Die Monster der Meere
Kapitel 1: Die bezauberndsten Gestalten des Meeres - Die Meerjungfrauen
Die Flammen des Lagerfeuers loderten lustig, während einige Seemänner und ein junger Knabe rund herum sassen. Einer der Männer spielte ruhig auf seiner Laute, während der Junge fasziniert auf das Meer blickte. Da schien sich was im Wasser zu bewegen.
“Ich erzähle dir eine alte Geschichte, mein Junge”, fing einer der Männer an.
“Was für eine?”, der Junge sah, wie jemand, nein etwas, aus dem Wasser auftauchte.
“Eine alte Legende … über die Monster der Meere!”,
“Es sind bezaubernde Gestalten… doch gefährlich!”, der Seemann schleuderte eine Fackel auf jenes etwas, welches fauchend wieder untertauchte.
“Man erzählt sich, dass ihre Tränen alles heilen können”, traurig blickte der Junge auf die Stelle, wo noch eben die Gestalt schwamm.
“Doch wenn du ihnen zu nahe kommst, wenn du ihrer Schönheit, ihrem Gesang nicht widerstehen kannst, dann bist du Tot, mein Junge!”, der Seemann klopfte dem Jungen auf die Schulter.
“Aber…” - “Man erzählt sich vieles über die Meerjungfrauen… oder die Sirenen. Dass sie gebildet wären, Schriften sammeln und ganze Bibliotheken gefüllt hätten mit ihrem Wissen.”
“Dann sind sie nicht nur hübsch, sondern auch gebildet”, meinte der Junge erneut naiv. Die Männer lachten.
Der dritte Seemann im Bunde, welcher bisher schwieg, räusperte sich: “Wir Männer werden von ihrer Schönheit, von ihrer Anmut, von ihrer Intelligenz angezogen. Sie verführen uns, bringen uns dazu, ihnen Geschenke zu machen! Womöglich bringen sie diese Geschenke zu ihrem König.”
“Sie haben einen König?”, fragte der Junge erneut und blickte nun gebannt die Seemänner an.
“Aye. Wunderschöne Geschöpfe, gebildet und klug. Und doch so gefährlich! Ihre Tränen und ihre Schuppen sind wertvoller wie ein ganzes Schloss voller Gold!”, meinte da wieder der erste Seemann.
“Deswegen ging meine frühere Crew die Meerjungfrauen jagen. Doch… ich bin der einzige, der übrig blieb. Sie verschonten mich, weil ich singe, weil ich musiziere. Welch törichtes Schicksal!”, meldete sich da der Seemann, welcher auf seiner Laute klimperte, “Am besten fing man die Bestien mit Feuer und Netzen. Verwendete man Harpunen und tötete sie damit, waren die Schuppen glanzlos und nichts mehr wert.”
“Aber … es gibt bestimmt auch nette Meerjungfrauen!”, empörte sich der Junge. Die drei Seemänner lachten.
“Es gibt nur einen Weg, wie die Meerjungfrauen zu zähmen sind!”, erzählte da der zweite Seemann, “Eine uralte Legende. Die meisten Seefahrer halten das für Gerüchte. Denn wenn man die Bestie sah, gab es keine Überlebenden!”
Der erste Seemann sah den Jungen an: “Nun, hör gut zu, Junge. Ich werde dir die Geschichte eines Kapitäns erzählen, welcher sich in einer diesen wunderschönen, doch gefährlichen Wesen verliebte…”, Die Seemänner setzten sich wieder hin. Der Junge lauschte gespannt.
Es war ein heisser Sommer. Das Wetter auf der See war gut. Stets wehte ein Wind und half den den Schiffen voran zu kommen. Auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer gingen die meisten Seefahrer gefährliche Wege.
Und so auch ein junger, spanischer Kapitän, welcher für sein Königreich segelte und so einige versunkene Schätze suchte.
“Capitano! Land in Sicht!”, schrie der Matrose aus dem Krähennest runter. Der Kapitän zog sein Fernglas und blickte durch es hindurch. Tatsächlich, eine kleine Insel, welche nicht auf den Landkarten eingezeichnet war. “Eigenartig”, dachte sie der junge Kapitän.
“Wir rudern dort hin! Wir werden hier ankern”, der Kapitän und 15 seiner Leute ruderten mit drei Beibooten zur Insel. Als sie von den Booten sprangen, um sie an Land zu ziehen, waren sie verblüfft. Der Strand bestand nicht aus Sand oder Kiesel, sondern aus Perlen.
Gierig wie die Männer des jungen Kapitän waren, stopften sie sich ihre Taschen voll mit jenen Perlen. Doch der Kapitän blickte sich nur staunend um und ging am Strand entlang. Er kümmerte sich nicht weiter um seine gierige Mannschaft.
Plötzlich hörte er eine Frau singen. Es war der lieblichste Gesang den er je hörte. So rein, sanft und einfach nur wunderschön. Der Kapitän folgte dem Gesang und sah den bezaubernden Rücken jener Frau, welche auf einem Felsen zu sitzen schien. Sie kämmte ihr seidenes, vom Feuer geküssten rotes Haar.
“Wunderschön…”, hauchte der Kapitän und ging langsam auf die Frau zu. Sie drehte sich erschrocken um und blickte den Kapitän ängstlich an. Er bemerkte, dass sie nicht zu tragen schien, denn nur ihre langen, feuerroten Haare verdeckten ihre Brust.
Doch als er näher kam und um den Felsen trat, erblickte er ihre Beine. Nur hatte die wunderschöne Frau keine Beine, nein, sie hatte einen Fischschwanz. Fasziniert, aber auch ängstlich, blickte der Kapitän die junge Frau an. Er sah in ihre wunderschönen, azurblauen, vor Schreck aufgerissenen Augen.
“Hab keine Angst…”, sein Blick huschte auf ihren Fischschwanz, “Ich tue dir nichts”, langsam ging er näher und kniete sich auf den Felsen vor ihr: “Ich habe noch nie so etwas schönes gesehen wie dich. Wie heisst du?”
Die rothaarige Schönheit blickte ihn an und öffnete ihre vollen, roten Lippen: “Adeena”, erklang ihre glockenhelle Stimme.
“So ein schönes Wesen… so rein und lieblich. Doch was bist du?”, langsam hob der Kapitän seine Hand und ergriff die ihre. Ihre Fischschwanz glitzerte in der Sonne in tausenden Farben.
“Ich … bin eine Meerjungfrau”, antwortete Adeena und schloss die Augen, die Berührungen geniessend, “Und was… bist du?”
Überrascht blickte der Kapitän das schöne Wesen vor sich an. Noch nie hatte er von Meerjungfrauen, halb Mensch, halb Fisch, gehört. Doch mussten sie ein Geschöpf Gottes sein. Seine Lippen bebten als er ihr antwortete: “Ich bin ein Mensch… ein Kapitän.”
“Kapitän…”, hauchte das wunderschöne Ding vor ihm und strich ihm hautzart über die Wange, “bleibt bei mir…”
Der Kapitän und seine Mannschaft waren so sehr von dieser Insel verzaubert, dass sie blieben. Die Männer suchten jede Perle und füllten diese in Fässer, welche sie auf ihr Schiff brachten. Doch mit jedem Fass mehr erhielt das Schiff mehr tiefgang. Mit jedem Tag mehr verliebte sich der Kapitän mehr in das wunderschöne Wesen. Und je tiefer diese Liebe wurde, umso mehr Meerjungfrauen kamen an Land und machten den Seefahrern hübsche Augen.
Schon bald ankerten sie mehr als einen Monat vor der Insel und hatten sich sehr verändert. Das Schiff drohte zu kentern durch die schwere Last, am Strand waren fast keine Perlen mehr. Doch dies war den Seefahrern egal. Sie liebten die Meerjungfrauen.
Doch die Meerjungfrauen beobachteten besorgt, wie die Seefahrer ihre kostbaren Perlen mitnahmen. Jede einzelne Perle war eine Träne der Meerjungfrauen. Und jede dieser Perle könnte ein Leben retten. Und nun besassen diese Seefahrer alles.
Doch Adeena liebte den Seefahrer über alles. Ihr war dies egal. Sie zupfte sich eine ihrer Schuppen aus und fertigte eine Kette für ihren Kapitän an. Dieser war fasziniert von der Schuppe, denn sie glitzerte in allen erdenklichen Farben.
Als seine Männer dies mitbekamen, fingen sie an, nachdem keine einzige Perle mehr am Strand lag, die Schuppen der anderen Meerjungfrauen brutal auszureissen. Die Meerjungfrauen waren entzürnt.
Sie zogen sich zurück und überliessen die Seefahrer ihrem Schicksal. Doch liebestrunken wie der Kapitän war, befahl er, Adeena mit an Bord zu bringen. Gefangen in einem Glaskasten wurde sie an Bord gebracht. Sie weinte, schrie, flehte. Doch nichts brachte sie in ihr kostbares Meer zurück.
Doch als alle Männer auf dem Schiff waren, knarrte das Schiff gefährlich. Es sank, aufgrund der schweren Last, aufgrund der Habgier der Männer. Die Männer versuchten verzweifelt vom Schiff auf die Insel zu kommen, doch die Meerjungfrauen liessen sie nicht. Sie sorgten dafür, dass die Männer ertranken.
Der Kapitän hockte vor seiner Adeena, das Wasser bereits knietief. “Verzeih…”, sprach er zu ihr, bevor er sie sanft küsste. Er liebte als einzige seine Meerjungfrau über alles. Er hatte als Einziger die Insel nicht ausgebeutet.
“Die anderen sollen sterben… doch du wirst ewig leben”, hauchte Adeena und sobald das Wasser tief genug war, schwamm sie mit ihrem Geliebten in die Tiefe des Meeres. Durch jene Kette mit der Schuppe und ihrer Gunst, war es dem Kapitän möglich, selbst ein Unterwasserwesen zu werden…
“Und dann? Wurde er zu einem Meermann? Und sie heirateten?”, ganz gebannt hatte der Junge zugehörte. Die Männer lachten, wurden dann aber ernst, als eine Gestalt zwischen den Zelten zu ihnen trat.
“Nein, mein Junge. Er wurde etwas anderes…”, meinte die Gestalt und trat ins Licht des Lagerfeuers.
“Käpt’n!”, die Männer standen auf und blickten zur jungen Frau vor ihnen.
“Diese sternenklare Nacht eignet sich tatsächlich für ein Lagerfeuer…Komm, mein Junge… ich erzähle dir die Geschichte des Krakens”, mit diesen Worten setzte sich Käpt’n Gwen zu den Seefahrern und deutete den Männern an, sich wieder hinzusetzen.
“Die Geschichte, wie ihr zur Bezwingerin des Krakens geworden seid?”, aufgeregt blickte der Junge zum Käpt’n, welche ihn sanft anlächelte.
“Aye. Doch davor erzähl ich dir die Geschichte des Krakens.”
Quellen
Fantasy Prints — The Art of Scott Gustafson
https://twitter.com/FantasiWorlds/status/970328127753936898
(Die Verbindung der Monster der Meere zwischen der Menschenwelt & Parsifal wird später, in einem anderen Kapitel, geklärt )