Die darauf folgende Nacht war absolut mondlos. Dichte Nebelschwaden lagen wie Drachenschwingen über den Feldern von Xantia und auch das schwarze Brett war aus 3 Metern Entfernung nicht mehr zu erkennen. Die ideale Bühne für eine unbekannte Person um eine neue Botschaft an das Brett zu nageln. Langsam näherte sie sich der Aushang Tafel. Sie war auf der Hut, denn je weiter sie sich durch den Nebel pirschte, desto höher war die Chance in eine Falle der Christen zu tappen. Als ihre Finger das dunkle Holz des schwarzen Brettes ertasteten, kramte sie aufgeregt nach einem Stück Pergament in ihren Taschen. Als sie es gefunden hatte, hielt sie es unter die Notiz von Theonopolis und drückte eine eiserne Reiszwecke in das Holz. Zu groß war die Gefahr, dass die Hammerschläge gehört werden würden. So schnell wie sie erschienen war, verschwand die Gestalt auch wieder in den unheimlichen Schatten der Hauptstadt. Die Notiz erregte erst am nächsten Morgen Aufmerksamkeit, als die ersten Bewohner sich um das feuchte Pergament versammelten:
𝔇𝔢𝔯 ℭ𝔥𝔯𝔦𝔰𝔱𝔢𝔫 𝔊𝔬𝔱𝔱 𝔰𝔢𝔩𝔟𝔰𝔱,
gab den Menschen angeblich 10 Steintafeln mit seinen Regeln, die sie zu befolgen haben. Eine dieser Tafeln verkündete folgenden Text:
„Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.“
Ich finde es bewundernswert und zugleich traurig wie es den vermeintlichen Christen dieser Lande um die Wahrheit und nichts als die Wahrheit geht. Wäre es nun einmal die Wahrheit. So vermeintlich wie die „Rechtsschaffenden“, sind auch ihre Thesen und Ansichten. So auch ihre Aussagen über die angebliche Diebin.
Die Menschen in den verrauchten Tavernen munkeln darüber, wie die „Wachen Gottes“ ihr den Zwergenbart nahmen, da sie dies als gerechte Strafe ansahen. Das macht es uns allen umso einfacher die Wahrheit in das Licht der Welt zu rücken. Und zwar die wirkliche Wahrheit und nichts als die Wahrheit.
Deswegen biete ich den tapfersten Diplomaten der „Christlichen“ Nationen sich am morgigen Abend höchstpersönlich ein Bild von Theonopolis Aussagen zu machen:
Begebt euch in die Höhle der Löwen! Begebt euch zum Tavernen Abend in Krárvalo!
Wenn es eine Gelegenheit gibt, euch von dem (immernoch) bärtigen Gesicht der, den Ahnen heilige Königin, so wie sich nennt, zu überzeugen, dann ist dies die einfachste. Doch in an betrachte dessen, wie ihr mit euren Gefangenen umgeht, möchte ich an eure heilige Schrift erinnern, liebe Diplomaten.
„Stecke dein Schwert an seinen Ort; denn wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen.“
Ihr seit nicht verpflichtet zu kommen, wenn ihr auf Gewalt nicht verzichten könnt. Es ist lediglich ein Angebot, die Lügen eurer Herrscher zu enttarnen und der Wahrheit ins Gesicht zu blicken. In ihr bärtiges Zwergen-Gesicht. Ich biete euch diese Wahrheit nicht als nassen Schwamm an, den ich euch ins Gesicht werfen will, nein seht es als warmen Mantel, der euch in der kalten, gefühlslosen und verfremdeten Natur des vermeintlichen „Christentums“ am Leben und am Lieben hält.
Desweiteres finde ich es schwach von der Theonopolianischen Führung, solch einen schwachen Konter auf meine aufgezeigten Punkte zu geben. Einfach zu sagen, meine Vorwürfe wären in Wahrheit meine Makel, ist der älteste Trick im Buch. Ich dachte ihr habt euren Intellekt von einem allmächtigen Gott? Oder eher von einem hinterlistigen Wesen, der es liebt den Menschen etwas vorzugaukeln, dem Teufel? Trotzdem respektiere ich euren Ansatz, eure unschuldige Bevölkerung zu beschützen vor den „Wölfen“ wie Ihr und Ich sie nannten. Deshalb richten sich diese Worte an die Bevölkerung von Theonopolis, sie könnten euch zum Teil bekannt vorkommen:
Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk wiederfahren wird; ihr befindet euch in Sicherheit!
Ihr habt keinen Grund zu fürchten, dass euch die bösartigen Wölfe von außerhalb anfallen werden. Wölfe meiden ihresgleichen und sie werden keinen Fuß in das größte Wolfsrevier von Eldoria setzen! Solange ihr eure Herrscher an der Macht behaltet, lauft ihr keine Gefahr auf weitere Wölfe zu stoßen. Ich warne euch lediglich davor, dass eure Könige euch zerfleischen und dieses Verbrechen, ebenfalls, als „Gottgegeben“ rechtfertigen. Sie taten es um ihre Grausamen Gräueltaten an ihren Gefangenen den Mantel der Christenheit überzuwerfen und sie werden es wieder tun. Ihr seid die Lämmer, über die der Christen Herr seine Gleichnisse erzählt. Jedoch seid ihr nicht 100 Schafe unter dem Herrn, sondern 100 Schafe, bewacht von Wölfen.
Deshalb, Bürger von Theonopolis und wahrhaftige Christen dieser Lande, ihr wisst was geschehen wird, wenn ihr jenen Sündern weiterhin eure Treue schwört, obgleich ihr von ihren wahren Motiven wisst. Merkt euch meine Worte und erinnert euch an das alte Testament. Ihr wisst wozu euer Gott in der Lage ist, wenn ihr ihm nicht gehorcht. Merkt. Euch. Meine. Worte!
~gez. Das 13. Apostel
Der Name des Verfassers scheint mit Lämmerblut, direkt an die Holzlatten des schwarzen Brettes geschmiert worden zu sein. Unter den umstehenden Bewohnern macht sich eine eine unheimliche Stille wie in der Vornacht breit. Es scheint, als seien sie hin und her gerissen, wem sie nun Glauben schenken sollen.