicht reichte ihr auf eine ungewohnt galante Weise die Hand –  würde ihr sanft den Weg auf dem Steg mit ihm als Stütze erleichtern.

Die Lippen zusammengepresst, schnaubte die sonst imposante Seefahrerin nur. Beide gleichauf, ihr Schritttempo deutlich zögerlicher, als wollten sie nicht, dass dieser gemeinsame Moment endet. „Ich habe etwas für dich.”, brach er zunächst die Stille, seine freie Hand, seit er den Steg betreten hatte, in den Untiefen seiner Manteltasche versenkt. „Da ich weiß, dass deines den Geist aufgegeben hat, seit Öl in die Öffnungen eingedrungen ist..”, und deutete mit einem sanften Kreisen des Daumens an der Seite ihres Zeigefingers an, mit ihm stehen zu bleiben.

Ihr mit dem Kinn angedeutet, die freie Hand zu heben, legt er nun sein Fernglas hinein. Ist es ein Objekt, welches in die Jahre gekommen ist, mit Benutzerspuren und einer verblichenen, eingedellten Bronzefassung, wo es gehalten wurde.
Ein Stück Geschichte, unendliche Abenteuer und das Symbol ihrer Zuneigung und Treue, welches nun in ihrer Hand lag.

Ungläubigkeit lag in ihren Augen, als diese über das allzu bekannte Fernglas glitten und ihr Kopf schnellte zu dem Seinen hinauf.

War er natürlich darauf vorbereitet. „Wir haben genug andere herumliegen, allesamt ungenutzt.”, versicherte er ihr. Natürlich kannte sie diesen Fakt wiederum, und ihre Augen funkelten ihm fragend entgegen.

Aber warum deines? Warum nicht einer der Unzähligen, die ihren Nutzen nicht wahrnehmen können?

Ihren Blick mit dem eigenen, Undurchdringlichen erwidert, legte er seine Hand um die ihre, festigte ihren Griff um das Fernrohr.

Den Kopf herab gesenkt, kniete er fast vor ihr, die Hand und Augen nun auf ihre Hände fokussiert. Hielt er weiterhin mit einer ihrer Hand, schien er keine Anstalten zu machen, sich jemals von dieser zu lösen. Verschränkte stattdessen die Finger mit ihren, während seine rauen Fingerspitzen die Form ihrer Finger nachzeichnen.

Ein unausgesprochenes Verstehen, was zwischen beiden surrte, als sie für diesen Moment jegliche Worte in die Tiefe ihrer Gedanken sinken ließen, stumme Akzeptanz für das, was anstehen wird.

Ein Hauch von Kuss, welcher sich auf ihren Fingerspitzen wiederfand, eine Versiegelung eines Versprechens, dessen Wärme bis hin zu ihrem gemeinsamen Fernglas glitt und gänzlich davon eingenommen wurde.


„Um es kurz zu halten. Wärt ihr in der Lage, mir in solchen Umständen helfen zu können?”, erklärte der vom Wind verwehte Rotschopf in einem gezwungen-ruhigen Ton ihre Lage.

Hatte sie aufgehört, die Tage zu zählen, seit sie Anker in Exulor angelegt hatte. Aufgehört, die Sonne untergehen zu sehen, und der Blick schon längst fortgewandt, als der Mond tiefe Schatten fremder Schiffe über das Meer zog.

War er fort.

Sie wartete nicht mehr, badete sich nicht länger in närrischer Sicherheit des Versprechens, doch das Fernglas war weiterhin trügerisch warm in der Tasche ihres Mantels. Das Einzige, was von ihm zurückblieb.

„Wie könnte ich solch eine Bitte ablehnen?”, surrte die ihr gegenüber sitzende Dame lächelnd, die mit den spitzen Nägeln durch das pechschwarze Haar fuhr.

„Werden wir erscheinen an dem besagten Tag, wo der Mond die Meere in einem Blutrot taucht.”, meinte sie fest, sich vom Stuhl elegant erhoben. Die Augen herabgerichtet, schien der Ausdruck in Unleserlichkeit versunken zu sein.

Erkannte Valeria den Ausdruck, kannte diesen nur allzu gut von ihm, glich es einem Schlag in die Magengrube, der jegliche Luft aus ihren Lungen presste. Sie schaffte es, ein schwaches Lächeln aufzusetzen, ihre Augen von ihr abzuwenden. Die Sorge, man könnte aus ihnen mehr herauslesen, als es ihr lieb war.

„In Kürze werdet ihr eine Liste erhalten. Diese enthält die Objekte, welche für das Ritual benötigt werden. Es eilt. Stellt dennoch sicher, dass ihr diese allein vorbereitet.”, glichen die Worte beinahe wie eine Warnung, Valerias Augen schellten zu denen der Dame zurück. Würde sie ihren Mund öffnen, schien es ihr, würde sie all die bisherigen Mühen auf die tiefsten Gründe im Meer sinken lassen, all das Ungesagte, was in ihr schlummerte, wie ein ungeheures Monster erwachen.

Sie nickte nur, ihr Kinn stolz angehoben. Flimmerten die wilden, ungezähmten Locken wie hungrige Flammen um ihre erhabene Gestalt, den Blick von ihrem Gast abgewandt, den Unterkiefer sichtlich angespannt. So sah sie ihr nicht einmal nach, als sie sich stumm verbeugte und den Raum verließ, um ihren Gleichgesinnten von dem anstehenden Mond zu berichten.

Doch ungleich im Raum schenkte der dunkle Schleier vor ihrem Antlitz, als sie innerhalb ihres  Zirkels stand, eine Ebene an Ehrlichkeit, die Valeria verborgen blieb.

War es die Unsicherheit, ob es ihnen gänzlich gelingen würde, ihren verlorenen Seefahrer vom Mann für ihre persönlichen Zwecke, für die unausgesprochenen Worte zwischen ihnen, unter den Lebenden weilen zu lassen.

Folgte nur ein sachtes Zucken mit den Schultern, die Finger, die an der Haube züpfelten, als ihr Blick durch den Schleier über die Anwesenden glitt. „Wir werden sehen, was für Türen sich schließen.. und wiederum welche sich öffnen. Schließlich..”, und ihr Oberkörper fiel zitternd nach vorne, als müsste sie ein gellendes Gelächter zurückhalten, ihr folgender Ton bitterkalt. „...ist Gnade an den Lebenden verschwendet, die Untoten sind bei weitem Gefügiger.", für welche Aussage sie tobenden Applaus und begeistertes Gelächter erhielt.

Elf, Zwerg und Mensch, welche sich dort versammelt hatten, siegestrunken an dem Gedanken einer Auferstehung, welche unter dem blutigen Mond für und von ihnen orchestriert werden sollte.

Hatten unartige Ohren an den schweren Holztüren zu Valerias Zimmer gelauscht, und noch bevor die Hexe aus dem Zimmer treten konnte, eilig davon entfernt.
Blieben solche Informationen selten unter sich, so wussten bald vom Bäcker bis hin zum Schmied und wiederum bis hin zu den Spielleuten, was zum baldigen Mond geschehen würde.

Keine einzige Seele wirkte überrascht. Ergänzte der Bäckermeister, während er seine mehligen Hände am Kittel säuberte, dass er in den frühen Stunden die Seefahrerin oft am Steg sah, den Blick hinaus auf das Meer gerichtet, und die Spielleute sinnierten darüber, dass die Händlerin sich täglich blicken ließ, nach Pergament und Feder fragte. Was folgte, waren Gespräche im Türrahmen, in welchen sie zwar immer wieder anmerken tat, dass sie nun eilig fort musste, doch in den Momenten der Eile die wortgewandte Menge nach Ausdrucksmöglichkeiten ausfragen tat.

Dachten sich diese nicht viel dabei in den Momenten des Geschehens, doch nun wurde ihnen bewusst, dass sie wohl Briefe an ihn schreiben tat. Ihn von den neuesten Geschehnissen informierte, schimpfte und doch stolz auf das, was um sie herum errichtet wurde. Unausgesprochene Wärme zwischen den Zeilen wäre für ihn reserviert, wenn er nur zu ihr zurückkehren würde.

Niemand sprach es weiter an, schien alles gesagt zu sein.
Schwiegen sie allesamt, fügten sich den Alltäglichkeiten ihrer Berufe und ihren freizeitlichen Beschäftigungen zu, doch als die Glocken zur Abendruhe lockten, und die Stadt in Dunkelheit versank, schlichen sich jede Nacht zahllose Bewohner gen Westen, die Ebenen hinauf, bis sie beinahe in übereiligem Tempo den Vulkan erreichten.

Unter den Ruinen freigelegt, befand sich ein furchtbar trister Ort, durchzogen von unleserlichen Gräbern und makabren, grauen Bäumen, die mit sanfter Pflege blutrote Lianen zu sprießen begannen.

Vermochten sie zwar keine Schriften zu diesem Ort gefunden zu haben, doch war ihnen bewusst, dass Valeria diesen Ort für das besagte Ritual gewählt hatte. War sie die Erste, die Hand anlegen tat, die bemoosten Ritualstellen reinigte und Wege und Bänke freilegte.  

Gewann der Ort dank Valeria und ihren nicht allzu geheimen Helfern immer weiter an Farbe, doch auch weiterhin verstanden die Bewohner nicht, warum solch ein bedrückender Ort von ihr ausgewählt wurde.

Bis sie den Ritualplatz betraten. War es nicht der Ort an sich – auch wenn sie ihn gemeinsam in seiner alten Schönheit restaurierten, bis sich Blasen an den Fingern bildeten. Mit einem Eimer eiskaltem Wasser bewaffnet, um in einer Verschnaufpause die wunden Finger zu kühlen, ließen sie ihren Blick über das Plateau wandern.

Öffnete sich vor ihren Augen meilenweit das Meer, dunkel und stolz, doch von ihrem erhöhten Standpunkt umso einnehmender, als sie verstanden, wie.. klein sie doch waren, umgeben von dem kalten, salzigen Riesen. Der Blick Valerias, Seefahrerin im Blute, war es eine Gewohnheit, das Meer zu begutachten.

Doch von hier betrachtet sie es nur, ihr Blick trotz all der Jahren weiter suchend.
Angelehnt an die blutrote Umzäunung, umgeben von den wilden Lianen, erhielt sie den bisher besten Ausblick auf das unendliche Blau, was ihr so viel gegeben hat, doch auch gleichzeitig entriss, was sie als ihr Leben betrachtete.


Die Nacht in sanften Nebel getaucht, glitten maskierte Wesen unterschiedlicher Ecken und Nischen hervor, ihre Gesichter allesamt von Masken oder Schleiern verdeckt, um ihre Identität zu ihren alltäglichen Berufen sicherzustellen.

Drückte eine Dame zielsicher, wenn nicht sogar etwas irritiert, jede einzelne Person eine blasse Kerze in die Hand – das Licht ein trostloser Hoffnungsträger, da das blutrote Licht des aufsteigenden Mondes alles andere überschatten tat.

Knappe, doch recht bedeutungslose Grüße wurden verteilt, indem man sich zunicken tat oder gar verbeugte. Doch die Anspannung war in der dünnen Luft vor dem Vulkan kaum zu übersehen, als Augen den Anderen misstrauisch beäugten. Freund oder Feind könnte unter der Verdeckung stecken. Am Tage drückt man dem Anderen sein feinstes Messer an die Kehle, während die Nacht von unendlichen Möglichkeiten innerhalb des Zirkels geprägt wurde.

Bevor man jedoch den Gedanken weiter bespaßt, den anderen die Maske zu entwenden, ihr wahres Gesicht zu erblicken, klatscht die Dame wenige Male in die Hände, das Hallen innerhalb des abgelegenen Ortes nicht zu überhören. Scheuchte sie wenige Krähen auf, die sich in Eile von dem verdorbenen Ort entfernten.

„Freut es mich, dass ihr alle es an dieser sonderlichen Nacht hier zu uns geschafft habt", begann sie in einem süßlichen Ton, während sie sichtlich gelassen zwischen den Herrschaften hindurch trat, scheinbar die Spitze bilden wollte.

„Euch allen ist bewusst, aus welchem Grund ihr euch hier versammelt. Haltet eure Kerze gut fest, werden wir die jämmerliche Grenze zwischen dem unseren Reich und dem der Toten ein weiteres Mal aufbrechen..”, erinnerte sie in einem nun weniger aufgesetzten Ton und hob dabei selbst ihre Kerze leicht an.

Ihre bereits schwer erkennbare Miene nun komplett durch das Licht auf dem Schleier verzerrt, könnte man vermeinen, dass sie in diesem Moment die letzten Züge ihres irdischen Seins verlor.

„..und alles dafür tun, den besagten Seefahrer in unsere Reihen willkommen zu heißen.”, merkte sie an, die Worte härter betont als zuvor, den Kopf einer gesonderten Dame zugerichtet, dessen roter Zopf zahmer als sonst über ihren Schultern hing.

Wie auf Kommando trat die betrachtete Dame näher, würde die ersten Schritte gemeinsam mit ihr erklimmen, die Kerze bereits angehoben. Stur schenkte sie keinem nur einen einzigen Blick, als wäre alles von Bedeutung an dem Ritualtisch hängend.

Stattdessen wandt die Dunkelhaarige den Kopf zu den Anwesenden, deutet eine Geste an. „Hebt die Kerze in eurer Hand an, um den Geistern den Weg zu uns zu erleuchten. Mögen die Damen die Spitze bilden, gefolgt von den Herren, um gemeinsam den Ritualort zu betreten, den Kreis zu schließen.”

Erklommen beide Damen die dunklen Stufen, während die restlichen Anhänger sich in Reihen an den Stufen aufstellten. Die Hand mit der Kerze stets angehoben, spendeten sie kaum Licht in dem dichten Nebel. Kroch ein ungewohntes Gefühl den Rücken der Beteiligten entlang, lockerten einige ihren nun viel zu eng anliegenden Kragen und hoben die Maske an, um mehr von der dünnen Luft einatmen zu können.

Doch alle Möglichkeiten waren ausgeschöpft. Das Gefühl, von einer Präsenz, die nicht aus den eigenen Reihen war, beobachtet zu werden, konnte ihr nicht entkommen.
Gierige, verschlingende Augen, die von Kopf bis Fuß an ihnen entlang glitten, ein Festmahl für ausgehungerte, verlorene Seelen. Doch die plötzlich angehobene Stimme der Seefahrerin zog die Anwesenden aus ihrem seelenzerrenden Zustand. Gebannt blickten sie zu ihr hinauf, während sie das Momentum nutzte, das ansteigende Zittern in ihrem Ton zu unterdrücken.

„Um  ein  Leuchtfeuer  für  die  von  uns  Gegangenen  zu  erschaffen  und  sie  zu  uns  zu  leiten..”, begann sie zu erklären, die blauen Flammen gepaart mit den roten Strahlen, tauchten sie in ein unheilvolles Purpur, verschlingen die wirren Locken, die nicht im Zopf bleiben wollten, das Licht mehr als dankbar.

„Um  den  Toten  zu  Ehren  und  Glück  für  das  folgende  Jahr  zu  wünschen.”, kamen ihre Worte beinahe mahnend über die Lippen, als würde sie die blutrünstigen, ehrlosen Pläne des Zirkels, den sie angeheuert hatte, unausgesprochen verstehen, sie galant davor zu warnen, auf eigene Faust das Ritual an sich zu reißen.

„Ich  bedanke  mich,  für  Euer  Beistand  bei  diesem hoffnungsvollen Fest…
 Seien  uns  die  Geister  der  Vergangenheit gegenüber hold,  sodass  sie  uns  leiten  mögen.”, und dreht sich samt der dunkelhaarigen Hexe dem unheilvoll brodelnden Kessel zu.

Die Reihen unruhig murmelnd, während andere still in sich gingen und ihr gesamtes Sein auf die Präsenz der nicht mehr unter ihnen Weilenden konzentrierten, hob Rubina die freie Hand an, um die Menge verstummen zu lassen. Nur ihre Stimme hallte neben dem kochenden Kessel innerhalb des Ortes.

„Wir werden nun ein Stück Stein für Erde, eine  Koralle für Wasser, eine Feder  für Wind, eine Fackel für Feuer und eine Kerze für Geist in den Kessel werfen.", eilte sie mit der Erklärung, als sie zu der Seefahrerin und dann zu dem stetig wandernden Mond blickte und schließlich einmal kurz nickte.

Die Stille der Anwesenden dankbar angenommen, holte sie tief Luft und wandte sich daraufhin wieder zu den Gästen. „Erhebt nun eure Fackeln in die Luft und sprecht mir nach."

„Mit dieser Opfergabe bedanken wir uns bei allen fünf Elementen, die uns täglich umgeben. Mit diesen Opfergaben besänftigen wir jegliche zukünftige Naturgeister  und  laden die Geister zu uns ein, diesem Ritual beizuwohnen."

Von leisem Flüstern bis hin zu gellenden Ausrufen folgten die Bewohner und Mitglieder des Zirkels den Worten der Anführerin, doch war auch der Zweifel oder gar Sorge in dem Unterton einiger nicht wegzuhören.

Auch Valeria sprach den Worten der Hexe nach, wenn auch deutlich abwesender, als sie sich dem Kessel zuwandte. Mit einem energischen Schwung schob sie den Schleier aus ihrer Sicht, befreite sich von diesem, während die andere bereits einen mit Runen verzierten Sack an sich nahm, der neben dem Kessel bereits auf sie wartete.

Lauschte sie dem Unison der Worte, der in verschiedenen Tonlagen und Emotionen zu ihr emporstieg, das Zittern in ihren Händen beruhigte.
Sie löste den Knoten des Beutels, darin die Materialien, welche sie zu besorgen hatte. War sie nicht stolz auf die ein oder andere Methode, welche sie aufbringen musste, um all diese Dinge zu erhalten, doch war es nur ein Sandkorn in der Wüste der Dinge, die sie ertragen und ausharren musste.

Die Augen verschlossen, war sie ihrer Umgebung allzu stark bewusst, brauchte sie nicht ihre Sicht, um zu wissen, was geschehen würde. Über ihre zitternde Unterlippe umso lauter, fordernder führte sie das Ritual fort.

 „Oh  Geister  dieser  Welt,  und  die  Welten  darüber  hinaus!
 Nehmt diese  Opfergaben  an  und  hört  unsere  Worte."

„Dunkelheit,  so  tief  und  weit,
Bringt  mir  Licht  in  dieser  Zeit.
Feuer  der  Seelen,  leuchte  klar,
Fackel  des  Lebens,  sei  mir  nah.  
Mit  Flammen,  die  das  Schattenreich  erhellen,
Lass  die  Geister  sanft  zu  mir  gesellen.   
Durch  das  Tor  von  Nacht  und  Traum,
Entzünde  jetzt  den  lichtvollen  Raum.
Mit  diesen  Worten,  kraftvoll  und  rein,
Sei  das  Licht  mein,  sei  der  Schatten  mein!"

Ihre Finger über die jeweiligen Zutaten wandernd, ließ sie diese in den Kessel fallen. Resultieren daraus ungewöhnlich leuchtende Dämpfe, die ihren verschlossenen Augen verborgen blieben, doch den Anwesenden eine Gänsehaut bescheren.
Die gemeinsamen Kerzen knistern, die Flammen unruhig, als würden sie jemanden erwarten. Deutet die Dunkelhaarige den Anwesenden an, ihre Kerzen zu senken.

Als die Seefahrerin auch die letzte Zutat in den Kessel warf, war ihr Ton für den Moment ausgelaugt. Als sie ihre Seele aus dem Leibe mit diesen Zeilen sprach, öffnete sie ihre Augen, geblendet von einem kalten, blauen Schimmer.
Die bisher kalten Laternen, die in den Lianen des Magie durchtränkten Baumes hingen, leuchteten nun hell auf, ein Raunen, das durch die Reihen ging, als die Köpfe sich der Lichterpracht entgegenstreckten.

„Das Leuchtfeuer ist geschaffen. Die Toten erreichen die Welt der Lebenden.", stellte sie deutlich ruhiger als zuvor fest, bevor ihr Blick gen See glitt.Murmelte sie leise, ihre Lippen aus der Distanz zu den anderen kaum lesbar. „Es hat noch nicht gereicht...", weswegen sie mit einer energetischen Bewegung beide Arme ausstreckte und einen weiteren Zauber über den Kessel aussprach.
Ihr Ton laut, doch nicht ganz ein Schrei, als ihre Worte hart über die Zunge glitten, den Blick in regelmäßigen Abständen zum Mond und dann zum Meer gerichtet.

„Im  Dunkel  der  Nacht,  bei  Mondenschein,
Rufe  ich  die  Geister,  sei  ihr  Ruf  mein.
Weiten  des  Meeres,  wo  die  Wellen  tanzen,
Erscheine,  oh  Schiff,  aus  der  Schattenkranzen.  
Mit  Nebel  und  Sturm,  durch  die  Zeit  entflohen,
Bring  mir  die  Seelen,  die  einst  sind  verrohen.  
Die  Anker  der  Furcht,  die  Segel  aus  Trauer,
Erscheine  vor  mir  in  dem  Schicksal  Bauer.
So  sei  es  gewollt,  durch  die  Elemente,
Erwecke  das  Schiff  seinem geisternden Ende
Kommt  her,  o  Gesellen,  aus  der  tiefen  Nacht,
Lasst  mich  sehen,  was  verborgen,  in  düsterer Pracht."

Ließ die Hexe sie in aller Ruhe aussprechen, bis auch das letzte Wort im Ort niederhallt, bis sie selbst zu reden beginnt. „Mit den weiteren Opfergaben rufen wir euch Geister. Sucht unsere Welt. Sucht das Tor zu uns!”
Knapp nickte sie der Seefahrerin zu, die auch ihren Blick bereits aufsuchen tat, mit ihren folgenden Worten weitere Objekte zu dem Gebräu ergänzt.

„Mit den weiteren Zutaten.. Seetang, Nautilusschale, Prismarinscherbe und den Schädel eines  toten  Seefahrers  erhoffen  wir  uns,  dass  ihr  uns  findet!"

Lösen sich auch die letzten Zutaten im Kessel in unendliche kleine Partikel auf, die Dämpfe in allen möglichen Farben aufsteigen. Blieben die Blicke der Versammelten jedoch nicht für allzu lange Zeit auf diesen, als ein ohrenbetäubender Donner sämtliche Augenpaare hinaus auf das in blutrotem Nebel getauchte Meer blickten.
Schlug nur wenige Momente später ein gellend heller Lichtblitz inmitten des Wassers ein, spaltete den Nebel, um einen Blick auf das dunkle Nass zu ermöglichen. In nur wenigen Momenten – möge man es verpassen, wenn ein jeder nun Blinzeln tat, dass sich ein unheilvolles Portal öffnete, dessen Rahmen halb im Wasser versank.

Hielten alle ihren Atem an, blinzelten einige, da die Maske ihnen die Möglichkeit nahm, sich über die Augen zu reiben, und doch.. schipperte kläglich eine im grünen Schleier gehüllte Fregatte heraus.


Ein unterdrückter Schmerzensschrei entwich der Seefahrerin. Presste sie schnell genug die eigene Hand auf ihren Mund, die Augen weit aufgerissen, schien sie sich nicht satt sehen zu können. Vergessen war der Rest der Anwesenden, als sie in Trance an das Gelände herantrat, sie an diesem weit nach vorne lehnt, um ihrem Schiff und ihrem Seefahrer näher zu sein.

Wie die Hexe bereits vor ihrem Zirkel vorhergesagt hatte, schien der Zauber nicht stark genug gewesen zu sein. Waren die Toten zwar ergiebiger als die Lebenden, doch ohne genug Opfergaben und anwesenden Hexern halfen auch die willigsten Untoten nicht, um sie gänzlich zurückzuholen.  

Weich glitt ihr Blick über die Fregatte. Die Hände längst von ihrem Mund entfernt, fuhr sie mit den Fingerspitzen die Form des Schiffes nach, dessen Teile teilweise mit dem Wasser unter sich, der salzigen Luft über sich mischten, weder vollständig in dieser Welt war, noch in der Nächsten. Der Schimmer, wie ein ungezähmtes Tuch im Wind, drohte genauso schnell zu verschwinden, wie es erschienen war.

Schwere Tropfen fielen vereinzelt herab, streiften die Wange der Seefahrerin, die jedoch ihren Blick von der Sicht nicht abwenden konnte. Auch das bitterkalte Unwetter, welches alle anderen forteilen ließ, um Obdach außerhalb der Ruinen zu finden, blieb wie erstarrt. Die Kleidung nass an ihr klebend, riss sie den Schleier ab und löste die Schleife, die ihre Haare in einen geflochtenen Zopf bändigte.

Der Wind, wie ein wütender, warnender Schlag in ihrem Gesicht, sich von diesem Ort zu entfernen, fühlte sich gerade jetzt an, als wäre es die raue Hand ihrer Liebe, die ihre Wange liebkosen tat.
 Ungeachtet des Wetters glitten ihre Finger in die Tasche ihres Mantels, zog sie ein altbekanntes Fernglas hervor, blickte Tränen durchzogen hindurch . „Mein.. Leif..”, wisperte sie in die Winde hinein, würde sie ihre Worte zu ihm hintragen. „Und noch immer bist du nicht an meiner Seite.. und ich kann noch nicht bei dir sein.”

Mischten sich salzige Tränen mit den Regentropfen, der Blick gesenkt, als das schimmernde Schiff längst fort war.

„Denkt nicht..”, begann sie mit zittriger Stimme, ihr Ton eiskalt, als sie ihre Worte an die Schwarzhaarige richtete, die von allen als einzige stille Betrachterin zurückgeblieben war, den Blick jedoch nicht auf das Schiff gerichtet hatte. „..dass ich dies als zufriedenstellend anerkennen werde. War es ein.. netter Vorgeschmack, doch will ich ihn. Hier.”, warf sie ihr seelenruhig entgegen, doch in genau dieser Ruhe lag eine messerscharfe Forderung, welcher sich die Hexe nun stellen musste. Schließlich hatte sie die Bitte angenommen, nun müsste sie das Versprechen einhalten.

 

Das Schiff mit seinem Kapitän wird zurückkehren.

OOC

Wer die Ruinen der Zeiten vor Exulors aufsuchen möchte, die nun als Ritualort fungieren, mag den markierten Weg hinauf zu [-7097/ 167/ 5720] erklimmen :>

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