Das Wrack der Draugar

𝓓𝓪𝓼 𝓦𝓻𝓪𝓬𝓴 𝓭𝓮𝓻 𝓓𝓻𝓪𝓾𝓰𝓪𝓻



Eines Abends in einer Taverne von Xantia trifft ein Fischer des Elfenkontinents auf ein paar Seebären aus Exulor. Sie beginnen Geschichten über die Seefahrt auszutauschen bevor der Fischer seine gruseligste Geschichte erzählte.


Es ist sicher schon wieder vier Jahre her, als es passierte.
Wir waren bis tief in der Nacht draußen, um Krabben und Schnecken zu fangen, doch plötzlich schrie der Ausguck. Ich ließ das Netz los, drehte mich um und sah es. Die Küste der Sumpflande, die sonst dunkel vor uns lag, eine Gefahr ohne Leuchtfeuer und Türme, war mit tausenden flackernder goldener Lichter erhellt, die sich über die Küste bewegten.
Ich fragte meinen Kapitän, was bei den Göttern das sei, doch er sagte nichts, blickte nur von der Küste weiter nach draußen auf die See. Ich konnte sehen, wie er eine Gänsehaut bekam, wie er mit den Knien zu schlottern begann. Ich folgte seinem Blick und ich sah es, ich sah das Schiff. Es war aufgelaufen. Es hatte die Lichter wohl für eine Siedlung gehalten und war darauf zugekommen.
Und dann sah ich es, das, was den Kapitän, den ich als den mutigsten Menschen kennengelernt hatte, den ich je getroffen hatte, erschütterte. Eine durchsichtige blaue Gestalt tanzte um den gebrochenen Mast herum, flackernde Flammen schwebten auf dem Schiff und Schreie, Schreie von Dämonen und dunklen Göttern, hallten durch die Nacht.
Die Wellen brandeten an den Planken, als würden sie es verschlingen wollen, die Planken krächzten. Die zerrissenen Segel flatterten im Wind und die Masten hörten sich an, als würden sie jederzeit brechen. Bretter schwammen um das Schiff herum, zwischen ihnen Leichen.

Wir alle waren wie erstarrt, keiner wusste so recht, was er tun sollte, also blickten wir zum Kapitän. Doch auch er war zur Salzsäule geworden.
Erst als ich ihn an der Schulter berührte, rüttelte und nach Befehlen fragte, kam er wieder zu sich.
Er schrie, er schrie Befehle, nie hatte ich eine solche Panik in seiner Stimme erlebt. Er befahl uns, den Kurs zu wechseln, so schnell wie möglich von hier fortzufahren.
Die blauen Flammen erschienen auf unserem Schiff, ich konnte die Schreie hören und eine schemenhafte Gestalt, durchsichtig, fast unsichtbar, an unserem Mast.
Ich lief, ich lief nach hinten, riss das Ruder herum. Ich konnte hören und spüren, wie der Rumpf unseres Bootes den Boden streifte, wie wir fast auf der Sandbank aufgesetzt hätten, aber doch noch entkamen. Darauf folgte der Schrei, ein derart ohrenbetäubender Schrei, dass ich auf die Knie ging, dass wir alle zu Boden fielen. Das war das Letzte, woran ich mich erinnern konnte, bevor alles schwarz wurde.

Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf dem Deck unseres Bootes, alle anderen waren noch bewusstlos.
Die Sonne schien, der Wellengang war ruhig. Doch wir waren immer noch dort. Das Wrack lag friedlich im Wasser, ein paar hundert Meter vor uns.
Die Segel flatterten immer noch sanft im Wind. Als ich über die Reling blickte, sah ich ihn. Einen jungen Mann, ein Mitglied der Crew, das immer Wasser trieb, bewusstlos an einer Planke. Ich zog ihn heraus, als meine Kameraden wieder zu Bewusstsein kamen.
Doch der Junge, nicht älter als vierzehn, blieb bewusstlos.
Erst als wir kurz vor dem Hafen ankamen, wachte er auf.
Er war zu verängstigt, zu sprechen, er zog sich in eine Ecke zurück, umklammerte die Beine mit den Händen und wimmerte.
Erst als wir ihn an Land trugen, begann er sich zu erholen. Am Abend dieses Tages konnte er wieder reden. Und er erzählte uns, was passiert war. Sein Schiff war in den Sturm geraten, wie wir, wollte auf den Hafen, die Lichter zufahren.
Dann die Lichter, die Geister. Und als sie aufliefen, kamen die Wellen und rissen ihr Schiff auseinander. Nach und nach berührten die Gestalten seine Kameraden, und jeder von ihnen fiel noch auf der Stelle um, als kalte, bläuliche Leiche.

Meine Frau brachte den Jungen an diesem Abend ins Bett, las ihm eine Geschichte vor, damit er einschlafen und die Schrecken seiner Vergangenheit vergessen konnte. Doch als ich ihn am nächsten Morgen aufwecken wollte, war er genauso blau und kalt wie seine Kameraden. Er war tot. Ohne eine Wunde, ohne eine Krankheit. Er hielt eine Seebestattung. Seither meiden wir diesen Ort, nie wieder sind wir dorthin gefahren. Ich bin mir sicher das sie dort sind. Untote, Draugar, die andere in ihr verderben mitziehen wollen.


Die Seeleute wollten sich damit nicht zufriedengeben, sie wollten es selbst sehen, also machten sie sich mit ihrem Schiff auf. Bei Tag erreichten sie die Sandbank. Das Schiff war dort, gepeinigt von Wind und Wellen, in zwei Teile gebrochen und halb vom Sand verschluckt. Die Reste der Segel waren immer noch an den Masten und flatterten im Wind. Von den Lichtern war nichts mehr zu sehen, weder am Wrack noch an Land. Doch sie hatten nicht die Absicht, bis in die Nacht zu bleiben, um die Wahrheit herauszufinden. Doch eine Sache war komisch: Das Schiff, das angeblich die Küste angesteuert hatte, war nun in Richtung Meer ausgerichtet, als wollte es in See stechen und über die Meerenge zum anderen Kontinent gelangen. War es also doch nur eine Geschichte zu einem zufälligen Wrack, die sich der Fischer ausgedacht hatte? Oder waren hier höhere Mächte am Werk?
Als sie wieder abzogen, glaubte zumindest einer von ihnen, ein grausiges Lachen in der Ferne hören zu können.


OOC

Das Bauwerk befindet sich an den Koordinaten 3279 64 561.
Es ist mein Beitrag für das [Worldbuilding Event #4] Süßes oder Schauriges 👻🍬 - #3 von MuSc1

Quelle

KI

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