𝕿𝖆𝖌𝖊𝖇𝖚𝖈𝖍 𝖉𝖊𝖗 𝕭𝖊𝖑𝖆𝖌𝖊𝖗𝖚𝖓𝖌
Irgendwo auf Burg Weißdorn befindet sich das von Ulrike geschriebene Tagebuch, das sie während der Belagerung durch den Fünfstädtebund geschrieben hatte.
OOCliche Anmerkung
Die OOClichen Tage dienen der Einordnung in die Gesamtzeit (auch für mich währenddessen). Sie basieren auf der Zeitregel: 1 RL-Tag = 4 RP-Tage
und decken quasi den Tag in 6-Stunden-Abschnitten ab.
1-3 ist z.B. der Nachmittag (3) des ersten OOC-Tages (1).
Die Geschehnisse und Ausführungen sind wie jeder Beitrag über RPliche Geschehen selbstverständlich subjektiv - nicht zwingend nur wegen des Ich-Erzählers.
Erster Tag
Erster Tag (OOC 1-2)
Just am Morgen herrschte bereits größte Aufregung in der Burg. Wo am Abend zuvor sich die Dunkelheit über den weiten gräsernen Ebenen niedergelegt hatte, waren gleich einem widernatürlichen Unkraut Zelte, Wägen und Feuer aus dem Boden geschossen. Sie waren dabei, einen hölzernen Wall entlang der Landzunge zu errichten, an der die Burg an das Festland anknüpft. Auf ihnen patrouillierten Mannen mit oströmischen Rüstungen, wie wir sie aus Theonopolis kennen. Zugleich kreuzten im Nordwesten Kriegsschiffe mit seltsamen metallischen Röhren an Deck und schienen die Seewege blockieren zu wollen. Ihre großen, azurblauen Segel zierte das Wappen Exulors.
Über den Tag hinweg saßen wir auf der Burg und beobachteten. Beobachteten die Banner, die im wachsenden Heerlager erhoben und aufgestellt werden. Ein Wunder ist es wohl nicht, dass zu diesen die von Hohenfels und Theonopolis zählen. Doch sahen wir auch die Banner von Hadarkh an Zîgil, die bekanntlich Verbündete Thonopolis sind, und von Exulor und Raélyn.
Es ist Samstag, ein Tag der Treuga Dei, des göttlichen Waffenstillstands. Kein Fehdebrief, keine Absage wurde uns geschrieben, wie es in der alten Welt Gesetz war. Keine Frist von drei Tagen wurde uns gewährt. Das Fehderecht und alle Bestimmungen wurden ignoriert, wenngleich sie doch die Regeln des Krieges legen und die einzige Ehre im Waffengang wahren. Es scheint mir ein Krieg des Hasses. Ein Krieg der Rache. Entgegen aller Gebote, die unser Herr uns lehrte.
Noch scheint alles friedlich, noch gab es keinerlei Angriffe oder Verhandlungsversuche. Aber dennoch liegt die Stimmung Brach. Große Teile der Ordenskrieger und der Ritterinnen sind außerhalb und werden durch den Belagerungsring nicht durchdringen können. Selbst die Vertrauenswürdigsten sind fern. Knappe Camila ist in Xantia oder irgendwo. Waffenträger Tobin Marcus Bärtius in seiner Heimat Krárvalo. Und selbst Johanna, unsere Großmeisterin, befindet sich auf Reisen, um zu Gott zu finden.
Die Verantwortung über die Burg obliegt mir. Und ich fürchte mich. Wann wird der erste Angriff erfolgen? Werden sie überhaupt verhandeln wollen? Das Gespräch wird der einzige Weg sein, doch wann haben Gespräche mit den Herren der Welt etwas gebracht? Und vor allem mit diesen aus Hohenfels und Theonopolis?..
Der Herr wird uns weisen. Er muss es. Ich glaube daran.
Zweiter Tag
Zweiter Tag (OOC 1-4)
Der Tag verlief ruhig. Wir sammelten Vorräte, rüsteten die Wachen, teilten neue Schichten ein und versammelten uns mehrfach zum gemeinsamen Stundengebet in der Kapelle. Ich saß lange auf dem Bergfried im Taubenschlag, habe Nachrichten gesandt und empfangen. Und so auch erfahren, dass ein Krieg gegen uns und Krárvalo im Gange sein soll.
Ketzerei und die Missachtung der Religion Tharyána werden uns mitunter vorgeworfen. Ersteres ist verständlich, denn eine andere Lehre ist in vieler Augen gleichsam die ketzerische Lehre. Doch die Klage der Seelelfen von Tharyána verstehe ich nicht. Nie hatten wir Kontakte zu ihnen, nie haben wir ein böses Wort über ihren Glauben verloren. Eher doch sind es die Menschen der Union aus Hohenfels und Theonopolis, die Feindlichkeit und Schmähungen finden. So oft haben wir doch gehört, wie ihre Männer wehrlose Nichtmenschen angriffen. Was geht da nur vor im Geiste ihrer Herrscherin?
Was unsere Bedränger als Grund auch anführen, ist die alte Sache in Theonopolis: Als Großmeisterin Johanna ohne politischen Hintergrund (und ohne meine Zustimmung) den Orden als Söldner anstellen ließ und den verdorbenen Spross des alten theonopolischen Kaisers, Herakleios, beim Angriff zur Machtübernahme unterstützte. Ein gewaltiger Fehler, für den wir doch genug Sühne zu tun angeboten haben. Für dessen Tilgung wir die Ordensstruktur verändert und seither nur noch allein den christlichen Idealen gedient hatten.
Und doch drängt es die Union nach Rache und Vergeltung. Wie sie am Schwarzen Brett ankündigten, trachten sie nach unserer Vernichtung. Es ist mir unbegreiflich, wie sie derart nach Rache schreien, wo gerade Hohenfels sich doch als Wahrer der christlichen Werte bezeichnet, zu denen Vergebung und Feindesliebe doch zu den höchsten gehören. Wir waren bereit zur Versöhnung, doch sie waren es nie. Und nun marschieren sie mit Feuer und Schwert auf unser Heim, um christliches Blut zu vergießen, wie sie selbst es doch uns vorgeworfen hatten.
Warum, Herrgott, ist die Welt so blind?
Dritter Tag
Dritter Tag (OOC 2-1)
Alle Vorbereitungen für die längerfristige Belagerung sind vollendet. Es wurden Tauben an die ausgeschlossenen Ordensmitglieder gesandt und sie zur Vorsicht gemahnt. Außerdem wurden die Nahrungsvorräte überprüft, wir haben sie fürs Erste zur Genüge. Wir haben große Vorräte an Karotten eingelagert, eine große Menge Fleisch geräuchert und haltbar gemacht, haufenweise Getreide trocken und nährreichen Honig in Fässern. Das hat die Moral unserer Leute auf jeden Fall aufgebessert.
Doch ändert es etwas an der ganzen Lage, dass wir eingesperrt sind und einen Angriff fürchten müssen? Nein. Es ist verzweifelnd, die gesamte Entscheidungsposition einnehmen zu müssen, auch wenn mir einige fähige Berater zur Hand sind. Es ist nicht wie sonst, wenn die Großmeisterin fort war und ich mich stellvertretend um die wirtschaftlichen Belange kümmerte. Jetzt muss ich mich auch um die Verteidigung sorgen: Etwas, das ich in der Art nie und nimmer hätte tun wollen oder gar dürfen. Es widerspricht allem, was ich geschworen habe.
Wenn ein Angriff kommt und ich den Gegenschlag anordnen muss, rücke ich unabkehrlich aus dem Stand der Gnade, denn durch mich würde Blut vergossen.
Warum, Herr, bringst Du mich in solche Bredouille?
Fünfter Tag
Fünfter Tag (OOC 2-3)
Unsere Männer und Frauen stehen nahezu rastlos auf den Mauern und halten Ausschau, was im Heerlager geschieht. Nachdem gemeldet wurde, dass schwere Katapulte in ihren Einzelteilen gesichtet worden waren, gab ich die Anweisung, aus den Kellern der Burg die eigenen hinauf zu holen. Auf beiden Seiten sind es Bliden, wie sie unserer Heimatwelt noch unbekannt waren. Sie sind stärker und präziser, und ich fürchte mich vor ihrem ersten Einsatz.
Später dann habe ich Alverro Galván kontaktiert, der zu Zeiten des Aufmarsches in seiner Baumeistergilde war, und ihn gebeten, eine Kundmachung ans Schwarze Brett zu bringen, die ich ihm per Taube gesandt habe. In dem Aushang schrieb ich von der Unrechtmäßigkeit der Belagerung in Hinsicht der Treuga Dei und des gebrochenen Fehderechts, welches allein den Krieg irgendwie ehrbar gemacht hat. Unsere Angreifer wird es gewisslich nicht rühren, aber es wird der Welt noch einmal verdeutlichen, welch bösartige Wesenheiten das sind.
Gefordert habe ich den Rückzug und den Beginn friedlicher Gespräche zu Gunsten des Friedens. Ob sie darauf antworten? Ich weiß es nicht. Kommt keine Antwort, so werde ich mit Gottes Kraft hinaus durch die Tore schreiten und die uns zustehenden Verhandlungen einfordern. Der Herr wird mich führen.
Siebter Tag
Siebter Tag (OOC 3-1)
Es herrscht nach wie vor Ruhe. Auf Seiten der Belagerer werden weitere Bliden errichtet, diesmal geradewegs gerichtet auf das Haupttor. Doch es ist aus den stärksten Steinen gebaut und mit einem dahinterliegenden Zwinger gesichert. Selbst im Falle, dass sie das Torhaus beschädigen und das Fallgatter zerstören, wäre die Stürmung eine Todesfalle. Zumal wir, sobald sie mit dem Feuer beginnen, auch aus unserer Blide schießen und auf ihre Katapulte zielen werden.
Doch all dies ist Zukunftsgeschwätz. Auch wenn noch ein weiteres Kriegsschiff aufgetaucht ist und den nördlichen Seeweg blockiert, so denke ich nicht, dass ein Angriff kommen wird. In der Ordensbibliothek habe ich die vergangenen Tage viel über Belagerungen gelesen, und wenn man uns derart auf unvorbereitetem Fuße getroffen hätte, wie sie es haben, so hätten sie uns gleich im Moment der Überraschung angegriffen.
Meine Schätzung ist, dass die Belagerung hauptsächlich Druck aufbauen soll. Ich bete, dass es so ist. Denn dann werden auch Verhandlungen fruchten. Kein Mensch mit restlichem Funken Ehre und Menschlichkeit würde Kompromisse ausschlagen und dafür einen Angriff beginnen, nur um Männer zu töten und eigene rücksichtslos in den Tod gegen die Mauern einer starken Feste strömen zu lassen.
Neunter Tag
Neunter Tag (OOC 3-3)
Ich bin heute das größte Risiko meines Lebens eingegangen, und Gott hat mich schadlos hindurchgeführt. Es war das einzig Richtige. Laudate dominum.
Ich bin auf den schnellsten Hengst gestiegen, der in der Burg verblieben ist, und hinaus in Richtung des Walles geritten. Kaum war ich dort und in Schussweite ihrer Pfeile, richteten sich von allen Seiten die Bögen auf mich. Es war ein angsteinflößender Moment. Kurz dachte ich, sie seien teuflische Unholde und würden jäh auf mich schießen. Aber Gott gab mir die Kraft und die Stimme, zu rufen, und ein Soldat antwortete mir.
Er ließ seine Waffen hinter dem Wall und traf mich freiwillig genau zwischen beiden Fronten, außerhalb der Schussweiten. Dafür hatte er mein größtes Ansehen. Er nahm den Helm ab und zeigte mir sein Gesicht, und ich erkannte ihn: Felix Breitner. Ein Bäcker aus Theonopolis, den ich schon früher traf. Er wollte damals Mönch werden, doch konnte sich weltlicher Belange wegen nicht dazu durchringen.
Wir sprachen kurz, und er rief mit einem Vogel nach dem Befehlshaber der Armee. Dieser sei Thráin Zirakinbar; der Herr der Belagerung hingegen ein Andronikos Phokas. Gerade letzteres verwunderte mich, denn ich war mir mehr als sicher, auf Michail von Schönburg zu treffen.
Der Befehlshaber Zirakinbar verspätete sich, und so sprachen Felix Breitner und ich. Es zeigte sich, wie schwer sein Reich Lasten auf ihn legte. Er fürchte sich vor dem Waffengang, könne aber nicht desertieren, da sein Bruder ein Legionär sei. Gemäß seines Wunsches, ein Mönch zu werden, sagte ich ihm, das Vergießen von Blut und gar das Dabeisein bei einer Belagerung, bei der welches vergossen werden wird, rücke ihn heraus aus dem Stand der Gnade. Rücke ihn heraus aus seiner Möglichkeit, die Priesterweihen zu empfangen und ein Chorbruder zu werden. Ich sah ihm an, dass er große Zweifel hegte, doch die Macht und der Druck Theonopolis‘ zu schwer waren.
Einmal mehr musste ich preisen, dass Großmeisterin Johanna das Prinzip des Leitens, nicht des Herrschens, in den Orden einbrachte. Jeder wird geführt, doch freiwillig und mit eigener Entscheidung, da jedermanns Seele nur ihm gehört.
Gelobt seien Gott und sie für diese Einsicht.
Wir sprachen noch lange. Er fragte tiefgründige Dinge, wirkte verwirrt und fast verzweifelt. Er wollte wissen, warum wir Menschen hier seien. Ob wir eine Antwort hätten: Und ich gab sie ihm. Ich erklärte alles, was es zu Eldoria und unserem Hiersein zu erklären gibt.
Mich durchfuhr Zeit des ganzen Gespräches das Grauen. So ein unschuldiger Mann, so ausgenutzt für die teuflische Gier nach Rache.
Schließlich kam der Befehlshaber Zirakinbar endlich – bewaffnet und bedrohlich. Ich erfragte die Gründe der Belagerung, und er erwiderte, es seien die Taten, die der Orden dem Volk von Theonopolis angetan habe. Ich hielt dagegen und erklärte, sagte alles von meiner vorigen Warnung an den Konsul über die Mitteilungen an Hadarkh An Zîgîl bis hin zu den Versuchen der Wiedergutmachung. Doch er lachte nur, ließ alles an sich abprallen. Er bezeichnete mich als Lügnerin, obwohl ich doch mich der Wahrheit und Gottes Geboten verschworen habe, und kündigte schlussendlich an, seinen Diplomaten holen zu wollen. Aus welchem Grund auch immer.
Mir wurde nicht mehr wohl bei der Sache, somit bat ich um ein Treffen in ein paar Tagen. Denn mir war klar, dass ohne neutralen Dritten jede Lüge geglaubt und kein Beschluss halten würde. Zirakinbar akzeptierte, und wir gingen auseinander.
Dreizehnter Tag
Dreizehnter Tag (OOC 4-3)
Heute hatte ich endlich Zeit, mich eingehender um Mirandra zu kümmern. Sie hat mit all dem nichts zu tun und ist nur auf der Burg, um zu lernen und weil sie niemand Anderen hat. Aber Ordensmitglied oder derlei ist sie nicht. Dennoch kann ich mir überaus gut denken, dass sie gewaltige Angst haben muss. Die hatte ich anfangs ja auch.
Ich habe sie zur Mittagszeit also zu mir gebeten. Wir haben im Kaminzimmer ausführlich gesprochen. Sie fürchtete sich, ganz klar, aber panisch vor Angst war sie nicht. Es brauchte nur wenig Zureden, damit ich ihre Moral wieder heben und sie beruhigen konnte. Entweder kennt sie solche Situationen - Gott bewahre! - oder ist bereits fähig, über ihr zu stehen, weil sie wie ich in Gottes Kraft vertraut. Letzteres würde mir erheblich das Herz erleichtern.
Wir sprachen eine Weile und dann über die Gründe der Belagerung. Ich war ihr schuldig, alles zu erklären, was hierher geführt hatte. Der Söldnerauftrag für den Kaiserspross von Valdor in Theonopolis, was dem Großteil unserer Beziehungen das Genick gebrochen hatte. Doch auch davon, was noch weiter dahintersteckte: Die vorige Mitteilung an Hadarkh an Zîgîl über unsere Teilnahme an dem Angriff, die von mir gebrachte Warnung an den Konsul von Schönburg, der als damaliger Übergangsherrscher von Theonopolis angegriffen werden würde, die Weigerung zum Töten während des Angriffes, die nachfolgenden Änderungen der Ordensstruktur als Lehre dieses Geschehnisses und vor allem unsere Versuche, die Chance zur Wiedergutmachung zu erlangen.
Aber es war alles vergeblich gewesen. Sie standen nun vor unseren Mauern mit dem Willen zur Vernichtung und zum Töten. So erklärte ich es ihr, aber betonte, dass sie, die in Theonopolis bekannt und kein Mitglied des Ordens sei, wahrhaft nichts zu befürchten habe. Sie sei unschuldig und würde in jedem Fall nichts zu befürchten haben. Dafür würde ich in jedem Fall sorgen. Dafür werde ich sorgen.
Es schien sie tatsächlich beruhigt zu haben. Zur Ablenkung setzten wir danach ihre Lehre über die Heilkunde fort. Doch hatte mich die Schilderung abermals wütend gemacht. Auf die Belagerer, aber vor allem … auf Johanna.
Vierzehnter Tag
Vierzehnter Tag (OOC 4-3)
Der erste Termin für die Verhandlungen steht. Doch auf der Burg besteht großer Unmut hinsichtlich dieser. Die Belagerer kamen aus Hass und Abscheu und besitzen eine vielfach höhere Menge an Truppen, so dass sie auf Verhandlungen kaum zu hören hätten. Und selbst wenn sie einem Kompromiss zustimmen würden, wäre unklar, ob sie diesem selbst gehorchen, wenn er nur zwischen zwei einzelnen Zeugen besprochen wurde.
Ich kann die Furcht gut verstehen, doch glaube ich zumindest an die Ehrbarkeit der Zwerge aus Hadarkh an Zîgîl. Anders als die verblendeten Fanatiker aus Hohenfels und die rachgierigen Orthodoxen aus Theonopolis ist kulturell die Ehre bei ihnen hoch angeschrieben. Interessanterweise sind sie es schließlich, die auch die Verhandlungen und den Krieg als Gesamtes anführen.
Wegen der verständlichen Bedenken, die ich in Bezug auf die sogenannte „Heilige Union“ (Gott verschmähe diesen Namen) verstehen kann, habe ich eine der wenigen verbliebenen Tauben genommen und eine Botschaft an den Grafen Jakob von Erlach, den Herrn von Thyma Dorei, verfasst. Ich bat ihn – trotz der Differenzen zwischen dem Orden und der Stadt – um Anwesenheit bei den Verhandlungen, um Vermittlung und um neutrales Zeugnis. Er solle damit Lügen und Verhandlungsbrüchen entgegenwirken und diese in die Öffentlichkeit tragen, sollten sie geschehen. Denn sollten die Belagerer tatsächlich welche begehen und es öffentlich werden, so bestünde die wage Chance, dass sich die anderen Parteien, die sich nur aus Profitgier einem vermeintlich rechtmäßigen Konflikt angeschlossen haben, aus Furcht um ihren eigenen Ruf abwenden.
Wie ich erwartet und erbetet hatte, kam nach langem Warten eine Nachricht zurück. Meine Worte hatten wohl Anklang gefunden, denn er willigte ein. Er werde jemanden als neutralen Beobachter zu den baldigen Verhandlungen schicken.
Selten war ich in letzter Zeit glücklicher. Thyma Dorei ist nicht unbedeutend in dieser Welt, und auf ihr Wort können wir zählen. Sie werden wahren, was es noch zu wahren gibt. Vielleicht retten sie uns durch ihre Anwesenheit auch. Herr im Himmel, Dir sei ewig Dank!
Siebzehnter Tag
Siebzehnter Tag (OOC 5-3)
Weder in der Burg noch im Heerlager geschah die Tage noch viel. Unsere Vorräte waren gesichert und Vorbereitungen ausnahmslos abgeschlossen, und wir warteten nur noch unruhig auf die Verhandlungen. Eine Unruhe, die unsere Geister und Herzen verpestet und mich zumindest des Schlafes beraubt.
Unsere Belagerer haben vor Kurzem den zweiten Holzwall in ihrem Rücken gen Inland fertig errichtet. Es schlugen sich im Laufe des Tages immer wieder neue Zelte auf, als würden weitere Truppen dazukommen oder dies – wie ich hoffe – nur vorgetäuscht werden.
Heute war es dann soweit, dass ich erneut allein zu den ersten Verhandlungen hinausritt. Allein, um Vertrauen zu symbolisieren. Nicht nur in unsere Belagerer, sondern in Gott. Denn durch ihn gibt es keinen Grund, mich zu fürchten. Daran glaube ich. Durch den Beweis wird es wahrhaftig.
Ich traf auf einen rothaarigen Zwergen, der wohl der Diplomat war, von dem der Heerführer Zirakinbar gesprochen hatte. Er wurde begleitet von zwei schwer gerüsteten Zwergen und einem Ork: Gorgh Arpak, der eigentlich eine freundschaftliche Beziehung zum Orden geführt hatte. Da wurde mir abermals klar, wie sehr die Gier die Welt doch vergiftet.
Der Diplomat, Arthur Eisenfaust, sandte die Wächter zurück zum Lager, und wir standen uns eine Weile gegenüber, wartend auf den Grafen von Thyma Dorei. Dieser hatte, wie ich gebeten hatte, sich selbst angekündigt und wurde wohl gerade durch das Lager befördert.
Als er ankam, bat ich einen Eid von ihm. Er schwor, den Konflikt und die Verhandlungen neutral zu beobachten und zu bezeugen. Er werde keine Partei ergreifen.
Zuerst besprachen wir die Gründe der Belagerung, und ich legte abermals dar, dass der Orden sich weniger zu Schulden hatte kommen lassen, als sie behaupteten, und wir stets um Vergebung bemüht waren. Eisenfaust hielt dagegen: Wir hätten an dem Angriff dennoch teilgenommen und müssten die Folgen ausbaden. Eine Weile ging es hin und her, aber gesittet. Schließlich kamen wir auch zum Vertragsbruch Hadarkh an Zîgîls, als sie den Handelsvertrag mit uns auflösten, der aufgrund seiner Form ohne Auflösungsklausel einen einseitigen Austritt unmöglich machte. Der Diplomat widersprach.
Ehe wir zu lange disputiert hätten, griff der Graf glücklicherweise ein. Er regte an, statt Gründen und Beschuldigungen nun Lösungen zu finden.
Ich bot an, vertraglich die Dienste des Ordens auf seine christlichen Werke und Schutzaktionen zu begrenzen. Dass wir nie mehr militärisch in Fehden oder Kriege eingreifen würden. Der Vorschlag kam wohl gut an, der Diplomat sah davon ab, dass der Orden aufgelöst werden müsste. Gewiss, das war ein Schein-Entgegenkommen, da die Erhaltung des Ordens bei jeder Verhandlung der erste Gegenstand gewesen wäre. Aber auch unsererseits war es das, was wir schon seit vielen Monaten praktizierten.
Eisenfaust erwiderte darauf eine Entschädigungszahlung ungenannter Summe sowie die Unterstellung unter Exulor, was ich jäh absagte. Es war und ist undenkbar, dass ein wohltätiger christlicher Orden von einer Stadt bevormundet wird, die aus reiner Profitgier in einen Krieg eingetreten ist. Ausbeuten würden sie den Orden, in jedem Falle.
Die Verhandlungen gingen weiter, und für kurze Zeit kam auch der Heerführer Zirakinbar dazu, der jedoch bloß im Hintergrund stand und fremd über ernstliche Vorschläge zu lachen gedachte. Neben einer Neuaufnahme der Beziehungen zu Hadarkh an Zîgîl, also dem Vergessen des Vertragsbruches, schlug ich vor, dass statt Exulor Thyma Dorei als neutrale dritte Partei eine Beobachterrolle einnehmen sollte, um zu gewährleisten, dass wir uns an die Abkehr von militärischen Eingriffen halten würden. Denn das war angeblich der Grund, aus dem jemand „Aufsicht“ über uns übernehmen sollte.
Der Graf geriet ins Nachdenken und sagte zu, es mit seinem Rat zu besprechen. Ich betone, dass der Orden wie seine Stadt tolerant und offen gegenüber anderen Religionen sei und es nur gute Berührungspunkte gäbe. Der Heerführer lachte, der Diplomat aber sagte zu, sich darüber abzustimmen.
Somit gingen wir auseinander. Wie ich sagen würde, war es für unseren Standpunkt eine sehr erfolgreiche Verhandlung.
Sechsundzwanzigster Tag
Sechsundzwanzigster Tag (OOC 7-4)
Passend nach Dämmerlicht des heutigen Abends kam eine Taube nach Weißdorn, mit einem ebenso zwielichtigen Angebot. Die „Nachtklingen“ sandten uns ein Angebot. Sie schrieben, von unserer brenzligen Lage erfahren zu haben und würden uns gerne ihre Dienste zur Verfügung stellen.
Wäre ihr Name nicht schon unheilvoll und andeutend genug, weiß ich auch um ihre Dienstleistungen. Es sind Mörder, Diebe und Attentäter, Vollstrecker der gewissenslosesten Seelen dieser Welt. Und was sie anboten, war mir natürlich klar.
Für den Bruchteil einer Sekunde flammte in mir das höllenheiße Begehren auf, ihnen ein Zugeständnis zu antworten. Der Gedanke von Rache. Ein unglaublich verlockendes Gefühl in meiner Brust. Aber mir wurde umso schneller klar, dass da die Hand des Teufels griff. Ich warf mich nieder, bekreuzigte mich, betete, geißelte mein Haupt und schleuderte den dämonischen Brief in die Flammen des Kaminfeuers.
Da hatten keine Menschen geschrieben, sondern des Teufels Dämonen höchstselbst. Sie wollen Zweifel säen und mich in diesen Wochen der größten Verzweiflung auf ihre Seite treiben. Die flammende Saat des Teufels, der Todsünden, hatte kurz Einzug in mich gehalten, aber ich konnte sie verdrängen. Ich bin eine treue Dienerin Gottes und werde nicht seines Pfades abkehren. Niemals, denn ich bin erhaben.
Nachdem ich mich vom Boden wieder aufhob, schrieb ich den Antwortbrief und sandte ihn fort. Ich dankte und lehnte ab. Ich betonte, wir strebten gen Frieden. Dass wir nicht solche Mittel ergreifen würden.
Während ich danach wartete, ob noch eine Antwort käme, wog ich auf meinem Sitz unstet betend hin und her. Lange. Und die Versuchung kehrte wieder. Die Nachtklingen lobten unser Streben, doch sollten wir uns gezwungen sehen, den anderen Weg einzuschlagen, sei ihr Angebot noch da.
Noch ehe irgendetwas Böses auf mich überspringen konnte, warf ich den Brief wieder ins Feuer und mich erneut betend zu Boden.
Achtundzwanzigster Tag
Achtundzwanzigster Tag (OOC 8-2)
Ich halte regelmäßigen Taubenkontakt zu allen Ordensmitgliedern, die da draußen noch sind. Die meisten antworten, andere von Anfang an nicht. Sicherlich, weil sie im Exil sind und sich verstecken.
Doch seit ich vor zehn Tagen die letzte Taube an Johanna, unsere Großmeisterin, geschickt und sie von den Verhandlungserfolgen unterrichtet habe, kam nichts mehr. Die Tauben kehrten nicht zurück und blieben unbeantwortet. Sie ist verschwunden.
Wäre sie erwischt und gefangen worden, hätte es sofort eine Geiselverhandlung gegeben. Die Belagerer wissen, dass es besonders für mich schwer und gegen mein Gelübde wäre, jemanden per Entscheid dem Tod zu überlassen. Aber andererseits fürchte ich, dass sie die Überraschung erst bei den nächsten Verhandlungen platzen lassen und mir keinen großen Raum für rationale Entscheidungen geben. Oder dass sie sie sogar schon getötet haben…
Wie der Orden ohne Johanna weitergehen soll, weiß ich nicht. Ich habe jetzt schon zu viel getan, was mit meinen Gelübden beinahe kollidiert. Und dann sollte ich an ihrer statt einen Ritterorden führen? Das kann ich nicht.
Warum tust Du das, o Herr, was soll diese unsägliche Prüfung? Wohin soll das alles führen? Was ist Dein Wille? Tun wir falsch? Was kann ich geben, damit Du klar zu uns sprichst??
…
Ich weiß nur von Camila als meistgeeigneter Kandidatin, aber ihr fehlen dennoch die ritterliche Ausbildung und der Mut zu alledem. Vor allem ist sie untergetaucht, wie ich zuletzt hörte, und lebt wie alle anderen in Angst. Der Orden ist im Krieg und wird gejagt. Selbst nach der Verhandlung ist nicht gewiss, ob sie uns dauerhaft in Ruhe lassen oder wegen der trotzdem ungesühnten Schuld erneut angreifen.
Es zermürbt mich.
Ich muss dringend eine Entscheidung treffen, wie all das weitergeht.
Dreißigster Tag
Dreißigster Tag (OOC 8-4)
Heute zur Abendzeit bin ich zur zweiten Runde der Verhandlungen hinausgeritten, aber mit einem wahrlich unguten Gefühl. Ich habe bereits geahnt, dass der vorgebrachte Vorschlag der Beobachtung durch Thyma Dorei wohl nicht angenommen wird. So war es dann schließlich auch. Der Diplomat Eisenfaust begründete es mit Misstrauen einiger Bündnisparteien gegenüber Thyma Dorei. Stattdessen schlug er die Aufsicht unter Hadarkh An Zîgîl vor. Sie würden uns freie Glaubensausübung gewähren, die gierigen Finger Exulors (die schließlich nur zum Profit in den Krieg eintraten) von uns fernhalten und schlicht militärische Aktionen unterbinden.
Ein gutes Angebot. Grundsätzlich. Ich hätte es angenommen, wären die Umstände nicht anders.
Doch die Würfel sind so gefallen, dass wir keine Großmeisterin oder eine würdige Nachfolgerin für sie haben. Dass alle Ordensmitglieder in großer Angst vor dem Tode oder der Verfolgung stehen. Dass ich selbst ratlos bin, wie es vernünftig weitergehen soll.
Ich bat um einige Minuten des Bedenkens und zog mich zurück zum Überlegen. Ich musste entscheiden, wie es weitergehen sollte. Natürlich hatte ich mir bereits Gedanken gemacht, aber ich zweifelte. Hatte Angst. Um mich, um das Wohl der Ordensmitglieder. Um die Chance, dass sie den Vorschlag nicht annehmen würden. Um Gottes Reaktion.
Es übermannte mich beinahe, und ich saß dort für eine Ewigkeit, dass ich fürchtete, Eisenfaust und der Graf würden bald gehen.
Ich kehrte also eilends zurück und trug vor, was ich nahezu einstudiert hatte: Der Orden solle ins Exil gehen, die Mitglieder ohne zentrale Kontrolle ihren Pflichten an ländlichen Kirchen und Pilgerstätten ausüben, alle frei und unbescholten gehen dürfen und ich mich für sie ausliefern, damit Hohenfels und Theonopolis an mir ihre Rechenschaft (oder Rache) üben könnten.
Es kam mir nur schwer von den Lippen. Ich merkte just, wie mir das Gesicht erbleichte und die Körpersäfte verrücktspielten, so dass mir die Beine unter dem Habit zitterten. Gott möge getan haben, dass sie es übersahen. Und er möge mir das vergeben.
Eisenfaust war überrascht, dann lehnte er ab und forderte die formelle Auflösung und Loslösung der Eide. Ich hielt dagegen, argumentierte und erklärte für das Exil. Bis er die Verhandlungen für beendet erklärte und sich zum Gehen umwand.
Wie als drücke alle Macht des Himmels auf mich ein, stürzte ein Druck auf mich nieder. Es zwang mich innerlich auf die Knie, während er die Schritte zum Fortgehen unternahm. Alles zerbrach. Bis ich ihm hinterher rief und zusagte…
Er hielt inne und mich wie Püppchen in der Hand. Das durfte ich keinesfalls zeigen, aber ich weiß, ihm war es klar. Doch wir verhandelten dann weiter auf dieser Grundlage, ich machte immer mehr Zugeständnisse und forderte auch welche ein.
Und nach langem Ringen waren wir uns einig. Auch auf Rat des Grafen stimmte ich zu, und wir besiegelten es per Handschlag. Ich zeigte mich stark und sah, wie ich es auch mündlich ausdrückte, das Positive in dieser Einigung. Aber im Innern herrscht bis jetzt ein schwerer Wellengang in mir.
Dreiunddreißigster Tag
Dreiunddreißigster Tag (theoretisch 9-3; tatsächlich OOC 11-4)
Die letzten zwei Tage habe ich mit allem Möglichen verbracht, um das Ende zu organisieren. Ich habe Tauben geschickt, Briefe verfasst und werde noch die Chroniken fertigschreiben und besiegeln müssen. Sogar zum Beten hatte ich kaum Zeit. Vier Horen habe ich verpasst.
Mich grübelt ständig, ob die ausgehandelten Bedingungen richtig waren. Gewiss, die Ordensmitglieder dürfen gehen, die Burg und all meine Lieben hier bleiben verschont. Aber die Loslösung von den Eiden und das plötzlich stoppende Gotteswerk, die fortan verfallenden Stätten und schutzlosen Pilger… Was wird dadurch geschehen, was wird Gott sagen?
Und auch die Reliquien, deren Übergabe ich zugestimmt habe: Ich weiß, obwohl es nicht gesagt wurde, dass sie zerstört werden sollen. Die Feder Macellas, das Haar Marias. Solch göttliche Reliquien habe ich aufgegeben! Aber für die Menschen habe ich das getan. Gott wird das verstehen, er muss es. Und er wird sie nicht zerstören lassen, sie sind göttlich, der Mensch kann und darf das rein Göttliche nicht vernichten. Es wird nicht möglich. Gott weiß das, ich weiß das. Ich vertraue ihm. Es wird so sein.
Heute Abend – daher schreibe ich schon jetzt – werde ich mich Hohenfels und Theonopolis, wie ausgemacht, ausliefern müssen. Ich werde sehen, was kommt. Ich bin ein Mensch, ich kann viel um Gottes Willen erleiden. Trotz allem wird er mich führen. Das weiß ich.
Dominus mecum.