Tagebucheintrag
Tag des Heiligen Kreuzzeichens
Gelobt sei der Herr, der sieht, was der Mensch nicht zu fassen vermag. Heute wurde die Nachricht von Schwester Ulrikes Tod offiziell verkündet. Und obwohl mein Herz hart geworden ist durch das Werk, das ich zu tun berufen bin, spürte ich einen kurzen Stich – nicht des Schmerzes, sondern der göttlichen Ergriffenheit.
Sie war fehlgeleitet. Das wissen wir alle. Eine Frau, die dem Glauben diente und ihn doch in der Tiefe verformte – wie heißes Eisen, das in die falsche Hand gerät. Trotz der Güte, die wir ihr zeigten. Trotz der Bußangebote, der Gespräche, der Mahnungen – sie wollte nicht hören. Ihre Zunge blieb giftig, ihre Gedanken wirr.
Pater Gaudentius, ein Mann des Geistes und der Geduld, trug schwer an ihrer Seele. Und als sie exkommuniziert wurde, da hoffte ich – ja, ich hoffte! – sie würde erkennen, was sie verloren hatte. Doch selbst da, als sie auf Pilgerschaft gesandt wurde, war ihr Blick stur, trotzig, stolz.
Und nun ist sie tot. Man fand nur die Reste – Gewandfetzen, eine Kette, ein wenig zerfressenes Fleisch. Der Herr allein weiß, wie ihr Ende war. Wilde Tiere? Räuber? Orks? Oder hat sich ihr falscher Glaube in die Dunkelheit selbst gestürzt?
Ich weiß es nicht. Ich muss es nicht wissen.
Denn ich glaube: Es war die Hand Gottes. Der Herr, unser Richter, ließ sie fallen wie Spreu vom Weizen. Nicht aus Hass, sondern aus Gerechtigkeit. Nicht aus Rache, sondern weil Heiligkeit nicht mit Schmutz koexistieren kann.
Wir haben alles getan, was getan werden musste. Mehr als das. Sie hätte sich retten können. Aber sie wollte Königin eines Traums sein, den nicht Gott, sondern Stolz geboren hat.
Möge sie nun dort stehen, wo keine Auslegung mehr hilft. Wo nur Wahrheit herrscht.
R. von Hohenfels