Die gewaltigen Türen der Kirche zu Hohenfels öffneten sich mit einem dumpfen Grollen. Weihrauchschwaden stiegen auf und vermischten sich mit dem Schein von hunderten Kerzen, die wie Sterne in den steinernen Gewölben flackerten. Die Gemeinde erhob sich von den harten Bänken, als die gepanzerten Schritte Ravennas den Altarraum erfüllten. Ihr Mantel wehte wie eine dunkle Fahne, ihr Brustkreuz glänzte im Kerzenlicht, und ihr Blick brannte vor heiligem Zorn.
Sie stieg die Stufen zum Altar hinauf, legte die rechte Hand auf das große eiserne Kruzifix, das aus den eroberten Schätzen der besiegten Zwerge geschmiedet war, und verharrte in Stille. Nur das Knistern der Fackeln war zu hören. Dann sprach sie mit einer Stimme, die durch das Kirchenschiff donnerte wie ein Sturm:
„Kinder des Lichts! Brüder und Schwestern im Blute Christi!, heute führte mich die Vorsehung auf schäumendem Wasser an jenem verfluchten Eiland vorbei, das die niederträchtigen Zwerge stolz Neu Bona nennen – welch jämmerliche Anmaßung! Sie glauben, ein Name könne ihre Schande zudecken, so wie Kain sein Angesicht verbarg, als er den Zorn Gottes spürte (Genesis 4,13). Doch der Herr sieht alles, und auch ihre Gruben sind Ihm nicht verborgen.
Seht ihr, wie diese Bastarde der Tiefe in Finsternis hausen? Sie nennen ihre Löcher Hallen, doch ich sage euch: Es sind Gräber! In den Bergen verscharren sie sich selbst, während sie ihre stumpfen Hämmer auf Eisen niederführen und glauben, dies sei Größe. ‚Der Herr wird die Weisheit der Weisen zunichte machen und den Verstand der Verständigen verwerfen‘ (1. Korinther 1,19). So auch ihre sogenannte Schmiedekunst: ein Werk von Narren, wertlos im Angesicht des Kreuzes.
Ich blickte hinüber und lachte. Ja, ich lachte mit Hohn, als einer dieser bauchschweren Götzenknechte aus Neu Bona aus einem Stollen kroch, schwitzend, röchelnd, die Hände schwarz vom Schmutz. Er reckte sich ins Licht, als wäre er Atlas selbst – und doch, schon ein Wogenbruch hätte ihn wieder hinabgespült in den Dreck, zu den Ratten, die seine wahren Brüder sind. ‚Staub bist du, und zum Staub kehrst du zurück‘ (Genesis 3,19).
Und ich sprach zu meinen Männern: Fürchtet ihr diese Maulwürfe? Diese Bierleichen mit ihren falschen Götzen? Sie kennen Erz und Stein, doch sie kennen nicht das Evangelium; und ich sage euch: Ohne Christus sind sie nichts als Asche im Wind. Denn geschrieben steht: ‚Alle Götter der Völker sind nichtige Götzen, der Herr aber hat den Himmel gemacht‘ (Psalm 96,5).
O ihr Zwerge von Neu Bona! Betrinkt euch an eurem faulen Bier, schwelgt in Finsternis, betet Gold und Silber an wie Kälber im Tal Sinai – und wisset: Euer Ende ist bereitet. ‚Denn siehe, der Tag kommt, brennend wie ein Ofen; da werden alle Übermütigen und alle Übeltäter wie Stroh sein, und der kommende Tag wird sie verbrennen‘ (Maleachi 3,19). Kein Hammer, kein Amboss, kein noch so tiefer Stollen wird euch bergen vor dem Zorn des Herrn.
So segelte ich vorbei, aufgerichtet im Glanz des Kreuzes, und ich sah, wie das Wasser an den Klippen von Neu Bona schäumte, als wolle es die ganze Insel verschlingen. Da wusste ich: Gott selbst zeigt uns, dass der Tag kommt, an dem Neu Bona fällt, wie Jericho fiel unter dem Schall der Posaunen.
Darum erhebe ich meine Stimme und spreche: Herr, zerbrich ihre Hämmer, wie Du die Schwerter der Heiden zerbrichst. Herr, tilge Neu Bona, wie Du Sodom und Gomorra getilgt hast. Herr, mache ihre Hallen zu Gräbern, ihre Gruben zu Schlangenlöchern und ihre Schmiedefeuer zu Flammen, die sie selbst verzehren.
So schwöre ich: Der Tag wird kommen, an dem wir nicht mehr an Neu Bona vorbeisegeln – sondern an seinen rauchenden Trümmern, und wir werden Psalmen singen, während die Wellen ihr Totengebet sprechen.“
Als Ravenna die letzten Worte sprach, senkte sie die Arme langsam, und ein bleiernes Schweigen legte sich über die Kirche. Nur das Knistern der Kerzen und das ferne Heulen des Windes war zu hören. Für einen Herzschlag wagte niemand, zu atmen.
Dann erhob sich ein Murmeln, das anschwoll wie ein Sturm: „Amen! Amen! So soll es geschehen!“ Die Männer schlugen sich die Brust, die Frauen fielen auf die Knie, manche riefen weinend den Namen Christi. Kinder hielten sich an den Händen ihrer Mütter fest, während in ihren Augen der brennende Eifer der Eltern glühte.
Ravenna aber stand schweigend am Altar, ihre Silhouette vom Kerzenlicht umrahmt. Mit festem Griff nahm sie das eiserne Kruzifix, küsste es und wandte sich ab. Ihre Schritte hallten durch das Kirchenschiff wie Hammerschläge – und bei jedem Schlag drängte sich die Gemeinde enger zusammen, erfasst von der Wucht ihrer Worte.
Als sie die schweren Türen aufstieß, drang das kalte Abendlicht herein und mischte sich mit dem warmen Schein der Kerzen. Für einen Moment war es, als habe die Kirche selbst gezittert.
Die Gläubigen erhoben sich wie ein Mann. Manche riefen „Heilig sei Hohenfels!“, andere sangen alte Psalmen mit gebrochener Stimme, und wieder andere schworen, ihr Blut für die Sache Christi zu vergießen. Man sah Zorn in ihren Gesichtern, aber auch Tränen heiliger Ergriffenheit.