Der Beschützer und die Botin des Glaubens

In jenen Tagen, als die Welt von Glauben und Zweifel zugleich zerrissen war, lebte ein edler Ritter namens Gottfried von Bouillon. Sein Name war weithin bekannt, ein Banner, das Gerechtigkeit und Gottesfurcht zugleich symbolisierte. Es war jedoch nicht nur seine Stärke im Kampfe, die ihn auszeichnete, sondern auch die Reinheit seines Herzens, das stets nach dem Willen des Herrn suchte.

Eines frühen Morgens, als der Nebel noch wie ein Schleier auf den Hügeln lag, machte sich Gottfried auf den Weg, eine Schar frommer Seelen auf der Pilgerreise ins Heilige Land anzuführen. Seine Rüstung glänzte im ersten Licht der Sonne, sein Schwert ruhte an seiner Seite, doch sein Herz war schwer von den Herausforderungen, die vor ihm lagen.

Da begegnete ihm auf einem stillen Pfad eine Frau, die eine eiserne Rüstung trug, und einen Ausdruck im Gesicht hatte, der gleichzeitig Demut und Stärke ausstrahlte. Sie nannte sich Ravenna, eine adelige Kriegerin aus einer Grafschaft. Ihre Augen leuchteten mit einem Feuer, das nicht von dieser Welt schien.

„Gottfried von Bouillon,“ sprach sie mit fester Stimme, „ich habe von eurer großen Mission gehört, und obwohl ich eine Frau mit allerlei Verpflichtungen in meiner Heimat bin, habe ich beschlossen, dem Ruf Gottes zu folgen.“

Gottfried, erstaunt von ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit, fragte: „Was treibt euch zu solch einem kühnen Unterfangen? Wisst ihr nicht, welche Gefahren euch auf diesem Weg erwarten? Räuber, Krankheiten und die endlose Wüste?“

Ravenna lächelte sanft, doch ihre Stimme zitterte nicht, als sie antwortete: „Mein Glaube ist mein Schild, und meine Hoffnung ist mein Schwert. Wenn unser Herr für uns ist, wer mag wider uns sein?“

Diese Worte berührten Gottfrieds Herz, und er erkannte in Ravenna eine Seele, die von Gottes Licht geführt wurde.

So geschah es, dass Ravenna Gottfried auf seiner Reise in das Heilige Land begleitete. Unterwegs erzählte er ihr von den Visionen, die ihn antrieben, von einer Welt, in der der Glaube triumphierte und alle Menschen dem Herrn dienen. Ravenna wiederum sprach von ihrer Idee, eine christliche Siedlung in einer Region voller Heiden und Ketzern zu errichten, ein Ort, an dem Gebete laut erklangen und Felder grün erblühten, trotz der Dürre und des Krieges, die das Land verheerten. Sie sprach davon, dass die Siedlung wie ein Licht in der Dunkelheit langsam aber sicher, alle weiteren Siedlung drumherum erleuchten sollte. Die Heiden sollten den Weg zum Herrn finden.

Die Tage vergingen, und Gottfried stellte fest, dass Ravennas Mut nicht nur Worte waren. In einer besonders finsteren Nacht, als die Pilger von Räubern überfallen wurden, stellte sie sich mit ihrem Schwert und ihrem unerschütterlichen Glauben zwischen die Angreifer und die Hilflosen. „Im Namen des Herrn, weicht zurück!“ rief sie, und als ob die Räuber vom Zorn Gottes selbst getroffen worden wären, flohen sie in die Nacht.

Als sie schließlich das Heilige Land erreichten, standen sie auf einem Hügel, von dem aus man die Mauern Jerusalems in der Ferne sehen konnte. Ravenna kniete nieder. „Dies ist das Land, von dem ich stets geträumt habe,“ flüsterte sie, „ich werde bis zum Ende an eurer Seite stehen."

Gottfried ließ seinen Blick über die Mauern von Jerusalem schweifen und nickte ein paar Mal, nach Ravennas Worten. „Der Herr möge euch segnen, Ravenna. Ihr seid eine treue Dienerin des Herrn.“

Gemeinsam kämpften sie in der Belagerung um Jerusalem - Seite an Seite.

Ein paar Tage nach der erfolgreichen Einnahme der Stadt, rief Gottfried Ravenna zu sich. Die Kämpferin machte sich augenblicklich auf den Weg. Gottfried erwartete sie in einem grünen Garten, inmitten eines großen Klosters. Er saß auf einer hölzernen Bank, die Augen geschlossen. Ravenna trat zu ihm und räusperte sich. Gottfried öffnete seine Augen und lächelte sie sanft an. „Ravenna, die treue Kämpferin. Ich danke euch, dass ihr hier seid. Ich habe ein Anliegen, welches ich gern mit euch besprechen würde.“

Ravenna lauschte seinen Worten und nickte. Ihr Herz pochte in ihr so stark, sie dachte, es würde gleich aus ihrer Brust springen.

Gottfried überlegte für einen Moment, ehe er sprach. „Ich hatte einen Traum.“ Er richtete seinen Blick auf Ravenna und schaute sie an. „In diesem Traum blickte ich über das Heilige Land und erfreute mich an diesem Ausblick. Ich schloss die Augen und atmete die Luft erfüllt von Freude und Tapferkeit ein. Als ich meine Augen wieder öffnete, schwebte neben mir ein strahlendes Licht. Es war so hell, ich konnte kaum hinschauen. Dann sprach eine Stimme zu mir und sagte nur folgendes: ‚Es ist noch nicht das Ende. Möge die Treue über diesen Erfolg hinaus wachsen. Reicht die Hand.‘ Dann verschwand das helle Licht, so schnell wie es kam.“

Ravenna hörte den Worten von Gottfried zu und versuchte sich einen Reim aus seinen Worten zu machen. Er blickte sie an und fing an zu lächeln. „Ravenna ich interpretiere diesen Traum als klare Botschaft. Die Treue, die seid ihr. Ich möge euch die Hand reichen, um euch in dem zu unterstützen, was eure Bestimmung ist. So entsende ich euch als treue und tapfere Kämpferin, um die Botschaft des Herrn zu verbreiten. Möget ihr eine Siedlung inmitten von Heiden und Ketzern errichten. Möget ihr sie zum Lichte führen und einen Leuchtturm in der Dunkelheit errichten. Ich gebe euch die Mittel an die Hand, um euch zu eurer Bestimmung zu führen.“

Ravenna blickte Gottfried an und konnte ihr Glück kaum fassen. Erfüllt von Ehrfurcht und Stolz nahm sie die Aufgabe und Unterstützung von Gottfried auf und machte sich mit einigen Mitstreitern auf den Weg. Ein paar von ihnen wollten in ihre Heimat zurück reisen und würden sich an einem Hafen von den anderen trennen. Doch dazu kam es nicht…


Ein paar Wochen nach dem Kampf um Hohenfels und nachdem der erste Grundstein für die Errichtung von der christlichen Stadt Hohenfels gesetzt wurde, rief Ravenna ihre Ordenssprecherinnen Hildegard und Amalie von Schönburg zu sich. Ravenna ging in ihrem Besprechungszimmer auf und ab, während die Schwestern sie nur erwartungsvoll anblickten.

„Ich möchte eine Statue zu Ehren von Gottfried von Bouillon errichten. Er hat mir Zuspruch gegeben, mich in meinem Vorhaben unterstützt und auch wenn wir nicht wissen in welchem Lande wir uns befinden und ob wir jemals in unser altes Heimatland zurückkehren können, müssen wir ihm zu Ehren eine Statue errichten. Möge jeder der Hohenfels besucht, ob Feind oder Freund, den Herrn Gottfried von Bouillon sehen. So wie er in mich und meine Bestimmung geglaubt habe, mögen unsere Bürgerinnen und Bürger an ihn denken und seine Taten preisen.“

So kam es, dass sich die Baumeister neben der Kirche als nächstes an die Statue von Gottfried von Bouillon setzten. Sie konzipierten die Statue, kauften die Materialien und begannen zu arbeiten.

Mittlerweile steht die Statue in den Klippen von Hohenfels am Hafen, so dass ein jeder sie erblickt, sobald man sich auf Hohenfels zubewegt. Stets legen Bürgerinnen und Bürger der Stadt Blumen nieder und beten neben ihr.

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